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Alexander von Humboldt: „Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1797-Lettre_de_M_Von-3> [abgerufen am 26.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1797-Lettre_de_M_Von-3
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Titel Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität
Jahr 1797
Ort Leipzig
Nachweis
in: Neues Journal der Physik 4:2 (1797), S. 171–179.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (mit rund-r, Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.53
Dateiname: 1797-Lettre_de_M_Von-3
Statistiken
Seitenanzahl: 9
Zeichenanzahl: 15630
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Lettre de M. Von Humboldt à M. Van-Mons, sur le procédé chimique de la vitalité / Addition à la Lettre précédente (Paris, 1797, Französisch)
A Letter from Mr. Von Humboldt to M. H. Van Mons on the Chemical Process of Vitality; together with the Extract of a Letter from Citizen Fourcroy to Citizen Van Mons on the same Subject (London, 1797, Englisch)
Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität (Leipzig, 1797, Deutsch)
|171|

SchreibendesHerrn Oberbergraths von HumboldtanHerrn van Mons in Bruͤſſel uͤber den chemiſchen Prozeß der Vitalitaͤt *).


Ich habe neuerlich verſchiedene Briefe an Herrn Do-lomieu und Fourcroy nach Paris abgehen laſſen;ich ſehe aber aus denen, welche mir der erſtere geſchrie-ben hat, daß ſie verlohren gegangen ſind. Erlauben Siedaher, daß ich mir die Freyheit nehme, mich an Sie zuwenden. Durch Ihre Vermittelung kann ich vielleichteinige naͤhere Erlaͤuterungen uͤber Thatſachen nach Paris gelangen laſſen, die, wie ich weiß, das Nationalinſti-tut beſchaͤftigen. Empfangen Sie zugleich die Verſiche-rungen meiner Hochſchaͤtzungen, die ich laͤngſt ſchon we-gen Ihres Eifers und Ihrer Entdeckungen in der Chemiefuͤr Sie hege. Die Naturforſcher Europens ſollten nurEine Familie ausmachen; man naͤhert ſich einander leicht,wenn man nur einerley Zweck hat.
*) Aus dem franzoͤſiſchen Manuſcript uͤberſetzt. G.
|172| Sie kennen vielleicht meine Verſuche uͤber die Pflanzenphyſiologie, wie meine Aphorismi exdoctrina phyſiologica chemica plantarum, die meiner Flo-ra ſubterranea fribergenſis angehaͤngt ſind, und verſchie-dene Abhandlungen, die ich dem Nationalinſtitut vorge-legt habe. Der Verſuch uͤber die Wuͤrkung der oxige-nirten Salzſaͤure auf die vegetabiliſche und thieriſche Fa-ſer, die in dem Magaſin encyclopedique de Millin, Noel et Warens abgedruckt iſt, ſcheint den mehreſtenErfolg gehabt zu haben. Ich freue mich, daß Vau-quelin und mein Freund Dolomieu meine Verſuchezu wiederholen angefangen haben. Da die beym Na-tionalinſtitute abgeleſene Abhandlung ſich hauptſaͤchlichnur auf das Keimen der Pflanzen beſchraͤnkte, ſo halteich es fuͤr noͤthig, Sie mit den noch auffallendern That-ſachen in Anſehung der thieriſchen Faſer bekannt zu ma-chen. Der ſtaͤrkſte Reitz der Nervenfiber iſt der von Al-kalien; und es ſcheint, daß das Azote dieſer Salze die-ſelben in dem irritabelen und ſenſibelen Syſteme die Rolleſpielen laͤßt. Man lege einen Froſchſchenkel in oxygenirteSalzſaͤure oder Salpeterſaͤure; er bleibt unbewegt. Manlege ihn in eine Aufloͤſung von Pottaſche oder Soda, undman nimmt ſogleich eben ſo ſtarke Zuſammenziehungenwahr, als ob er durch Metalle irritirt worden waͤre.Immer werden Sie die Bewegung von unten anfangenſehen. Erſt bewegen ſich die Fußzehen, hernach die Ga-ſtrocnem-Muskeln, dann