Mit vorzüglicher Freude ersehe ich aus dem Intelligenzblatt der A. L. Z. n. 59, daß meine Entdeckung eines großen Magnetberges im mittleren Deutschland den Herrn von Charpentier zu interessanten Versuchen über den Magnetismus veranlaßt hat. Die Frage, ob das neue polarisirende Fossil Serpentinstein oder Hornblendschiefer sey, habe ich bereits in meiner zweyten Anzeige (Int. Blatt n. 38. S. 323.) berührt. Es heißt dort ausdrücklich: "der magnetische Gebirgsrücken gehört zu der Serpentinsteinformazion. Er enthält sehr verschiedene Lagen von reinem lauchgrünen, an der Oberfläche verwitterten Serpentinstein, von Chloritschiefer, Hornblendschiefer, und Mittelgattungen die an Syenitschiefer und Topfstein grenzen -- Fossilien deren Zusammenbrechen dem practischen Geognosten nicht auffallend seyn kann." Vermuthlich war aber Herrn von Charpentier, als er seine Anzeige abfaßte, die meinige noch nicht zu Gesicht gekommen und jenes kleine Mißverständniß ist also von selbst gehoben. Allerdings hätte ich in den Nachrichten, welche ich in den ersten Tagen nach der Entdeckung bekannt machte, die oryktognostischen Verhältnisse genauer bestimmen sollen; aber ich hielt es für wichtiger, den Magnethügel, mit seinen invertirten Polen, mit seinen parallellen Magnetaxen, mit seinem sich 22 Fuß weit erstreckenden Wirkungsreife, als ein großes geologisches Phaenomen zu schildern. -- Wenn jener vortreffliche Mineraloge Stücke meines Fossils fand, welche keine Polarität zeigten (die Stücke wurden doch an der Nadel einer Boussole, od. mittelst Kork auf dem Wasser schwimmend untersucht?) so scheint mir daraus zu folgen, daß, wie im ganzen Gebirge, so auch im kleinen wirksame u. unwirksame Massen gemengt sind . Durch sorgfältige Vergleichungen habe ich zwischen beiden, wie zwischen den mehr od. minder wirksamen, noch keine Verschiedenheit der Mischung finden können. Im Ganzen sind, nach Nicholson's Wage, die specifisch leichteren Stücke die wirksamsten. Wenn man ausdrücklich solche auswählt, in denen Magneteisen eingesprengt ist, und dieselben, jedoch nicht allzufein zerpülvert, so zieht ein schwacher Magnet, nicht etwa bloß die schwarzen Magnet- Eisen-Körner, sondern auch jedes andere Stäubchen an. Splitterchen von [Formel] Linie Länge und [Formel] Lin. Breite, welche unter dem Hofmannischen Mikroskope (bey 312400 maliger Flächenvergrösserung) als vollkommen durchscheinende graulichweisse Schuppen erscheinen, in denen also von Magneteisen nichts sinnlich wahrgenommen werden kann, zeigen deutliche Polarität, da sie dem genäherten N. Pol eines Magnetstabes das eine, dem S. Pol das andere Ende zukehren. Diese Thatsache ist mir von vielen Physikern, die meine Versuche wiederholten, bestätigt worden. Ich kann mich deshalb noch besonders auf das Zeugniß der Herren Hofräthe Lichtenberg und Blumenbach zu Göttingen, auch des Herrn Prof. Voigt zu Jena berufen, welcher letztere rühmlichst bemüht ist, die Stärke jener magnetischen Ziehkraft mathematisch zu bestimmen. -- Da gegenwärtig das Interesse der Naturforscher für den Magnetismus von neuem rege geworden ist, der Ausdruck: magnetische Eigenschaft aber so oft mißverstanden wird, so nütze ich diese Gelegenheit , um auf folgenden Unterschied der Erscheinungen aufmerksam zu machen. Es giebt 1) Stoffe welche den N. und S. Pol einer Magnetnadel gleich stark anziehen, also die Boussole beunruhigen, ohne selbst Polarität zu zeigen und ohne Eisen anzuziehen. Dahin gehören (wie ein scharfsinniger Mineraloge, Herr von Schlottheim mir bereits am 6ten Jan. meldete) grüne Erde von