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Alexander von Humboldt: „Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1797-Ueber_einige_neuere-1> [abgerufen am 29.03.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1797-Ueber_einige_neuere-1
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Titel Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen
Jahr 1797
Ort Salzburg
Nachweis
in: Medicinisch-chirurgische Zeitung 4:100 (14. Dezember 1797), S. 375–382.
Entsprechungen in Buchwerken
Alexander von Humboldt, Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser, Posen/Berlin 1797, Band 2, S. 446–454.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Auszeichnung: Schwabacher; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.57
Dateiname: 1797-Ueber_einige_neuere-1
Statistiken
Seitenanzahl: 8
Zeichenanzahl: 16796
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen (Salzburg, 1797, Deutsch)
[Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen] (Gotha, 1798, Deutsch)
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Ueber einige neuere Galvaniſche Erſcheinungen — aus einemBriefe des Oberbergraths v. Humboldt an den Prof. Marcus Herz zu Berlin.

Sie melden mir, theuerſter Freund, daß meine Schrift uͤberdie gereitzte Muskel- und Nervenfaſer Sie lange beſchaͤftigt, daßSie mir fleißig nachexperimentirt, und daß Ihnen faſt alle mei-ne Verſuche, bis auf die Fig. 62. gelungen ſind. Von einemManne, der, wie Sie, mit philoſophiſchem Geiſte in die Geheim-niſſe der Natur eindringt, mußte ein ſolches Zeugniß mich nicht we-nig erfreuen. Je ſchmeichelhafter aber die Aufmerkſamkeit iſt, wel-che man von ſo vielen Seiten meinen phyſiologiſchen Arbeiten ſchenkt,deſto mehr finde ich mich berufen, meine geringen Kraͤfte aufzubie-then, um das, was ich bisher gefunden zu haben glaube, einerſtrengen Pruͤfung zu unterwerfen. Da ich im Begriffe ſtehe,noch ein Mahl nach Italien zu reiſen, ja da eine groͤßere Unter-nehmung mich ſogar bald auf lange Zeit von allem literariſchenVerkehr abſchneiden wird: ſo habe ich meine letzte Muße genutzt,alle meine Verſuche zu wiederhohlen. Ich eile Ihnen die Re-ſultate jener Unterſuchung, das heißt die Puncte anzuzeigen,uͤber welche ich mich unrichtig oder wenigſtens unbeſtimmt aus-gedruͤckt zu haben glaube. Sie reduciren ſich auf zwey Gegen-ſtaͤnde, auf das Galvaniſiren unter Waſſer und auf die trans-verſale Durchſchneidung des Nervens. Neuere Experimente machen es mir (vergleichen Sie den1ten Band S. 247 meines Werks) auf’s Neue wahrſcheinlich,daß die Metalle ſelbſt keine, beym Galvaniſmus bemerkbarenWirkungskreiſe um ſich verbreiten. Ich habe nie Contractionenentſtehen geſehen, wenn die Metalle ſich nicht unmittelbar beruͤhr-ten. Dagegen habe ich Unrecht gehabt, wenn ich ſagte, daßbey den matteſten Froͤſchen der Contact zwiſchen den erregbarenOrganen und dem Metall nicht nothwendig ſey. Was ich da-mahls fuͤr die matteſten Thiere hielt, waren es nicht. Die Er-ſcheinungen unter Waſſer ſind in der That weit wichtiger, als |376| ich ehemahls geglaubt, und Fowler’s, ſo wie Hn. Prof. Creve’s ſcharfſinnige Bemerkungen haͤtten mich darauf leiten ſollen.Was ich bisher ſah, reducirt ſich auf drey Abſtufungen der Reitz-empfaͤnglichkeit. 