der Schenkel. Wenn der Nerverecht empfindlich iſt (man braucht nur das Ende desCruralnerven in Oleum tartari per deliquium zu legen),ſo endigen ſich die Zuſammenziehungen mit einer Span-nung oder gaͤnzlichen Erſtarrung. Der Vorderfuß er-hebt ſich ſenkrecht; die Haut an den Fuͤßen wird ausge-ſpannt, und es koͤmmt Tetanus. In dieſer Lage nun ſcheint alle Reitzbarkeit der Faſer vernichtet zu ſeyn.Laſſe ich einen electriſchen Schlag auf die geſpannten Fuß- |173| zehen gehen, ſo wird dieſe Vernichtung reel. Es iſt einſchoͤnes Phaͤnomen in dieſem Augenblick den Tetanus bisauf den letzten Reſt verſchwinden zu ſehen. Es giebt aberein anderes Mittel, wodurch der Tetanus verſchwindet,und wodurch ich den Organen die Reitzbarkeit wieder ge-ben kann. Es ſcheint, daß die ſauerfaͤhigen Grundlagender Alcalien, (hauptſaͤchlich das Azote,) allen Sauer-ſtoff in der Faſer aufgezehrt haben; der chemiſche Prozeßder Vitalitaͤt hoͤrt auf. Laſſe ich aber Saͤuren z. B. Sal-peterſaͤure auf den Nerven laufen, ſo entſteht ein Auf-brauſen; ein Theil des Alcalis wird latent, und derReſt hat nun ein gehoͤriges Verhaͤltniß zum Sauerſtoffe.Von dieſem Augenblicke an erſcheinen die Zuſammenzie-hungen wieder beym Contact mit Zink und Silber.Vermehren Sie die Maſſe der Saͤure, und Sie ſchwaͤ-chen von neuem die Bewegungen. Waͤhrend ſo die thie-riſche Faſer zwiſchen dem Azote des Alcali und dem Sauer-ſtoff der Saͤuren ſchwankt, koͤnnen Sie den Organen dieReitzbarkeit drey- bis viermal nehmen und wieder geben.Sie ſehen leicht, daß dieſe Art von Verſuchen eine fort-daurende Aufmerkſamkeit erfordet. Bey ihrer Wiederho-lung kann der Grad der Empfindlichkeit, in welchen manden Nerven verſetzt, ſehr verſchieden getroffen werden.Man kann genau die Beſchaffenheit der chemiſchen Wir-kungsmittel, ihr Gewicht, ihre Temperatur beſtimmen, unddoch koͤnnen die Verſuche damit nicht gelingen. Warum?Weil es Bedingungen dabey giebt, die ſich auf die In-dividualitaͤt der Organe beziehen, und woruͤber wir nochunſere tiefe Unwiſſenheit geſtehen muͤſſen. Der Einfluß der oxygenirten Salzſaͤure auf diethieriſche Faſer iſt weniger auffallend, als der der Alca-lien; er bleibt aber dem ohngeachtet immer wichtig. Ichlegte die Hinterfuͤße eines Froſches (ich nenne dies Thiervorzugsweiſe, ob ich gleich die Verſuche auch mit an- |174| dern Arten von Thieren gemacht habe) in eine Aufloͤſungdes Opiums in Alcohol. Die Metalle oder der Galva-nismus erregten darin keine Bewegung weiter. Ichwarf nun den einen Fuß in reines Waſſer, den andernin oxygenirte Salzſaͤure. Der erſtere blieb unbeweglich;der zweyte hingegen gab wieder ſtarke Zuſammenziehun-gen, und zeigte, daß ſeine Reitzbarkeit wieder hergeſtelltwar. Die gemeinen Saͤuren unterdruͤcken die Reitzbar-keit der Nervenfiber. Ein durch gewoͤhnliche Salzſaͤureunempfindlich gemachter Cruralnerve bleibt unempfind-lich, wenn man ihn auch in die Aufloͤſung der Pottaſchelegt. Aber die Mineralſaͤuren erhoͤhen die Muskelkraͤfte,indem ſie die Elemente der Muskelfaſer verdichten. Esiſt mit Saͤuren, wie mit der Kaͤlte; dieſe unterdruͤckt dieNerven und verſtaͤrkt die Muskeln. Die Muskeln undNerven haben ſpezifiſche Reitze, der Verſchiedenheit ihrerElemente gemaͤß. Die fuͤrchterliche Action der Alkalienauf die Nerven ſcheint uns die Wirkung der Secretionder Saamenfluͤßigkeit im Blute zu erklaͤren. Eben diesin dem ganzen Syſteme verbreitete Alkali dient zumwohlthaͤtigen Stimulus fuͤr die thieriſche Faſer. Ausihm erklaͤre ich mir