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Alexander von Humboldt: „Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsflasche und eines Lichterhalters“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1796-Ueber_die_einfache-1> [abgerufen am 19.03.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1796-Ueber_die_einfache-1
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Titel Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsflasche und eines Lichterhalters
Jahr 1796
Ort Helmstedt
Nachweis
in: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst und Manufakturen 13:2:8 (1796), S. 99–110; 13:2:9 (1796), S. 195–210.
Postumer Nachdruck
Alexander von Humboldt, Kosmische Naturbetrachtung, herausgegeben von Rudolph Zaunick, Stuttgart 1958.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Tabellensatz; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.49
Dateiname: 1796-Ueber_die_einfache-1
Statistiken
Seitenanzahl: 28
Zeichenanzahl: 40551
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Ueber die einfache Vorrichtung, durch welche sich Menschen stundenlang in irrespirablen Gasarten, ohne Nachtheil der Gesundheit, und mit brennenden Lichtern aufhalten können; oder vorläufige Anzeige einer Rettungsflasche und eines Lichterhalters (Helmstedt, 1796, Deutsch)
Nachricht von des Hrn. Oberbergraths von Humboldt, Rettungsapparat, in den Gruben und Minengängen, bey bösen Wettern und Pulverdampf. Aus einer ausführlichen Handschrift des Hrn. Erfinders gezogen (Jena, 1797, Deutsch)
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Ueber die einfache Vorrichtung, durch welcheſich Menſchen ſtundenlang in irreſpirablenGasarten, ohne Nachtheil der Geſund-heit, und mit brennenden Lichtern aufhal-ten koͤnnen; oder vorlaͤufige Anzei-ge einer Rettungsflaſche und einesLichterhalters.Aus einem Briefe des Hrn. Oberbergraths von Hum-boldt an den Herrn Berghauptmann von Trebra . *)


Vor kaum zwey Stunden bin ich ausgefahren, und ſoermattet ich mich auch von meinen diesmahligen Verſu-chen in der Grube fuͤhle, ſo kann ich mir doch nicht dieFreude verſagen, Ihnen ſogleich die froͤhlichen Empfin-dungen mitzutheilen, die ſich mir jetzt aufdraͤngen. VorIhnen, der ſie einen ſo warmen Sinn, eine ſo große
*) Vom Hrn. v. Humboldt gefaͤlligſt zur Einruͤckungin die Annalen mitgetheilt. C.
|100| Empfindlichkeit, fuͤr alles haben, was das Wohl einerarbeitſamen Menſchenklaſſe betrifft, vor Ihnen werdeich leicht Entſchuldigung fuͤr den lebhaften Ausdruckund die Verworrenheit dieſer Zeilen finden.
Sie wiſſen, daß ich mich ſeit mehreren Jahren mit Ver-ſuchen uͤber die Zerlegung der Grubenwetter, und uͤberdie wunderbaren Erſcheinungen der unterirdiſchen Me-teorologie beſchaͤftige. So intereſſant es mir an ſichſchien, die unterſten Schichten der Atmoſphaͤre, wo ſieſich tief in die Spalten der feſten Erdrinde einſenkt,mit der obern Wolkenregion zu vergleichen, und zuzeigen, wie es in beyden nebelt, blitzt und weht; ſokonnte ich mich doch nicht mit einer Unterſuchung be-gnuͤgen, welche zwar mehrere phyſikaliſche Kenntniſſeerweitert, aber nicht unmittelbar zum Nutzen des prakti-ſchen Bergbaues hinfuͤhrt. Mein eifrigſter Wunſchwar daher nicht, die Miſchung der matten oder boͤſenGrubenwetter zu kennen, ſondern Mittel zu erfinden,durch welche der Nachtheil fuͤr das Leben der Menſchen,und den Betrieb der Gruben gemindert wuͤrde; eskraͤnkte mich oft, wenn ich bedachte, wie rieſenmaͤßigdie Fortſchritte ſind, welche Phyſik und Chemie inneuern Zeiten gemacht, und wie gering der Einflußdieſer Fortſchritte auf die buͤrgerlichen Gewerbe gewe-ſen ſind. Der hell-polirte Bergbauſpiegel des trefflichen Balthaſar Roͤßler iſt in der Mitte des vorigen Jahr-hunderts geſchrieben, und enthaͤlt das 25ſte Kapitel des2ten Buches nicht faſt alles, was wir bis jetzt von den |101| Wettern, und den Verwahrungsmitteln dagegen wiſ-ſen? Bey meinem einſamen Gebirgsaufenthalte zu Steben war dieſer Bergbauſpiegel meine gewoͤhnlicheAbendlektuͤre, und ich geſtehe Ihnen gern, daß dieſeoder vielmehr der Gedanke an unſere geringen Fort-ſchritte mit jener Epoche mich hauptſaͤchlich zu den fol-genden Arbeiten veranlaßte. Sie waren, wie ich, und bey meiner jugendlichenErfahrung gewiß unendlich oͤfter als ich, ſelbſt Zeuge, daßein ungluͤcklicher Bergmann in boͤſen Wettern erſtickt.Sie erinnern ſich lebhaft der marternden Gefuͤhle, mitdenen man an dem Schachte, oder vor der Strecke ſteht,in der der Erſtickte liegt, und in welche man ſich ver-gebens hinein zu wagen ſucht. Indem man zu Vor-kehrungen ſchreitet und will, treten oft die Wetterweiter vor, zwingen die Rathſchlagenden, von demSchachte eiligſt auszufahren, ja in manchen Faͤllen,die ich ſelbſt geſehen, lagert ſich der Schwade wie einGewoͤlk um das Haſpelgeviere; ſo daß man ſich auf4 Fuß weit der Haͤngebank nicht mit Geleuchte naͤhernkann. Nun faͤngt man an mit Tannenreiſern imSchachte zu buſchen, oder Waſſer hineinzugießen, umdie boͤſen Wetter zum Ausziehen zu noͤthigen. Unter-nimmt es ein beherzter Hauer mit einem Schnupftuchum die Naſe und den Mund, welcher in Waſſer oderHarn getraͤnkt iſt, einzufahren, um den Erſtickten zuholen, ſo kommt dieſer gewoͤhnlich nach wenigen