1) Sind die Organe im Zuſtande der hoͤchſtenIncitabilitaͤt, ſo zeigen ſich alle Waſſerſchichten zuleitend. DieMuskelcontractionen entſtehen dann, wenn auch die Metallemehrere Zolle weit von den Organen abliegen. Sie entſtehenin jedem Moment, wo die Armaturen ſich von Neuem er-ſchuͤtternd beruͤhren. 2) Mit abnehmender Erregbarkeit mußdas Nervenende auf 3, 2 oder 1 Linie dem Zink genaͤhert wer-den. Die Zuckungen treten dann ein, wenn der eine Schenkelder ſilbernen Pincette auf dem Zink aufſteht, der andere (β) aber,mehrere Zolle weit von den Organen entfernt bleibt. 3) Hoͤrtdieſe Art der Reitzung auf, wirkſam zu ſeyn, dann muß man(im dritten ſchwaͤchern Zuſtande der Erregbarkeit) den Nerv inunmittelbaren Contact mit dem Zink ſetzen, den Schenkel, β,der Pincette aber dem Muskel auf 2 oder 1 Linie naͤhern. Derentbloͤßte (weniger der mit der Oberhaut bedeckte) Muskel ver-breitet naͤhmlich eine reitzempfaͤngliche Atmoſphaͤre um ſich her,die mit hinſchwindender Lebenskraft abnimmt. Es gilt alles vonihr, was ich in den Verſuchen Fig. 36. (S. 82.) und Fig. 65.(S. 233.) bemerkte. Die Zuckungen treten ein, ſo wie dieMuskelarmatur die dem Muskel nahen Waſſerſchichten beruͤhrt.Wird eine Metallplatte ſo gehalten, daß ſie die Atmoſphaͤredurchſchneidet, aber weder die Organe, noch die Armatur be-ruͤhrt, ſo iſt die Wirkung nicht gehindert. Dagegen verſchwin-det der Reitz ſogleich, wenn die Metallplatte mit einer Glastafelverwechſelt wird. Mit jedem Momente wird der reitzempfaͤng-liche Wirkungskreis ſchmaͤler und ſchmaͤler, und zuletzt erfolgtdie Erſchuͤtterung nur, wenn entweder der Schenkel an einerandern Stelle friſch entbloͤßt, oder wenn die Pincette mit dem-ſelben in unmittelbaren Contact gebracht wird. Daß dieſeWirkungen aus der Ferne hier den Organen, und nicht den Me-tallen zugeſchrieben werden muͤſſen, ſchließe ich (außer dem ſchon |377| oben angefuͤhrten Grunde) auch aus folgenden Beobachtungen:Wenn ein Stuͤck Schwamm oder gekochtes Fleiſch an die Gren-ze jenes problematiſchen Wirkungskreiſes gelegt wird, alſo in1 oder 2 Linien Entfernung vom Muskel, ſo erfolgt die Rei-tzung nur dann, wenn die zuleitende Subſtanz von der Pincetteunmittelbar beruͤhrt wird. Ja bey einem hohen Grade der In-citabilitaͤt habe ich den Verſuch Fig. 4. mit Erfolg unter Waſ-ſer angeſtellt. Hier war gar kein Metall, keine Kohle im Spiel.Die Muskular-Contractionen erfolgten, indem ein Stuͤck Froſch-leber mittelſt einer Glasroͤhre an einer Seite am Nerven an-lag, mit dem andern Ende ꝛc. aber dem entbloͤßten Muskel auf1 Linie weit genaͤhert wurde. Stelle ich den S. 32 beſchriebe-nen Verſuch an, bog ich unter Waſſer den Wadenmuskel