die Wildheit fiſcheſſender Voͤlker. —Mein aͤlterer Bruder, der in dem Studium der Anato-mie ſehr geuͤbt iſt, brachte Zink und Silber an das Maulund das Gehirn eines todten Fiſches; er gab keine Be-wegung von ſich. Ich goß oxygenirte Salzſaͤure auf dieNerven, und in eben dem Augenblicke wurden die Zuſam-menziehungen ſehr ſtark. Herr Herz und mehrere Ge-lehrte von Berlin waren bey dieſen und mehrern andernVerſuchen gegenwaͤrtig. Das Herz eben dieſes Fiſches,das durchaus zu ſchlagen aufgehoͤrt hatte, fieng die Be-wegung wieder regelmaͤßig an, als ich es in oxygenirteSalzſaͤure gelegte hatte. Eben dieſer Verſuch gelangmehrere male mit Froſchherzen. Ein in Pottaſchaufloͤ-ſung gelegtes Herz verlohr ſeine Reitzbarkeit auf immer; |175| auch iſt das Azote kein ſpezifiſcher Stimulus fuͤrs Herz.Ich erſuche Sie, die Aufmerkſamkeit des Herrn Vau-quelin auf die Action des Schwefelalkali auf die Ner-ven zu lenken. Ich wunderte mich uͤber alles das, wasich ſahe. Zwey ſehr reitzfaͤhige Froſchſchenkel wurden indie Aufloͤſung von Schwefelalkali gelegt. Ich verſuchtedaran nach 3 bis 4 Minuten den Metallreitz; die Con-tractionen waren ſehr verſtaͤrkt; ſie waren convulſiviſch.Es ſchien, daß die drey ſaͤurefaͤhigen Grundlagen in derAufloͤſung, Waſſerſtoff, Stickſtoff und Schwefel, ſtarkauf den Sauerſtoff des arterioͤſen Bluts wirkten. DieſeAction belebt den Prozeß der Vitalitaͤt. Nach 14 bis16 Minuten wurde der ganze Schenkel ſchwarzbraun.Aller Sauerſtoff des Bluts war davon eingeſogen, undder waſſerſtoffhaltige Kohlenſtoff (Carbure d’hydrogène)erſchien im freyen Zuſtande. Der Zink und das Silberwaren nicht im Stande, die mindeſte Bewegung zu er-regen. Man wuͤrde ſich indeſſen ſehr irren, wenn manglauben wollte, daß die ganze Reitzbarkeit vernichtet ſey.Ich ſahe die Contractionen mehrere male wieder zumVorſcheine kommen, da ich der Faſer durch Huͤlfe einerAufloͤſung von Arſenikkalk den Sauerſtoff wieder gab.Man erweckt die Flamme wieder, die ſchon zu verloͤſchenſcheint. Dieſer Arſenikkalk bewirkt einen Tetanus, einevollkommene Unempfindlichkeit, wenn ein Nerv langedarin eingeweicht liegt. Es ſcheint, daß der zu vieleSauerſtoff, ſo zu ſagen, die ſauerfaͤhigen Grundlagen,welche den chemiſchen Prozeß der Vitalitaͤt unterhalten,verſchlucke. Ich warf den ganzen Schenkel in eineAufloͤſung von Pottaſche, und beobachtete, daß jetzt der Galvanismus wiederum Bewegungen erregte. Sie ſe-hen alſo, mein Herr, welche unermeßliche Anzahl vonVerſuchen uͤber dieſe Gegenſtaͤnde der Lebenschemie zumachen ſind. Es iſt genug, die Methode, den Gradder Reitzbarkeit der organiſchen Theile vermittelſt des |176| Galvanismus zu meſſen, angezeigt zu haben. Ichwerde die Ehre haben, Ihnen mein Werk uͤber die Ner-ven- und Muskelfaſer und uͤber den chemiſchen Prozeßder Vitalitaͤt zu ſchicken. Ich ſammle Thatſachen, undbin gegen meine eigenen hypothetiſchen Ideen mißtrauiſch.Sie bemerken mit mir, wie ſehr man Unrecht hat, an-zunehmen, daß der Sauerſtoff die erſte Rolle in demProzeſſe der Vitalitaͤt ſpiele. Meine Verſuche beweiſen,daß die Reitzbarkeit oder der Ton der Faſer nur vondem reciproken Gleichgewichte zwiſchen al-len Elementen der Faſer, dem Stickſtoffe, demWaſſerſtoffe, u. ſ. w., abhaͤngt. Die chemiſchen Ver-bindungen des Phosphors und des Stickſtoffs z. B.,ſcheinen eben ſo wichtig zu ſeyn, als die des Sauerſtoffsmit den ſauerfaͤhigen Grundlagen. Welches Licht wer-den Sie, und die Fourcroy und die Vauquelin, uͤber dieſe Gegenſtaͤnde verbreiten!