Mi-nuten ſchon wieder unverrichteter Sache zuruͤck, weiler ſelbſt zu erſticken beſorgte, oder, (was vorzuͤglichbeym Einhaͤngen am Knebel geſchieht) er giebt das |102| Zeichen zum Ausfahren zu ſpaͤt, und wird ſelbſt einOpfer ſeiner Kuͤhnheit. Selbſt wenn die Wetter we-niger toͤdlich, nur ſo matt ſind, daß man 15-20 Mi-nuten lang darin ohne Ohmacht zu exiſtiren hoffenkann; ſo haͤlt doch die Unwahrſcheinlichkeit ohne Lichtbey dem Umhertappen im Finſtern, den Erſtickten zu fin-den, und die Furcht ſich ſelbſt zu verſpaͤten, diejenigenzuruͤck, welche mit einem nicht zu verloͤſchenden Ge-leuchte ſich gewiß zum Nachfahren entſchloͤſſen. Stattalſo, daß der Verungluͤckte, wenn man ihn in dererſten Viertel- oder halben Stunde herausziehen koͤnn-te wahrſcheinlich noch zum Leben zuruͤckgebracht werdenwuͤrde, muß man ihn, je nachdem die Wetter ſich fruͤheroder ſpaͤter verziehen, oft 2-3 Stunden liegen laſſen,ohne ſich ihm zu naͤhern. Der Zuſtand des Verun-gluͤckten iſt waͤhrend dieſer Zeit, bisweilen weit ſchreck-licher, als unſere Phantaſie denſelben ſchildert. Im Salzburgiſchen Alpengebirge wurde mir die Geſchichteeines Bergmanns erzaͤhlt, der eine halbe Stunde ohn-maͤchtig und roͤchelnd ausgeſtreckt lag, dann, als dieWetter ſich von ſelbſt etwas verzogen, erwachte, ſichein paar Lachter fortſchleppte, wieder ohne Beſinnungniederfiel, und nun erſt, nach einer vollen Stunde daer bald zu kriechen verſuchte, bald ohne Bewegung war,unter dem Schacht in friſchere Wetter gelangte. DerTod der Erſtickenden iſt alſo keineswegs immer ſo ploͤtz-lich und ſanft, als man uns zu uͤberreden ſucht. Je tiefer wir von dem Schmerz durchdrungen ſind,einen arbeitſamen Menſchen auf dieſe Weiſe hingeopfert,einer oft kinderreichen Familie ihren Ernaͤhrer geraubt |103| zu wiſſen, deſto unangenehmer muß uns das Gefuͤhlſeyn, ſo kleine elende Mittel gegen ein ſo großes Uebelangewandt zu ſehen. Hundert Phyſiker haben ſich da-mit beſchaͤftigt, das Inſtrument zu vervollkommnen, wo-mit man die Atmoſphaͤre wiegt, hundert Bergleutehaben Haute, Tonnen, und Goͤpelkoͤrbe bis zur Spie-lerey veraͤndert: und uͤber die Rettung verungluͤckterBergleute bietet die Geſchichte der Erfindungen kaumzwey duͤrftige Ideen dar. Nach den Rechnungen zu urtheilen, die ich anOrten, wo ſtarker Steinkohlen-Bergbau, wie in Eng-land und den Niederlanden getrieben wird, hoͤrte, kanndie Zahl der Bergleute, welche jaͤhrlich in Europa vonboͤſen Wetern ſterben, nicht gering ſeyn. Auch ſinddieſen noch die Verungluͤckten beym Brunnengraben,Kellerſprengen, und beym Mineurweſen und Veſtungs-bau beyzuzaͤhlen. Aber ſelbſt ohne dieſe Betrachtung,wie viele Gruben ſind nicht, beſonders ehemals beydem kruͤppelichten Bau der Alten, aus Wettermangelauflaͤſſig geworden. Wie viele ſind mir bekannt, wel-che in den 2 heißen Sommermonaten unbelegt blieben.Wie koſtſpielig ſind nicht beſonders bey einem kleinenaͤrmlichen Bergbau die Anſtalten, durch welche friſcheWetter herbeygefuͤhrt werden, das Tragwerk und deſ-ſen Verſpindung ſo aͤngſtlich zu ſehen iſt, und wel-ches den Stoͤllen oft eine uͤbermaͤßige Ortstoßhoͤhe zugeben noͤthigt, die Wetterlotten, Waſſertrommeln,Blaſebaͤlge, (in theurem Schichtlohn bewegt) Wind-oͤfen und was wichtiger denn alles iſt, die Lichtloͤcher,welche oft mit Pumpen oder Maſchinen niedergebracht |104| werden muͤſſen, die Querſchlaͤge und Richtung desganzen Grubenbaues, welche blos der Wetterwechſelveranlaßt! Ein großer Theil dieſer Anſtalten wird nichtſo wohl durch den Umſtand nothwendig, daß Wetterfuͤr das Athmen der Menſchen mangeln, ſonderndadurch, daß die an Sauerſtoff armen Gasarten das Geleuchte verloͤſchen. Freylich werden auch Schich-ten genug im Finſtern verfahren, aber welcher Berg-mann weiß nicht, wie langſam und gezaͤhverderbenddieſe Arbeit, oder der Betrieb eines Orts iſt, vor demder Haͤuer alle zehn Minuten das verloſchene Geleuch-te wieder anzuͤnden muß. Wie viel Pulver wird ver-ſchwendet, wenn die Bohrloͤcher uͤbereilt angeſetzt ſind,oder wie elend geht gar die Schlaͤgel- oder Eiſenarbeitim Finſtern von ſtatten? Eine nicht verloͤſchende, injeder Gasart fortbrennende Lampe, ſcheint daher ſchonein großer Gewinn fuͤr den Bergbau zu ſeyn. Eineſolche Lampe muß unmittelbar ſelbſt der Geſundheitdes Bergvolks wichtig ſeyn. Denn je langſamer beymDurchfluͤgen in den alten Mann, oder mit vorgeſchla-genen Lichtloͤchern das Ort im Finſtern oder unter be-ſtaͤndigem Kampf mit dem Geleuchte fortruͤckt, deſtolaͤnger iſt der Haͤuer dem Nachtheil der matten Wet-ter ausgeſetzt. Noch ſind andre Faͤlle uͤbergangen,wo das Nichtbrennen der Grubenlichter von eben ſogroßem Nachtheil fuͤr die praktiſchen Vorrichtungen iſt.Der Marktſcheider ſoll von Ort, um eine Oertung anden Tag zu bringen, oder um zu entſcheiden, ob ſtrei-tige Gewerkſchaften auf einen oder zwey Gaͤngen lie-gen, aber der Zug kann nicht geſchehen, weil die Kunſt,im Finſtern zu markſcheiden, noch nicht erfunden iſt. |105| Die richtige Vorrichtung des Grubenbaues wirddurch ein ſolches Uebel oft Monate lang verzoͤgert,Berggerichte werden dadurch zum Nachtheil des Berg-volks und der Gewerken an der Entſcheidung eines Pro-zeſſes gehindert. Kolben muͤſſen geliedert werden, abermatte Wetter haben ſich