gegenden Ischiadnerven zuruͤck, ſo ſah ich in einzelnen Faͤllen Zuckun-gen entſtehen, wenn Muskel und Nerve noch durch eine Waſſer-ſchichte von 1 Linie entfernt waren. Wurde hier nicht vielleichtſinnlich dargeſtellt, was der tiefſinnige Mathematiker, Hr. Mayer zu Erlangen in einem Briefe an mich (vergleichen Sie S. 485)aͤußerte? Geſchah hier eine Exploſion durch Beruͤhrung und Zer-ſetzung zweyer Atmoſphaͤren? — Wer wollte bey ſo zarten Gegen-ſtaͤnden apodiktiſch entſcheiden! Laſſen ſie uns nicht auf halbemWege ſtehen bleiben, ſondern unermuͤdet, ungenuͤgſam, aber er-wartungsvoll im Experimentiren fortfahren, wo unvollſtaͤndigeInductionen immer zu falſchen Schluͤſſen verleiten! Ich komme nun zu den Erſcheinungen des Galvaniſ-mus, wo die Kette durch Luftſchichten unterbrochen iſt. Sieerinnern ſich, mein theurer Freund, daß ich dieſelben auf dreyer-ley Weiſe beobachtet habe, ein Mahl indem das an die Pincettegebundene Muskelfleiſch (Fig. 65.) ſich der Lende des Froſchesnaͤherte, dann indem die entbloͤßte Pincette (Fig. 37.) von demauf dem Zink liegenden Muskelfleiſch entfernt blieb, und end-lich indem der armirte Nerve (Fig. 63.) der Quere nach durch-ſchnitten war. Da dieſe Verſuche, und der auch von Hn. Keutſch gluͤcklich wiederhohlte Verſuch ohne Kette (Fig. 9 — 13.) viel- |378| leicht zu den auffallendſten meiner Schrift gehoͤren, ſo verdienenſie die unparteyiſchte Pruͤfung. Wenn ich uͤber die Art nachdenke, wie ich die PhaͤnomeneFig. 65. und 37. beobachtet, wenn ich erwaͤge, daß ich ſelbſt undmein Reiſegefaͤhrte, der die Glastafel zwiſchen dem Muskel undder Pincette hielt, doch wohl mit Sicherheit wahrnehmen konn-ten, ob irgend ein Theil beruͤhrt ward: ſo ſcheinen mir unterſo einfachen Bedingungen jene Thatſachen von jedem Verdacht derTaͤuſchung frey. Ich glaube alſo den Satz wiederhohlen zu koͤn-nen, den ich S. 86. aufſtellte, den Satz: daß die thieriſche Ma-terie ſich bisweilen in einem Zuſtand befindet, in dem ſie un-ſichtbar eine leitende Atmoſphaͤre um ſich verbreitet, welche inihrer Wirkung allmaͤhlig mit der Lebenskraft abnimmt. Ichglaube ſinnlich wahrgenommen zu haben, was Hr. Reil in ſei-ner claſſiſchen Schrift uͤber die Nerven von einem ſenſibelnWirkungskreiſe praͤdicirte. Die phyſiologiſchen Folgerungen,welche ich am Ende des ſiebenten Abſchnitts entwickelt, ſcheinenmir noch jetzt viel Wahrſcheinlichkeit fuͤr ſich zu haben. Wenn aber auch die Erſcheinungen Fig. 36. und Fig. 65.unerſchuͤtterlich feſt ſtehen, ſo iſt die dritte Beweisart, die vonFig. 