Nachſchrift.

Ich hatte fuͤr dieſen Winter noch einige Froͤſche aufge-hoben, und habe eben dieſen Morgen einige Verſuchewiederhohlt, wovon ich Ihnen noch die naͤheren Umſtaͤndemelden will. Ich ſage in dem vorſtehenden Briefe, daß,weil wir die Principien der Lebenschemie nur oberflaͤchlichkennen, wir uns nicht wundern duͤrfen, wenn wir nichtimmer dieſelbigen Reſultate erhalten. Ein negativer Ver-ſuch beweiſt nichts gegen einen affirmativen. Ich bingewiß, daß man niemals ſehen wird, daß ein durch Al-cohol unempfindlich gemachter Nerve ſeine Reitzbarkeitdurch Schwefelalkali wieder erhalten wird. Hier einigeThatſachen, die ich ſo eben ſeit einer Viertelſtunde wahr-genommen habe. Ich nahm die vier Extremitaͤten einesſehr lebhaften Froſches. Der rechte Vorderfuß huͤpfteauf Zink und Silber. Ich legte ihn eine Minute |177| lang in Alcohol. Das Hydrogen wuͤrkte ſtark auf dieFaſer. Die Zaͤhen des Fußes zitterten in der erſten Mi-nute. Bald nachher kam eine totale Erſtarrung. DerMuskel wurde weiß, da das Blut wahrſcheinlich ſeinenSauerſtoff verlohren hatte. Ich brachte wieder Zink undSilber an. Nicht die mindeſte Zuſammen-ziehung! Ich eilte, ihn in oxygenirte Salzſaͤure zuwerfen, die ich vorher ſtark geſchuͤttelt hatte. Die Glied-maßen blieben drey Minuten lang darin. Ein ſchwachesErzittern der Muskeln zeigte in der Taſſe ſelbſt die Wie-derherſtellung der Lebenskraͤfte. Ich legte den Fuß nunwieder auf die Metalle. Die Contractionen kamen wie-der, und zwar nicht blos mit Zink und Silber, ſondernſogar mit Zink und Eiſen. Dies iſt, duͤnkt mich, eineeinfache und ſehr entſcheidende Erfahrung. Ich wechſeltenun mit der Methode ab, um den Effect davon zu ſehen.Ich nahm den linken Schenkel. Ich ließ ihn neun Mi-nuten in Alcohol. Er hatte alle Reitzbarkeit verlohren,und die oxygenirte Salzſaͤure war nicht im Stande, dieLebenskraͤfte wieder herzuſtellen. Der linke Vorderfußwar 15 bis 18 Minuten hindurch unberuͤhrt geblieben.Ich brachte an ſeinen Nerven Zink und Silber, aber erzeigte nur ſchwache und langſame Zuſammenziehungen.Ich warf ihn in Alcohol. Nach der erſten Minute hatteſeine Reitzbarkeit zugenommen. Der Galvanismus wuͤrk-te weit ſtaͤrker *). Aber nach drey Minuten war alleReitzbarkeit vernichtet, und ich verſuchte die oxygenirteSalzſaͤure vergeblich. Ich legte den Fuß in die Aufloͤ-
*) Sollte man denn aber aus der ſtaͤrkeren Wuͤrkung eines ſpaͤ-tern Reitzungsmittels immer nur auf Zunahme der Reitz-faͤhigkeit, und nicht vielmehr auf ſtaͤrkere Intenſitaͤt derWuͤrkung des neuen Reitzes, ſchließen duͤrfen, und umge-kehrt? Dieſer Geſichtspunkt iſt doch wahrlich nicht zu uͤber-ſehen. Anmerk. des Ueberſ.