in dem Kunſtſchachte gelagert,und der Kunſtknecht kann das brennende Geleuchte nichtbis an die Saͤtze heranbringen. Eine Strecke, einStollfluͤgel ſoll fahrbar gehalten werden, der Zimmer-ſteiger kann aus Wettermangel Thuͤrſtoͤcke, Kappenund Tragewerk aber nicht auswechſeln, ja nicht einmahldarnach ſehen. Obere Bergofficianten kommen jaͤhr-lich vielleicht ein- oder zweymahl in ein entlegenes Berg-refier. Ganze Gruben oder wichtige Theile derſelbenſind nur ohne Geleuchte befahrbar. Wie theuer wuͤr-de man dann nicht eine nie verloͤſchende Lampe bezah-len, um ſich von der Natur der Anbruͤche, dem Ver-halten des Ganges und Quergeſteins vor den verdun-genen Oertern, der Guͤte oder Schlechtigkeit der Zim-merung und Maͤurung ſelbſt durch den Augenſcheinzu uͤberzeugen. Ihnen, verehrungswerther Freund,haͤtte ich dieſe Faͤlle kaum ins Gedaͤchtniß zuſammen-zurufen gebraucht, da bey Ihrer langen, mit ſowohlthaͤtigem Erfolg gekroͤnten Erfahrung jeder derſel-ben gewiß hundertfach vorgekommen iſt. Je wichtiger es mir alſo fuͤr den Bergbau ſchien,ein Licht zu erfinden, welches in jeder Gasart brennt,beſto eifriger war ich ſelbſt darauf aus, eine ſolcheVorrichtung zu Stande zu bringen. Das Mittel da-zu iſt in der That ſehr einfach, und ich bin uͤberzeugt, |106| daß jeder nicht ganz ungebildete Menſch, welcher ernſt-haft uͤber Wettermangel nachdachte, auf ganz aͤhnlicheInſtrumente, wie mein Lichterhalter und meine Rettungsflaſche ſind, fallen mußte. Ich ha-be eine eben ſo geringe Meinung von dem Verdienſtemeiner Erfindung, als ich eine hohe von ihrem aus-gebreiteten Nutzen fuͤr das buͤrgerliche Leben hege. Sie erinnern ſich aus meiner Abhandlung uͤber dieGrubenwetter (Annal. B. 2. 1795. S. 99), daß ich be-reits ihrer erwaͤhnt habe. Ich wollte damahls nicht mehrverſprechen, als ich zu leiſten im Stande war. Ichglaubte ein volles Jahr warten zu muͤſſen, ehe ichnach vielfaͤltigen, oft gefahrvollen, koſtſpieligen Verſu-chen, meine Inſtrumente praktiſchen Bergleuten vorle-gen durfte. Wenn Lichter darum verloͤſchen, weil die Luft,welche ſie umgiebt, zu arm an Sauerſtoff iſt, ſo folgtdaraus von ſelbſt, daß das Mittel, das Brennen derLichter zu unterhalten, nur in der Erſetzung dieſes Man-gels an Sauerſtoff liegt. Wie kann aber dieſe kuͤnſt-liche Erſetzung auf die wohlfeilſte einfachſte Weiſe ge-ſchehen? Sie wiſſen aus meinem Briefe an Herrn Lampadius, daß ich mich ſonſt um Thermometer Be-obachtungen in irreſpirablen Gasarten zu machen, einesGefaͤßes mit Lebensluft bediente, unter welches einLicht gehalten wurde. Dieſe Einrichtung war ſehr gutfuͤr einen phyſikaliſchen Verſuch, nicht aber zur An-wendung fuͤr den Bergbau. Wie ſchnell entweichtnicht die Lebensluft, wie oft muß man von Gefaͤßen |107| wechſeln? Ich verfiel daher nach vielen vergeblichenVerſuchen auf folgende Vorrichtung. Meine neueLampe enthaͤlt, außer dem Brennmaterial, ſey es Oehl,Talg oder Wachs, auch noch das, was allen andernLampen fehlt, das Sauerſtoffgas, welches von demBrennmaterial zerſetzt wird. Sie iſt daher ganz un-abhaͤngig von der umgebenden Luftſchicht, in welche ſiegebracht wird, weil ſie ſich ſelbſt naͤhrt, blos durch ſichſelbſt den Lichtſtoff frey macht. Bey ihrer Verferti-gung waren drey Aufgaben zu loͤſen: erſtlich mußteſie, um ein geringeres Volumen einzunehmen, ſo wenigLuft, als moͤglich, konſummiren, zweytens mußte derZufluß der Luft gleichfoͤrmig und nach Willkuͤhr au-genblicklich zu verſtaͤrken ſeyn, und drittens, mußteder Luftvorrath mit der Lampe in ſolcher Verbindungſtehen, daß die um dieſe ſich bildende Kohlenſaͤureund inflammable Luft den Luftvorrath nicht verunrei-nigte. Ich glaube, daß mein Inſtrument, wie esjetzt ausſieht, dieſen Forderungen Genuͤge leiſtet. Esbeſteht aus einem cylindriſchen blechernen Gefaͤße, welchesohngefaͤhr in der Mitte in zwey Abtheilungen dergeſtaltgeſchieden iſt, daß die obere einen kleinern Durchmeſſer,als die untere hat. Beyde haͤngen durch eine Oeff-nung zuſammen, welche durch einen Hahn verſchloſſenoder mehr oder weniger geoͤffnet wird, je nachdem dieLampe mehr oder wenig Luftzufluß bedarf, je nachdemman ſich der Lebensluft oder atmoſphaͤriſcher Luft be-dient. Die obere Abtheilung wird nun mit Waſſer,die untere mit dem reinen Luftvorrath gefuͤllt. DieLeinwand, welche oben angebracht iſt, um das Waſſerzu reinigen, eine Nadel, mit der man die Communi- |108| kationsoͤffnung reinigen kann, die bequeme Vorrichtungzum Einfuͤllen der Luft, beſchreibe ich Ihnen nicht.Sie trauen mir von ſelbſt zu, daß ich an meinem In-ſtrumente, an dem ich ein Jahr lang abaͤndere, wel-ches dem gemeinen Bergmann in die Hand gegebenwerden ſoll, dafuͤr geſorgt habe. Auf der obernFlaͤche der untern Abtheilung, da wo dieſelbe vor derobern vorſteht, iſt die Lampe angebracht. Dieſe Lam-pe habe ich nach dem Argandſchen Princip eingerichtet.In ihrer Mitte erhebt ſich nemlich ein etwa zwey Li-nien dicker, hohler, meſſingener Cylinder, deſſen obereMuͤndung (denn auf dieſe kommt es ja allein an)kaum den achten Theil einer Linie im Durchmeſſer hat.Dieſer Cylinder, den ich das Luftrohr nenne, commu-nicirt unten mit dem Luftvorrathgefaͤße, von welchemer zur Reinigung an oder abgeſchroben werden kann.Auf das Luftrohr wird