26. hergenommen iſt (wie ich jetzt einſehe), bey weitemnicht eben ſo vor dem Verdacht der Selbſttaͤuſchung geſichert.Schon Hr. Michaelis, der in ſeinem Briefe an mich ( Gren’s neues Jour. der Phyſ. 4ten B. 1tes H. S. 9) meine Verſucheſo ſcharfſinnig erweitert, ja einige chemiſche ſogar mit Gluͤck aufdie praktiſche Heilkunde angewandt hat, ſchon Hr. Michaelis erinnerte mich, wie leicht man durch Lymphe, welche den Raumzwiſchen beyden Nervenenden ausfuͤllt, getaͤuſcht werden kann.Wenn Sie meine Verſuche S. 213 — 220 nachleſen, ſo wer-den Sie zwar ſehen, wie vorſichtig ich dieſem Irrthum zu ent-gehen ſuchte. Neuere Experimente, welche ich Stundenlangbloß in dieſer Hinſicht angeſtellt, haben mich indeſſen uͤberzeugt,daß ich mich in jenen 4 Blaͤttern viel zu allgemein ausgedruͤckt.Ich habe geirrt, wenn ich das Phaͤnomen als haͤufig eintretend |379| geſchildert. Ich glaube jetzt, daß ich in vielen Faͤllen, wo ichden Nerven durchſchnitt, die Enden entfernte, und keine Feuch-tigkeit dazwiſchen zu laſſen waͤhnte, mich ſelbſt und andere un-willkuͤrlich getaͤuſcht. Wie ſchwer iſt es, uͤber die Trockenheiteiner Glastafel zu entſcheiden, wenn ein Atom von Naͤſſe, derleiſeſte Hauch zur Ueberleitung hinlaͤnglich iſt? Ich fuͤhle dießſehr lebhaft bey einem ſehr feinen Elektrometer, deſſen ich michzur Unterſuchung der atmoſphaͤriſchen Elektricitaͤt auf hohen Ge-birgen bediene. Ich kann eine erwaͤrmte Glastafel leitend fuͤr E. machen, wenn ich ſie einige Secunden lang uͤber ein Stuͤckfriſches Muskelfleiſch, ſelbſt in 3 Linien Entfernung davon, halte.Nach dieſen Erfahrungen bediene ich mich jetzt entweder derMethode, welche Sie S. 218 angegeben finden, der Methode,die Nervenenden durch untergelegte Glasroͤhren frey durch dieLuft gehen zu laſſen, oder (was noch ſicherer, wenn gleich et-was muͤhſam iſt) die Nervenenden eben ſo frey in Haarſchlin-gen zu legen, welche, um eine Glasroͤhre gewunden, ſenkrechtherabhaͤngen. Daß dieſer Apparat tadelfreyer ausgeſonnen iſt,erkenne ich daraus, daß ich Nerven, welche in den Haarſchlin-gen ſchwebend gereitzt nicht aus der Ferne wirkten, auf Glas-platten liegend, Contractionen im Muskel erregen ſah. Dagegen habe ich aber auch in dieſem Jahre wieder zweyMahl die ſenſibeln Wirkungskreiſe bey Nerven beobachtet, wel-che auf die eben beſchriebene Art durch Haarſchlingen getragenwurden, und deren Enden durch eine Luftſchichte getrennt waren.Die Zuckungen dauerten 4 — 5 Minuten, und ich hatte Muße,alle Nebenumſtaͤnde ſo genau zu beobachten, daß mir in dieſenFaͤllen ſo wenig Zweifel als bey Fig. 37. und 65. uͤbrig blieben.Auch waren die Organe ſo reitzbar, daß noch nach 15 Minutender Verſuch mit bloß thieriſchen Theilen Fig. 3. gluͤckte. Ichkann dieſe Betrachtungen nicht verlaſſen, ohne Sie noch an eineBeobachtung zu erinnern, auf welche mich Hr. Ritter zu Jena geleitet hat, ein junger Mann, der mit den gruͤndlichen phyſika-liſchen und chemiſchen Kenntniſſen ein großes Talent zum Expe-rimentiren verbindet, und dem ich eine vortreffliche kritiſche Ab- |380| handlung uͤber den erſten Band meines Werkes verdanke. Hr. Ritter wirft die Frage auf: Ob bey den S. 82 und S. 233 vonmir erzaͤhlten Verſuchen nicht ein eigner Zuſtand der Atmoſphaͤremitwirkend ſeyn koͤnne, ob nicht bey ſehr exaltirter Incitabili-taͤt der Organe die Luftfeuchtigkeit das Medium iſt, mittelſtwelchem die Organe aus der Ferne