Monte Baldo; dichter Feldspath von Roßwein, Serpentin u. Talkerde (auf Amianth) von Kosemütz, Bol von Strigau und die von Herrn Freiesleben beschriebene, räthselhafte Gebirgsart, in welcher der Harzer Schillerspath liegt. Dahin gehören viele Abänderungen der Jade, des Pechsteins und des Granits vom Drachenfels bey Bonn, dahin gehören die Gebirgsarten, welche Herr von Charpentier aufführt. In mehreren dieser Fossilien (im gepülverten Serpentin von Zobliz und im Pechstein) habe ich durch den Magnet beträchtlich viel Magneteisen entdeckt. Doch entscheide ich nicht, ob gerade dies jenes Beunruhigen der Boussole hervorbringt, da schwach oxydirtes Eisen ebenfalls auf dieselbe wirkt und Brugmanns selbst ungefärbte wasserhelle Demante, angebrannten Kork u. Kirschkerne vom Magnet gezogen sah. (Dem Demant konnte sogar auf eine Zeitlang eine eigene Polarität künstlich mitgetheilt werden.) 2) Stoffe, welche die Boussole beunruhigen, keine Polarität zeigen, aber Eisen anziehen. Dahin gehören einige Abänderungen von schwach wirkendem, aber sehr reinem Magneteisenstein aus Schweden. 3) Stoffe welche Polarität zeigen und Eisen anziehen. Magneteisen. Kobalt. 4) Stoffe welche eine starke Polarität zeigen, aber kein Eisen anziehen. Diese Eigenschaft zeigen am auffallendsten mein polarisirendes Fossil, in ungleich minderem Grade (in Hinsicht auf Ausdehnung des Wirkungskreises und Erhaltung der Polarität bey mechanischer Zerkleinung) der Fichtelsche Serpentin von Paß Vulkan, von dem ich mehrere Stücke untersucht, der Ingermanländische Labrador nach Brugmanns, der Topfstein vom Wallis nach Herrn v. Schlottheim, und einige abgeschlagene Stücke vom Granit der Harzer Schnarcher und Feuersteinklippe nach Herrn Blumenbach. -- Wenn man eingesprengtes Magneteisen für die Ursache der Polarität in dem neuen magnetischen Hornblendegestein hält, so muß man, bey dem geringen specifischen Gewichte, nach logischen Regeln annehmen, daß in dem Fossile eine überaus geringe Masse mit einer überaus großen Kraft und zwar mit einer Kraft enthalten sey, welche von der des uns bisher bekannten Magneteisens verschieden ist. Wahrscheinlicher möchte demnach (falls man es für unmöglich hält, daß die magnetische Kraft an nicht-eisenhaltige, wie die electrische an nicht-bernsteinhaltige Stoffe gebunden seyn kann) wahrscheinlicher möchte jene Polarisirende Eigenschaft in dem oxydirten Eisen zu suchen seyn, womit das neue Fossil tingirt ist. Wir sehen, daß wenn die Theile einer Eisenstange erschüttert werden, der ewig geladene magnetische Erdball im Stande ist, seine Kraft in die Eisenstange überzutragen. Wie wenn jener große Magnetberg seine polarisirende Eigenschaft einer Erderschütterung verdankte? Diese Vermuthung, welche einer unserer ersten Physiker geäussert, gewinnt noch dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß Erdstöße am Fichtelgebirge gar nicht so überaus selten u. ungewöhnlich sind. Wurden nicht alle Theile der Gebirgsmasse gleichstark erschüttert, so mußte die Kraft sich ungleich mittheilen. Kein Wunder daher, daß Stücke unwirksam blieben, die mit den wirksamen gleiche Bestandtheile haben. -- Mögen doch mehrere Physiker und Geognosten sich mit mir vereinigen, die magnetischen Erscheinungen, wie die electrischen, im Großen und zwar in der freyen Natur zu beobachten. Wie wichtige Entdeckungen lassen sich auf dem Wege nicht, besonders im nördlichen Europa über die Magnetaxen einzelner Gebirge und über die Unabhängigkeit ganzer Bergketten von dem allgemeinen Magnetismus des Erdsphäroids erwarten! Fr. A. v. Humboldt.