nun ein hohler geſtrickter Tochtgezogen, und um daſſelbe Oehl gegoſſen oder Talgeingeſchmolzen. Was erfolgt nun, wenn der Tochtangezuͤndet iſt, und man den Hahn oͤffnet, durch wel-chen beyde Abtheilungen in Verbindung ſtehen? Einduͤnner Waſſerſtrom laͤuft in das Luftgefaͤß. Diedadurch comprimirte Luft will entweichen, und findetkeinen andern Ausgang, als den durch das Luftrohr.Sie ſtroͤmt alſo mitten durch die Flamme durch, wel-che in dem Augenblick heller, laͤnger und pyramidalzugeſpitzt wird. Als ich dieſe Erfindung im Juniusdes vorigen Jahrs zuerſt beſchrieb, hatte ich die Idee,die Luft wie beym Luftrohr von der Seite in die Flam-me blaſen zu laſſen. Dieſe Einrichtung hat aber denFehler, daß die Flamme ſich nach der dem Luftſtrom |109| entgegengeſetzte Seite neigte und viel Luft unnuͤtz ver-blaſen ward, weil ſie nicht in die gehoͤrige Beruͤhrungmit dem brennenden Tochte kam, und daher nicht voll-kommen zerſetzt, ſondern groͤßtentheils unverſetzt wegge-blaſen ward. Weit lufterſparender iſt das ArgandſchePrincip, nach welchem die Luft in die moͤglichſte Be-ruͤhrung mit dem Brennmaterial tritt. Das Luftrohrkann ſich nicht verſtopfen, denn der Drang der Luft, wel-che durch den fortlaufenden Waſſerſtrom anſehnlich com-primirt wird, uͤberwindet jedes Hinderniß. Eben dieſerDrang iſt ſo gleichfoͤrmig, daß Sie Sich nichts gleichfoͤr-migeres als die Figur meiner Flamme, denken koͤnnen.Im matten Wetter will ich dazu die Minute vorherſa-gen, wann die Lampe verloͤſchen muß. Denn dasGanze bildet eine Waſſeruhr. In jeder Minute lau-fen in dem Inſtrumente, deſſen ich mich jetzt bediene,drey Kubikzoll Waſſer, alſo iſt die Zeit leicht zu be-rechnen, in welcher ein Luftgefaͤß von beſtimmtem Vo-lumen erſchoͤpft iſt. Fuͤrchten Sie nicht, daß in Faͤllen,wo man die Lampe mit Sauerſtoffgas, ſtatt mit reineratmoſphaͤriſcher Luft, fuͤllt, Entzuͤndung in der Knall-luft in der Grube zu fuͤrchten ſey. Ich habe dafuͤrdurch eine eigne Vorrichtung ebenfalls geſorgt. Auchiſt Ihnen als praktiſchem Bergmann bekannter alsmir, wie ſelten die ſchlagenden Wetter ſind, und wiedie inflammable Luft in der Grube faſt immer mitKohlenſaͤure und Stickluft, welche ihre Enzuͤndunghindern, gemengt iſt. Dazu iſt der Strom der Sauer-ſtoffluft, welche außer meinem Luftrohre in die Hoͤheſteigt, ſehr gering, und da wo er die aͤußern Wetterberuͤhrt, bereits durch Einwirkung des Tochtes und |110| Oehls ſehr verunreinigt. Wenn alles, was die Phy-ſiker von den unterirrdiſchen Wettern und ihrer Ana-logie mit den kuͤnſtlichen einfachen Gasarten behaupten,gegruͤndet waͤre, ſo muͤßte ich mit ganzen Flaſchenkoͤr-ben Lebensluft, in allerhand Arten von Wettern gear-beitet, laͤngſt wie in einer Blaſe mit Knallluft zerfetzt ſeyn! (Die Fortſetzung folgt.) |195|

Ueber die einfache Vorrichtung, durch welcheſich Menſchen ſtundenlang in irreſpirablenGasarten, ohne Nachtheil der Geſund-heit, und mit brennenden Lichtern aufhal-ten koͤnnen; oder vorlaͤufige Anzei-ge einer Rettungsflaſche und einesLichterhalters.Aus einem Briefe des Hrn. Oberbergraths von Hum-boldt an den Herrn Berghauptmann von Trebra . *)


Die Staͤrke der Flamme, oder die Heftigkeit derſel-ben wird von dreyerley Umſtaͤnden modificirt, vonder Weite, zu der der Hahn geoͤffnet iſt, d. i. von derDicke des Waſſerſtrahls, von der Guͤte der Luft, undvon der Weite des Luftrohrs. Da ich jede Lampemit mehreren wechſelsweiſe aufzuſchraubenden Luftroͤh-
*) S. chem. Annal. J. 1796. B. 2. S. 99.
|196| ren von verſchiedner Weite, verſehe, ſo habe ich alle dreyBedingungen in meiner Gewalt. Wenn ich in der mattenGrube von Wettern in friſche fahre, ſo verſchließe ich,ſobald ich in die letztern komme, den Wetterhahn.Nun brennt die Lampe fuͤr ſich fort und keine Luftwird verſchwendet. Das Ganze iſt ſo wenig zerbrech-lich, daß es anſtoßen oder fallen kann, ohne ſeinen Effektzu verlieren. Denn ein Theil ſchuͤtzt den andern.In einer Beſchreibung ſieht jedes Inſtrument zuſam-mengeſetzter aus, als wenn man es in Wirklichkeitvor ſich ſieht. Auch laſſe ich diejenigen Lampen, wel-che dem Hauer vor Ort leuchten ſollen, ganz anders,als diejenigen, conſtruiren, welche zum Unterfahrenin der Grube, zum Markſcheiden, fuͤr Generalbe-fahrungen, um ſich Maſchinen zu naͤhern oder umErſtickte zu ſuchen, dienen ſollen. Jene koͤnnen ein-fahren, ohne alle Hahne und vom großen Volumſeyn, dieſe muͤſſen kleiner, und alſo mit Haͤhnen undSchrauben zur Erſparung des Luftvorraths verſehenſeyn. An dieſen habe ich daher auch eine Vorrichtungerſonnen, durch die das Waſſergefaͤß nur halb ſo großals das Luftgefaͤß zu ſeyn braucht, und mittelſt derman daſſelbe Waſſer mehrmahls durchlaufen laͤßt, eheder Luftvorrath erſchoͤpft iſt. Sie werden dieſe Vor-richtung ſo wie eine andre mit einer ſiebaͤhnlichen Luft-roͤhre zur mehrern Ausbreitung der Flamme bald ineiner Beſchreibung leſen, die ich mit Zeichnungen oͤffentlichbekannt zu machen gedenke. Es waͤre ſelbſt unmoraliſch,aus Dingen, welche die Erhaltung menſchlicher Ge-ſundheit und das Wohl des Bergbaus bezwecken, ein Ge-heimniß zu machen. Ich zoͤgere nur mit der Bekannt- |197| machung und Verſendung des Apparats, weil ich ihndurch taͤgliche Verſuche noch immer zu vervollkommnengedenke.