wirken? Sie ſehen, meinTheurer, daß bey dieſer Vorſtellungsart ſchlechterdings nicht voneiner bloßen Zuleitung die Rede iſt (denn bey leitenden Kettenwirken 300 Fuß Laͤnge, wie die einer Linie; dieſelben Organe,welche nur in einer ſchmalen Waſſerſchichte empfindlich ſind, habeich durch fußlange, in dieſe Schichten gelegte Metallſtaͤbegereitzt!), ſondern daß der Fall Fig. 37. und 65., auf den derWirkungskreis unter Waſſer reducirt wird. Jene ſcharfſinnigeVermuthung des Hn. Ritter gewinnt dadurch an Wahrſcheinlich-keit, daß ich bey dem einen Experimente, bey welchem die Ner-venenden in Haarſchlingen lagen, die Contractionen lebhafterwerden ſah, als ich eine warme aber behauchte Glastafel 1 Linietief unter den Nerven hielt. Sollten hier nicht aufſteigende Daͤm-pfe das Medium geweſen ſeyn, durch welches die ſenſibeln Or-gane ihren Wirkungskreis verbreiteten? Als bloße Leiter duͤrfenaber jene Daͤmpfe nicht betrachtet werden, denn ſonſt muͤßte derReitz ſo lange wirkſam geblieben ſeyn, als die Glastafel neu be-haucht wurde, und mit hinſchwindender Lebenskraft waͤre dieAnnaͤherung der Nervenenden nicht erforderlich geweſen! Da ich faſt den ganzen Tag uͤber fortexperimentire, ſo binich auf einige neue Thatſachen geſtoſſen, die der zweyte Band mei-nes Werkes enthalten wird, von denen ich Ihnen aber eine, mirſehr auffallende vorlaͤufig anzeige. Sie bezieht ſich auf die Anwendungkuͤnſtlicher Elektricitaͤt, als Reitz der ſenſibeln Faſer. Wenn icheine Glasroͤhre, die auf einer Seite in Metall gefaßt iſt, durchReiben ſo ſchwach elektriſire, daß ein Bennetſches Electrometerkaum um ¼ Linie divergirt, ſo entſtehen lebhafte Muskelcon-tractionen, wenn das metallene Ende der ſchwach geladenenRoͤhre einen praͤparirten Cruralnerven beruͤhrt. Der Effect iſt |381| derſelbe, die Electricitaͤt mag unmittelbar, oder mittelſt einer me-tallenen Armatur eingeleitet werden. Das, werden ſie ſagen,iſt leicht vorherzuſagen. Aber — wenn ich dieſelbe oder eineandere Glasroͤhre (die aber nicht in Metall gefaßt iſt) ſo ſtarkdurch Reiben elektriſire, daß das Elektrometer um 4 Linien di-vergirt, ſo bleiben die Organe in Ruhe, wenn die bloße Glasroͤhreden Nerven beruͤhrt, ſey es unmittelbar, oder ſo, daß die Elektr.aus dem Glaſe durch die Zinkarmatur des Nerven ſtroͤmt. Was iſtnun der Grund dieſes wunderbaren Phaͤnomens? Die ſchwaͤchereElektr. wirkt reitzender, als die ſtaͤrkere, nicht wenn jene durchein Metall, das man an die ſchon geladene Roͤhre anlegt, durch-ſtroͤmt, ſondern wenn ſie aus einem Metalle kommt, welches mitder Glasroͤhre bereits verbunden war, als in dieſer die Elektr. erregtward. Bey + E. und — E. waren die Erſcheinungen dieſelben. Aus einer Recenſion in der Salzb. med. chir. Ztg. ſehe ich, daß das Journal der Erfindungen St. 17. Int. No. 13. mich be-ſchuldigt, ich hielte den Stickſtoff fuͤr die Urſache der Reitzbar-keit. In andern Schriften leſe ich, daß ich den Sauerſtoff fuͤrjene Urſache annehme. Da ich mich