|178| ſung von Arſenikkalk, und nun gab er Contractionen,aber ſehr ſchwache. Hier ſind vier Verſuche, von denenzwey gelangen, und zwey die Lebenskraͤfte nicht wiedererweckten. Ich glaube, daß man nach einer guten Lo-gik ſich doch an die affirmativen Verſuche halten muͤſſe.Unterſuchen Sie die Bedingungen, und Sie werden ſieſehr verſchieden wahrnehmen. Der linke Schenkel bliebſehr lange (9 Minuten lang) in Alcohol. Der rechteFuß war ſchon ſehr ſchwach als der Verſuch anfieng.Wer koͤnnte ſich ruͤhmen, von den Todten aufzuerwecken!Wenn von zwey Chemiſten der eine beym Erhitzen desrothen Queckſilberkalks Sauerſtoff erhielt, und der an-dere nichts, ſo wuͤrden wir doch immer glauben, daßder Apparat des letztern nicht luftdicht geweſen ſey. Ichſehe niemals bey einem, durch Alcohol unempfindlich ge-machten, Organe die Reitzbarkeit wiederkehren, wennes ſich ſelbſt uͤberlaſſen blieb. Alſo muß bey den Ihnengemeldeten Verſuchen, dergleichen mein Werk noch einegroße Anzahl enthaͤlt, der Sauerſtoff der oxygenirtenSalzſaͤure eine Rolle geſpielt haben *). — Die Medicin
*) Was berechtigt denn aber hier gleich zu dem Schluß, daßnur der Sauerſtoff die Rolle geſpielt haben muͤſſe? Gehtdenn in der Faſer dabey nichts weiter vor, als daß ſie mehrSauerſtoff empfaͤngt? Kann man behaupten, daß ihrkein Kohlenſtoff, kein Waſſerſtoff, kein Phosphor, durchden Sauerſtoff entzogen werde? Und darf man aus ſounvollkommenen Verſuchen gleich auf das, Wie, mit Be-ſtimmtheit ſchließen? Warum ſoll man ſich nicht vorerſt da-bey beruhigen, nur die Geſetze der Lebenskraft zu erforſchen,und alſo nur bey der Thatſache ſtehen bleiben, daß die oxy-genirte Salzſaͤure fuͤr die reitzbare Faſer noch ein Reitzungs-mittel ſey, wenn mehrere andere Subſtanzen es nicht mehrſind? — In Anſehung des angefuͤhrten Maaßes fuͤrdie Reitzfaͤhigkeit, (nemlich des Galvanismus,) iſt auchnoch zu erinnern, daß die heterogenen Metalle an die reitz-faͤhige Faſer fuͤr ſich angewandt ein anderes Reitzungsmittel
|179| wird unendlich gewinnen, wenn man ſich beſtrebt, diePhaͤnomene zu beobachten, welche die verſchiedenen Ele-mente in Beruͤhrung mit der reitzbaren Faſer hervorbrin-gen. Man muß von einfachen Verbindungen ausge-hen, und zu den zwiefachen, dreyfachen und vierfachenfortſchreiten.
Ich habe dem Nationalinſtitute eine Abhandlunguͤber die Natur des Lichtes und ſeine chemiſchen Verbin-dungen geſchickt. Wedgwood behauptet, daß diePhosphoreſcenz calcinirter Koͤrper im Waſſerſtoffgas undStickgas keine Aenderung erleide. Ich glaube, daß erdieſe Gasarten nicht ſo gereinigt angewendet hat, als iches vermittelſt des Phosphors gethan habe. Ich ſahe dasleuchtende faule Holz in Stickgas und Waſſerſtoffgas nichtweiter leuchtend. Etwas Sauerſtoff aber in die Glockegebracht, erweckte das ganze Leuchten wieder *). — Auchhabe ich die Morcheln (Phallus eſculentus) in eine talg-aͤhnliche Subſtanz durch Huͤlfe der ſchwefelichten Saͤureverwandelt, und daraus auch Seife gemacht.

von Humboldt.


dem Grade nach ſind, als wenn ſie an die von oxygenirterSalzſaͤure noch feuchte Faſer applicirt werden. Anmerk. des Ueberſ. *) Spalanzani hat eben dieſe Phaͤnomene beobachtet, undwas noch wichtiger iſt, er ſahe, daß die phosphoriſchen oderleuchtenden Thiere in Stickgas, Waſſerſtoffgas und kohlen-ſaurem Gas zu leuchten aufhoͤrten, und daß ſie ein viel leb-hafteres Licht im Sauerſtoffgas, als in atmoſphaͤriſcher Luftverbreiteten. (Eſame chimico degli eſperimenti del Prof. Goettling. Modena 1796.) Amerk. von van Mons.