Ich habe eine Glocke mit reiner fixer Luft mehr-mahls uͤber meine Lebensluftlampe gehalten, und niewar ich im Stande ſie zum Verloͤſchen zu bringen.Als die Lampe ſchon herausgenommen war, verloͤſchtder Reſt der kohlenſauren Luft noch jede Wachskerze.Ich zweifle, daß es Grubenwetter giebt, welche bisauf dieſen Grad irreſpirabel ſind. Aber ich begnuͤgtemich damit nicht. Es kam darauf an, die Maſchinedurch einen noch entſcheidendern Verſuch zu pruͤfen.Unſer jetziger Oberbergmeiſter, Herr Killinger, der dietrefflichſten chemiſchen und bergmaͤnniſchen Kenntniſſemit einander verbindet, entſchloß ſich leicht den Ver-ſuch mit mir zu wagen. Wir waͤhlten daſſelbe alteOrt auf der Fuͤrſtenzeche zu Goldcronach, welches 3-4Lachter zuruͤck verblendet iſt, wo wir uns ein Jahrvorher ſo lange mit einigen Flaſchen Lebensluft denAthem gefriſtet hatten. Wir waren mit den mattenWettern, die wir heute fanden, unzufrieden, und war-fen einen großen Haufen brennender Holzſpaͤhne inden Verſchlag. Die Blende blieb auf, bis die Flam-me aufhoͤrte, und nun wurde ſie nicht allein verſchloſ-ſen, ſondern auch alle Fugen ließ ich mit Letten verſtrei-chen. Als wir glaubten, das Holz habe ausgeſchwehlt,und der Raum ſey ganz mit Kohlendampf erfuͤllt, be-ſchloſſen wir die Blende aufzureißen. Der Oberberg-meiſter Killinger, der Steiger Bauer und ich ſtanden,zwey mit Grubenlichtern und einer mit der Maſchine, |198| (welche mit einem Gemiſche von 2 Theilen Lebensluftund einem Theil atmoſphaͤriſcher Luft gefuͤllt war) be-reit. Der Augenblick des Aufmachens war, ich geſte-he es Ihnen, uͤber unſere Erwartung ſchrecklich. Ichwar mehrmahls dabey, als mir Retorten mit dephlo-giſtiſcher Salzſaͤure ſprangen, aber Herr Killinger kannIhnen wie ich verſichern, daß jene Saͤure ein beleben-der Hauch gegen das iſt, was wir hier einſchluckten.Denken Sie ſich eine kruͤppeliche Strecke, die kaum \( \frac{3}{4} \) Lachter hoch und \( \frac{1}{2} \) Lachter weit iſt; und eine Saͤu-le ſchwarzen Kohlendampfs, welche aus dem altenOrte uns entgegen fuhr, um nach dem weit ent-fernten Tannenſchachte zu ziehen. Alle Grubenlich-ter verloͤſchten, als waͤren ſie ausgeblaſen, aber meineLebensluftlampe loderte hoch auf. Ein unartiger Zu-ruf der freudigſten Verwunderung war alles, was wirvorbringen konnten. Der Schmerz im Halſe undin den Augen war unertraͤglich. Wir ließen dieMaſchine hinter der Blende ſtehen, und waren, einjeder auf unſere Flucht bedacht. Als ich mich bereitsin einer etwas ertraͤglichern Atmoſphaͤre befand, vermißteich Hrn. Killinger, der zunaͤchſt hinter mir gefahren war.Ich rief ihn zu, ſich ſchleunigſt aus dem Dampfe her-auszumachen. Auch war meine Beſorgniß fuͤr ihnſehr gegruͤndet, denn der Dampf hatte bey ge-hemmter Reſpiration ihn dergeſtalt betaͤubt, daß er ei-nige Secunden lang unbeweglich da ſtand. Endlichneigte er ſich mit dem Munde gegen die Waſſerſeigeweil er dort Linderung hoffte, und raffte ſeine letztenKraͤfte zuſammen, um mir nachzufahren. |199| Wir waren nun zu den uͤbrigen Bergleuten ineinem Querſchlag verſammelt, wo der Kohlendampfſich in ein Ueberſichbrechen auf dem Rautenkraͤnzer-gange verlor. Wir kamen alle darin uͤberein, daß derSchmerz, den wir im Halſe, in den Augen und in derNaſe empfanden, nicht von den rauchenden Holzſpaͤhnenallein herruͤhren koͤnne, ſondern daß wahrſcheinlich waͤh-rend des Brennens eine Zerſetzung der aufgeloͤſten Ar-ſenik- und Schwefelkieſe, mit denen die Sole des altenOrts bedeckt war, vorgegangen ſey. Auch ſchien derGeruch eine verfluͤchtigte Saͤure anzudeuten. Wirwaren indeß innigſt erfreut, daß uns ein ſo entſchei-dender Verſuch gegluͤckt ſey, und fuhren nun wechſels-weiſe, indem wir feuchte Schnupftuͤcher vor den Mundhielten, vor das alte Ort, um die Lebensluftlampe zubeobachten. Die Grubenlichter verloſchen immer ſchon,ehe wir uns der Maſchine naheten, und wir konntenſie nur an dieſer wieder anzuͤnden. Wir wagten nunden letzten entſcheidenden Verſuche. Steiger Bauermußte die Lebensluftlampe in den Verſchlag ſelbſt ſetzen,wo der Kohlendampf ſich am meiſten angehaͤuft hatte.Die Blende wurde verſchloſſen, und jede Fuge feſt ver-klebt. Nach 8-10 Minuten riſſen wir die Blendeweg, eine neue Dampfwolke walzte ſich uns entgegen,unſer Geleuchte war wie ausgeblaſen, aber die Flam-me meiner neuen Lampe war nicht blos nicht verloͤſcht,ſondern wurde von der aufſtroͤhmenden Luft eben ſolang gezogen, als wenn ſie im weiteſten Zimmerbrennte. |200| Sie ſehen aus der einfachen Erzaͤhlung des heu-tigen Vorfalls, daß ich keine Bemuͤhung geſcheut habe,um mich von der Guͤte meiner Erfindung zu uͤberzeu-gen. Auch kann ich in dieſe Unverdroſſenheit meineinziges Verdienſt ſetzen. Ich hoͤre Sie als Praktikerfragen, ob die Menge der Luft, welche die Flammeerfordert, durch Verſuche beſtimmt iſt, ob ſie nicht dieLampe zu einer unbequemen Groͤße anwachſen laͤßt?Nach meinen jetzigen Erfahrungen kann eine Lampe,welche 7 Zoll weit und 10 Zoll hoch iſt, zwey Stun-den brennen. Ich bedarf dazu 120 Cubikzoll Waſſer.Lampen, welche vor Ort 8 Stunden hinter einanderbrennen, ſind ebenfalls leicht einzurichten. Ich erinnerte vorhin, daß die Helligkeit und Staͤr-ke der Flamme von drey Stuͤcken, von der Dicke deseinfallenden