nie erinnere, weder die ei-ne noch die andere Behauptung ausgeſprochen zu haben, da ichan gar kein materielles Subſtrat (Principe) der Reitzbarkeitglaube, ſondern zu beweiſen ſtrebe, daß die vitalen Erſcheinun-gen, in ſo fern ſie in der Materie gegruͤndet ſind, von derMiſchung aller Elemente der Thier- und Pflanzenfaſer herruͤhren, ſobedarf es wohl keiner Rechtfertigung gegen ſolche Anklagen. In Italien hat Hr. Brera eine Abhandlung uͤber meine Verſuchedrucken laſſen. Bey den Ruͤckenwunden bemerkte er die von miraufgezeichneten Erſcheinungen. Nur die ſo auffallende Veraͤnde-rung der lymphatiſch-nervoſen Feuchtigkeit, welche ſich bey mirſelbſt zwey Mahl zeigte, erfolgte nicht. Dennoch beweiſen dieVerſuche des Hn. Aſh und Michaelis (letzterer trug eine ſchmerz-hafte Geſchwulſt davon), daß jene Veraͤnderung nicht auf einerIdioſynkraſie meiner Organe allein beruht. Es iſt gar ſchwerin der Experimental-Phyſiologie bey Wiederhohlung von Verſu- |382| chen dieſelben Reſultate zu erwarten. Wir experimentiren un-ter unbeſtimmten unbekannten Bedingungen! So wollten An-fangs einigen Gliedern des National-Inſtituts zu Paris meineVerſuche uͤber Stimmung der Erregbarkeit durch chemiſche Mit-tel nicht gluͤcken; dieſelben Verſuche, die ich vielen Perſonen,und zuletzt noch in ihrer ganzen Staͤrke unſerm vortrefflichenFreunde, Hn. Hufeland zu zeigen die Freude hatte. Oft miß-lingen Verſuche, bey welchen die Urſache des Mißlingens garnicht zu errathen iſt. So meldete man mir, daß meine in der Flora Fribergenſis beſchriebenen Verſuche uͤber das Keimender Saamen in oxygenirter Salzſaͤure nicht gluͤcklich zu wieder-hohlen waͤren — und einige Monathe nachher ſehe ich, daß manbey dem akademiſch-botaniſchen Garten in Wien dieſe kleine Ent-deckung ſeit Jahren praktiſch benutzt, daß man dort aus veralte-ten Saamen durch jene Saͤure Pflanzen erzeugt hat, welche nochnie zum Keimen zu bringen waren. — Meine Antwort auf Hn. Fourcroy’s Bemerkungen uͤber mein Mémoire ſur le Procèschymique de la vitalité werden Sie wahrſcheinlich bald in Gren’s neuem Journal der Phyſik leſen. Wenn es in eben demJournale (4ten B. 2. H.) heißt, der Galvaniſmus koͤnne nichtzum Maaße der Reitzempfaͤnglichkeit dienen, weil die Intenſi-taͤt des Reitzes durch Benetzung der Organe mit excitirendenStoffen modificirt werde, ſo widerſprechen dieſer Behauptungalle Erfahrungen. Ein mattes Organ zeigt fortwaͤhrend ſchwacheContractionen, das Galvaniſche Fluidum mag unmittelbar oderdurch Stoffe eingeleitet werden, die mit jenen Stoffen benetztſind. Wenn ein Reitz ein Mahl ſtaͤrker als das andere Mahlwirkt, ſo folgt wohl daraus, daß die Erregbarkeit ſich veraͤnderthabe. Auch lehren analoge Erfahrungen (das langſamere Pul-ſiren der Herzen in Stickgas, das Kneipen friſcher Nerven vorund nach der Benetzung mit excitirenden Stoffen) die Richtigkeitjenes Maaßes. Man muß mit dieſen Erſcheinungen ſehr vertrautſeyn, um raſch daruͤber aburtheilen zu wollen.