Waſſerſtrahls, der Weite des Luftrohrsund von der Guͤte der ausgetriebenen Luft abhaͤngt.Hieraus folgt a priori, 1) daß, wenn die Groͤße desApparats durch ſeinen Gebrauch (ſeine Tragbarkeit)nicht beſchraͤnkt waͤre, es moͤglich ſeyn muͤßte, mittelſteiner Luft, die ein Miuimum von Sauerſtoff enthielte,bey Erweiterung des Waſſer- und Luftrohrs die Flam-me anzublaſen, 2) daß, je reiner die Luft im Luftbe-haͤlter iſt, deſto enger das Waſſereinfallsrohr, unddeſto kleiner die ganze Maſchine ſeyn kann, und 3)daß, je matter die Wetter ſind deſto reiner der Luftvor-rath oder deſto groͤßer die einfließende Waſſermengeſeyn muß. Dieſe drey Saͤtze ſtimmen mit meinenbisherigen Erfahrungen uͤberein, und ſind von unend-licher Wichtigkeit fuͤr die Praxis. Es waͤre ein großer |201| Fehler meiner neuen Vorrichtung, wenn es unbedingtnothwendig waͤre, den Lichterhalter mit Sauerſtoffgaszu fuͤllen. Bey einem wichtigen Bergbau, wo eswichtig iſt, daß der Markſcheider vor Ort ſoll, wo aufRevierſtoͤllen Durchſchlaͤge gemacht, Lichtloͤcher erſpartwerden ſollen, iſt es allerdings eine Kleinigkeit, dephlo-giſtiſirte Luft in Menge bereiten zu laſſen. Es kannin jeder Probierſtube oder Apotheke geſchehen, und ichhalte das Seifenkochen fuͤr eine weit ſchwierigere Ope-ration, als das Gluͤhen von Salpeter oder Braunſtein.Dazu laͤßt ſich die Luft, wie ich aus eigner Erfahrungweiß, in großen hoͤlzernen oder blechernen Gefaͤßenſehr bequem Monate lang aufbewahren und meilen-weit verſenden. Die Koſten ſind bey den vorge-dachten wichtigen Unternehmungen ebenfalls gering,denn der Kubikfuß Sauerſtoffgas, hier, wo einPfund Braunſtein 10 Xr. 1 Unze Salpeter 8 Xr.gild, aus erſterm 15 Xr. aus letzterm 37 Xr. koſtet.Bedarf nun 1 Lampe zu einer Stunde nur 180 Ku-bikzoll Lebensluft, ſo ſteigt eine 8 ſtuͤndige Schicht erſtauf 12 Xr. Bey einem unwichtigern Bergbau waͤreder Verbrauch von dephlogiſtiſirter Luft, und waͤre ſieauch wie Ruͤboͤhl und Talglicht kaufbar, doch vielenHinderniſſen ausgeſetzt. Gluͤcklicherweiſe ſcheint esaber nur wenige Faͤlle zu geben, in denen die Wetterſo matt ſind, daß mein Lichterhalter, mit gemeiner ath-moſphaͤriſcher Luft gefuͤllt, nicht hell brennen ſollte.Was iſt denn einfacher, als wenn der erſte Luftvorrathverbrannt iſt, einen neuen Luftbehaͤlter unter demSchachte, oder wo ſonſt friſche Wetter ſtreichen, fuͤllenzu laſſen. |202| Wie, wenden ſie vielleicht ein, wenn die Grubenwet-ter ſo boͤsartig ſind, daß, trotz ihrer reinſten Lebensluft,die Flamme doch nur dunkel brennt, der Mark-ſcheider aber ſchlechterdings ſicher ziehen, der Geſchwornedas Abſchneiden des Ganges durch eine Kluft oder dasAbſetzen eines Trumms genau beobachten will? Fuͤr die-ſen aͤußerſten Fall habe ich ebenfalls eine Vorrichtungerſonnen, mit der ich noch heute Verſuche gemacht habe.Das Dunkelbrennen der Lampe in ſolchen Wettern kannnur daher ruͤhren, daß das einfallende Waſſer demSauerſtoffgas nicht Stoß genug giebt, um raſch dieFlamme anzublaſen. Dieſen Stoß bringe ich leichtauf eine andre Weiſe hervor. Eine Blaſe mit Lebens-luft gefuͤllt und mit einem Hahn verſchloſſen, iſt anein ſenkrecht in eine Lampe ſteigendes Luftrohr ange-ſchroben. Die Muͤndung des Luftrohrs betraͤgt kaum \( \frac{3}{4} \) Linien im Durchmeſſer, und iſt nach ArgandſchemPrincip von der Flamme umgeben. Oeffnet ſie denHahn, ſo faͤhrt die Lebensluft aus der geſpannten Bla-ſe in die Flamme, und blaͤſt ſie an. Waͤre die durchdas Brennen des Tochtes erzeugte kohlenſaure Luftnicht ſchwer und mit Oehldampf gemengt, welcher dieMuͤndung des Luftrohrs umgiebt, ſo wuͤrde (auch wenndie Blaſe nicht mehr geſpannt iſt) die untere, kaͤltereLebensluft von der aͤußern Atmoſphaͤre gedraͤngt, dieStelle der durch die Flamme verduͤnnten obern Lufteinnehmen und aufwaͤrts ſteigen. So aber hindertder Oehldampf dieſes Aufwaͤrtsſteigen, und man mußdurch einen Druck mit der Hand das Aufſtroͤhmen derLuft befoͤrdern. Auf dieſe Art erhaͤlt man (wenn manwill) eine 3 Zoll lang Flamme, deren prachtvollen |203| Glanz das Auge nicht ertragen kann. Eine kleineBlaſe zu 120 Kubikzoll bedarf eine kleine Viertel-ſtunde, um ſie auszuleeren, und ich habe ſchon Blaſenvon 450 Kubikzoll gehabt! Hier, verehrungswerther Freund, habe ich Ihnendas Weſentliche einer Erfindung beſchrieben, von wel-cher ich mir nicht blos Vortheile fuͤr den Bergbau,ſondern (da man nun ſchneller in boͤſen Wettern auf-fahren, Verungluͤckte ſchneller finden, ihnen nachzufah-ren ſich leichter entſchließen kann,) auch weſentlicheVortheile fuͤr die Erhaltung des Lebens unſers Berg-volks zu verſprechen. Daß eine Klaſſe von Men-ſchen, welche alles neue oder alles, was ſie auf denerſten Augenblick nicht einſehen, fuͤr kuͤnſtliche undunausfuͤhrbare theoretiſche Hirngeſpinnſte verſchreyen,auch dieſe meine Bemuͤhungen verſpottet wird, davonſind Sie mit mir uͤberzeugt. Indeß gehen wir ruhigunſern Weg fort, ziehen den Nutzen jedem auch nochſo bittern Tadel vor, und erinnern die Veraͤchter che-miſcher Kenntniſſe daran, daß das Sprengpulver auchin einem chemiſchen Laboratorium entdeckt ward. Wenn aber auch der Fall, wo die Wetter fuͤr dasGrubenlicht, nicht aber fuͤr die Reſpiration, verdor-ben ſind, der gewoͤhnlichere, und ein Mittel dagegendas allgemein willkommnere iſt, ſo verdient die er-ſtickende Eigenſchaft gewiſſer Gemenge von unter-ſchiednen Gasarten gewiß eine noch ernſthaftere Be-trachtung. Der Schwaden ſteht auf der Strecke, derVerungluͤckte athmet, iſt vielleicht noch zu retten, |204| wenn er ſchnell herausgezogen wird. Der Contre-fourneau iſt zerſprengt, die Gallerie iſt mit ſchwarzemPulverdampf gefuͤllt, der Mineur ſoll durchfahren,um zu recognoſciren, was fuͤr Schaden der Feind an-gerichtet. Bey einer Feuersbrunſt ſind alle Zimmerſchon voll von erſtickendem Kohlendampf. Ein Kind,das zuruͤck geblieben, ſoll gerettet, wichtige Papiereſollen herbeygeſchafft werden. Wie es wagen, umdurch die Dampfſaͤule durchzugehen? Fuͤr alle dieſe Faͤlle habe ich eine einfache Vorrich-tung erſonnen. Die einzelnen Theile derſelben ſindan den bekannteſten phyſikaliſchen Inſtrumenten ange-bracht. Es kam nur auf eine phyſikaliſche Verbin-dung derſelben an. Die große Menge Luft aber,welche in einer Stunde durch unſere Lunge geht, dieAbſonderung der eingeathmeten Luft von der einzuath-menden, der Umſtand, daß die Luftverduͤnnung, welchedas Inſpiriren hervorbringt, eine ſehr geringe Kraft zurOeffnung von Ventilen darbietet, und die Verferti-gung luftdichter Saͤcke ſetzen der Ausfuͤhrung meinerIdeen die geduldpruͤfendſten Hinderniſſe in den Weg.Ich ermuͤde Sie nicht mit der Erzaͤhlung meiner ver-geblichen Verſuche, ſondern beſchreibe Ihnen blos dieEinrichtung meiner jetzigen Rettungsflaſche. Das Mittel, wodurch Menſchen ſich ihren Aufent-halt in irreſpirablen Gasarten ſichern koͤnnen, beſtehtdarin, daß ihre Reſpirationsorgane von dem Contraktmit jenen Gasarten ausgeſchloſſen werden, und daßman ihnen dagegen einen Vorrath athembarer Luft |205| mitgiebt. Zur Errichtung dieſes Zwecks beſteht mei-ne Rettungsflaſche aus vier Stuͤcken: aus einem Luft-ſack, einem Schlauch, einer Reſpirationsroͤhre und ei-ner Binde oder Maske. In Faͤllen nemlich, wo we-gen Pulver, Holzkohlen oder Schwefel-Dampf auch dieAugen geſchuͤtzt werden ſollen, verdecke ich das ganze Ge-ſicht mit einer Maske von Eiſenblech, die weit vomGeſicht abſteht, und wo ſie am Kopfe anliegt, um al-len Zutritt der aͤußern Luft zu hemmen, mit Leinwandund Baumwolle gefuͤttert iſt. Sie beſteht aus einemkonvexen Blech, welches blos ſtatt der Augen mit zweyrunden Glasſcheiben verſehen iſt. Die abendtheuerli-che Geſtalt, welche eine ſolche Armatur giebt, wirdbey ernſthaften Menſchen wohl keine Einwendung ge-gen ihren Nutzen ſeyn. Vor dem Munde tritt ruͤſſel-foͤrmig das Reſpirationsrohr hervor. Es bildet ſichim Innern der Maske eine trichterfoͤrmige Muͤndung,gegen welche die Lippen ſich von ſelbſt anlegen. Umdie inſpirirte und exſpirirte Luft von einander abzuſon-dern, iſt es mit zwey Ventilen verſehen, von denendas eine ſich nach innen, das andre nach außen oͤffnet.Es gleicht ganz dem Mundſtuͤcke einer Reſpirationsma-ſchine, deren Erfindung man jetzt ziemlich ungelehrtdem Dr. Beddoes zuſchreibt, deren Einrichtung ichaber ſchon bey Hales, ja um noch weiter zuruͤck zugehen, ſeit Cteſibius Zeiten in allen hydrauliſchenSchriften beſchrieben finde. So einfach aber der Ge-danke iſt, das Ausſtoßen und Einſaugen der Luft durchzwey Ventile zu verrichten, ſo ſchwierig iſt die be-quemſte Lage, Schwere und Weite duͤnner Ventile. |206| Sie ſehen, daß man eine ziemliche Laſt mit einer ſehrgeringen Kraft zu uͤberwinden hat. Das Reſpirationsrohr wird mit dem untern Ende,wo das Einathmungsventil ſich nach innen oͤffnet, inden Schlauch geſteckt, welcher die Luft aus dem Luft-ſacke zum Munde fuͤhrt. Seine Laͤnge iſt willkuͤhrlich,da ſie ſich nach dem Umſtand richtet, ob die Perſon,welche zur Rettung eilt, den Luftſack auf den Ruͤckentraͤgt, oder bey engern Raͤumen an einer Schnur hin-ter ſich her ſchleppt. Dagegen iſt ſein nothwendigſtesErforderniß, daß er leicht und biegſam iſt. Ich laſſeihn eben ſo vorrichten, wie die Schlaͤuche, deren ich michbediene, um kuͤnſtliche Luftarten von einer Glocke zurandern zu leiten. Er beſteht inwendig aus ſpiralfoͤr-mig gedrehetem Drathe, der mit Leder luftdicht uͤber-zogen iſt. Ich bin aber mit Verſuchen beſchaͤftigt,ihn eine ganz andre Zuſammenſetzung zu geben. Da wo der Schlauch durch einen meſſingenen Anſatzin den Luftſack eingemuͤndet iſt, kann das Ausſtroͤh-men der Luft durch einen Hahn willkuͤhrlich gehemmt,vermehrt oder vermindert werden. Dieſe Vorrichtungdient, wie bey dem Lichterhalter, dazu, daß derLuftvorrath nicht unnuͤtz conſumirt werde, wenn diezum Retten beſtimmte Perſon von matten Wettern infriſche faͤhrt. Ueber das beſte Material des Luftſackesbin ich noch ſelbſt zweifelhaft. Wachstaffent, Lederund Blaſe, (mit Streifen Wachstaffent oder aufge-loͤſtem Caouchoak geflickt) geben luftdichte Behaͤlter.Doch ziehe ich bis jetzt den Wachstaffent allen andern |207| vor, da es wenig Naͤthe erfordert und die Luft ziemlichrein erhaͤlt. Dieſelben Gruͤnde, welche mich bewegen, beydem Lichterhalter der atmoſphaͤriſchen Luft den Vorzugvor der Lebensluft zu geben, beſtimmen mich auch hierden Luftſack mit erſterer zu fuͤllen. Wie traurig, wenndie Rettung eines Menſchen von dem Umſtande ab-haͤngen ſollte, ob Lebensluft, und zwar mehrere Kubik-fuß derſelben (1 Kubikfuß iſt = 43 Bouteillen) vor-handen waͤre? Und wie konnte dieſer Vorrath aufjeder armſeligen Kohlen- oder Eiſenſtein-Grube gehal-ten werden? Eine gemeinnuͤtzige Erfindung muß aufeinfachern oder ſichern Vorausſetzungen beruhen. Woll-te man, wie Cavallo darauf rechnen, den Apparat da-durch zu verkleinern, daß das Reſpirationsrohr ohneVentil ſey, und die ausgeathmete Luft wieder in denLuftſack zuruͤckginge, ſo waͤre der Calcul falſch. AusAbernetty’s, Menzie’s und Fothergill’s Verſuchen folgtzwar, daß 2-3 Mahl durchgeathmete Lebensluft dochnoch ſo rein als atmoſphaͤriſche ſey. Daraus ſcheintzu folgen, daß der Luftſack, da er ſich nicht ausleert,unelaſtiſch von Eiſenblech und faſt \( \frac{2}{3} \) kleiner ſeynkoͤnnte. Verſuche aber haben mich gelehrt, daß diekohlenſaure Luft, welche man ſammt der Lebensluftausathmet, ſich gleichmaͤßig unter die andre Luftmaſſevertheilt, daß ſie im Schlauch ſtehen bleibt, wiedereingezogen wird und beaͤngſtigende Bruſtſchmerzen er-regt. Dazu habe ich vielfaͤltige phyſiologiſche Gruͤnde,um gegen das Athmen einer reinen Lebensluft in derGrube ſehr zu proteſtiren. Die zu große MengeSauerſtoff, welche an das venoͤſe Blut tritt, und die-ſem die ſchoͤne hochrothe Farbe ertheilt, vermehrt die |208| Reizbarkeit der ganzen thieriſchen Maſchine. KommtGemuͤthsunruhe, Muſkelanſtrengung, wie beym Mi-neur oder Bergmann, dazu, ſo wird die Diſpoſitionzur Entzuͤndung noch mehr erhoͤht, und inflammatoriſcheKrankheiten, Folgen der Ueberreizung wuͤrden die un-ausſprechlichen Folgen ſeyn. In meinem phyſiologi-ſchen Werke uͤber den Muſkelreiz werden Siemannigfaltige Verſuche finden, welche dies undden chemiſchen Proceß, auf dem mir alle vitaleFunctionen zu beruhen ſcheinen, in ein noch helleresLicht ſetzen. Man fuͤlle daher den Luftſack mit reiner atmoſphaͤ-riſcher Luft, und gebe dem Bergmann eben das Ge-miſch von Gasarten zu athmen, das ſeit ſeiner Geburtein habitueller Reiz ſeines Syſtems iſt. Das Fuͤllengeſchieht mittelſt eines wenig veraͤnderten gemeinenBlaſebalgs, der da eingeſteckt wird, wo der Schlauchin den Luftſack eingemuͤndet iſt. Das Material zumFuͤllen iſt demnach in der Grube ſelbſt, auf dem Stol-len, unter dem Schacht uͤberall, wo friſche Wetterſind, anzutreffen. Da die Sicherheit des Menſchen,welcher ſich der Rettungsflaſche bedient, von derDichtigkeit des Luftſacks abhaͤngt; ſo laſſe ich denſel-ſelben, damit er beym Auftreiben nicht zerplatze, inein cylindriſches Gefaͤß von Eiſenblech einſchließen.In dies Gefaͤß geht der Schlauch durch eine Oeffnunghinein, welche weit genug iſt, um die aͤußere Luftmit der zwiſchen dem Luftſack und dem Cylinder inVerbindung zu ſetzen. Durch dieſe Communicationwird nemlich der Luftſack, in welchem das Athmen |209| die Luft verduͤnnt, zuſammengedruͤckt und ausgeleert.Auch dient das Gefaͤß dazu, wenn es mit ein paarRollen verſehen iſt, den Luftvorrath, wo man ihnnicht auf dem Ruͤcken tragen kann, bequemer wie denTreckhund der Floͤtzbergleute nachzuſchleppen. DieGroͤße des Luftſacks habe ich nach den Edinburger Ver-ſuchen von Menzie, von denen ich die meiſten wiederholthabe, minutenweiſe berechnet. Leider wird dieſelbe ziem-lich betraͤchtlich, da ein Menſch in einer Minnte 18mahlinſpirirt und in einer Inſpiration 40 Cubikzoll Luftbedarf. Doch iſt ſie nicht ſo betraͤchtlich, um vonder ganzen Vorrichtung abzuſchrecken, um ſo mehr,da das Nachfahren nach einem Erſtickten und das Re-cognoſciren eines Mineurs nur wenige Zeit erfordert,auch durch einen Schacht mehrere Luftſaͤcke nachgelaſſenwerden koͤnnen, wenn man nicht Muße hat den aus-geleerten wieder zu fuͤllen. Zu einer halben Stundebedarf man eines Luftſacks, der 12 Cubikfuß enthaͤlt;alſo prismatiſch eine Grundflaſche von 4 Quadratfußbey 3 Fuß Hoͤhe hat. Wie ſelten aber hat man ſichin boͤſen Wettern oder in Kohlendampf aufzuhalten!In den meiſten Faͤllen waͤren 12-18 Minutenhinlaͤnglich, um die toͤdtliche Luftſchicht zu durch-fahren, und den Erſtickten heraus zu ziehen. Ich ap-pellire an Ihre vieljaͤhrige bergmanniſche Erfahrung. Daß in Faͤllen, wo man nicht mit Koblendampfzu kaͤmpfen und fuͤr das Auge nichts zu beſorgen hat,die abendtheuerliche Maſke vor dem Geſicht ganz weg-faͤllt, daß man bey boͤſen Wettern nur einer bloßen Bin-de um den Mund bedarf, in der das Reſpirationsrohr |210| ſteckt, brauche ich nicht zu erinnern. Sie ſehenuͤberhaupt ſelbſt, verehrungswerther Freund, wiemannigfaltigen Abaͤnderungen dieſer Rettungsapparatnoch unterworfen iſt. Ich wuͤnſchte es ſo weit da-mit zu bringen, daß er nur wenige Thaler koſte,daß ſeine Zuſammenſetzung einfach genug wird, umjeden Bergmann einzuleuchten. Durch Thaͤtigkeit undharrende Geduld laͤßt ſich viel leiſten — am meiſten,wenn mehrere Menſchen mit mir zu einem ſo wichtigenZwecke arbeiten wollen. Herr Fothergill, der edle Be-foͤrderer der human society, glaubte, ſein Buch uͤberRettung der Ertrunkenen den Aerzten dadurch wichtigzu machen, daß er ihnen vorſtellte, ſie koͤnnten wohlſelbſt einmal ertrinken. Ich achte die Menſchen, denendas Wohl des deutſchen Bergvolks anvertraut iſt, zuſehr, um mich ſolcher Motive zu bedienen, und werihrer bedarf, haͤlt ſich ohne dies vor der Gefahr un-terirdiſcher Luftarten geſichert.