Neue Versuche über den Metallreitz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. Aus einem Briefe an den Herrn Hofrath Blumenbach vom Herrn Oberbergrath F. A. von Humboldt. Bey der Ausarbeitung meiner Schrift über die gereitzte Muskelfaser, mit der ich seit meiner Rückkunft aus der Schweiz lebhaft beschäftigt bin, habe ich mich nicht begnügt, ältere Versuche zu wiederhohlen, sondern ich bin eifrigst bemüht gewesen, die Lehre von der thierischen Reitzbarkeit durch neue Versuche zu erweitern. Verzeihen Sie es meiner Eitelkeit, lieber B., wenn ich sage, daß ein glücklicher Zufall meine Arbeiten mehr begünstigt hat, als ich es je zu hoffen wagen durfte. Auch experimentirte ich dießmal nicht aufs Ohngefähr (wie ich es oft zu thun gern gestehe), sondern lehrreiche Unterhaltungen mit den Herren Scarpa und Volta zu Pavia und Como, und vor allem Herrn Reils philosophische Abhandlung über die Lebenskraft (Archiv für die Physiologie, Band 1. Heft 1. S. 8.) leiteten mich auf Untersuchungen, die ich ehemals vernachläßigt hatte. Ich eile, Ihnen einige Resultate derselben mitzutheilen; ich hebe nur das aus, was von andern Physikern vor mir noch nicht beobachtet wurde, und bleibe meiner älteren Methode getreu, nur Thatsachen zusammenzustellen, ohne mich auf Dinge einzulassen, die wenigstens außer den Gränzen unserer bisherigen Erfahrungen liegen. "Est enim genus Philosophantium, qui in paucis experimentis sedulo et accurate elaborarunt, atque inde Philosophias educere et confingere ausi sunt; reliqua miris modis ad ea detorquentes." Baco Ver. Nov. Organ. I. 62. Unter allem, was ich Herrn Scarpa über meines und meines Bruders galvanische Versuche erzählte, war dem großen Physiologen nichts so auffallend, als die Erscheinung an meinem Rücken, die wundersam schnelle Umwandlung der herbeygelockten lymphatisch-serösen Feuchtigkeit, deren ich in meinem ersten Briefe an Sie erwähnte. Wo ist ein Stimulus, sagte er, der in wenigen Augenblicken die Natur der Gefäße so abändert, sie stimmt, Säfte zu bereiten, welche bey der ersten Berührung des Oberhäutchens sogleich Entzündung erregen, und ihren Weg durch Stunden lang anhaltende Röthe bezeichnen? Ich versprach Herrn Scarpa, das wichtige Experiment an mir selbst zu wiederholen und ich habe Wort gehalten. Auf den Muscul. Deltoid. der rechten und linken Schulter wurden mir abermals zwey Blasenpflaster gelegt. Sie zogen heftig, obgleich schwächer als beym ersten Versuche. Herr von Schallern, der mit größter Vorsicht und unermüdeter Geduld wohl [Formel] Stunden lang auf meinem Rücken experimentirte, schnitte die linke Blase auf und ließ die Feuchtigkeit frey herablaufen und antrocknen. Sie bezeichnete ihren Weg durch nichts, als ihren Glanz, welcher beym Abwaschen natürlich auch verschwand. Dieß Antrocknen war nöthig, um der Einwendung zu begegnen, als habe die Wunde schon vorher ungereitzt, durch eine Idiosynkrisie meiner Gefäße, scharfe Säfte abgesondert. Kaum gieng das, nicht wenig schmerzhafte, Galvanisiren der Wunde mittelst Zink und Silber an, so quoll die seröse Feuchtigkeit häufiger heraus, sie wurde sichtbar dunkler gefärbt, und in wenigen Sekunden entzündete sie in ihrem Laufe den Rücken in blaurothen Striemen. Wo sie (da der Rücken waagrecht lag) gegen die Bauchhöhle herablief und von den Falten des Muskelfleisches aufgehalten ward, wurde die entzündete Stelle zollgroß, ja ich konnte, indem ich den Finger in die Feuchtigkeit tauchte, Figuren auf meine Oberhaut mahlen, die selbst nach dem Abwaschen Stunden lang blauroth gefärbt blieben. Eben diese Wirkung wurde auf der rechten Schulter beobachtet. Ich versuchte aus Unvorsicht mit kaltem Wasser die entzündeten Stellen zu waschen, sie nahmen aber, unter unseren Augen, an Intensität der Farbe und Größe so gewaltsam zu, daß diese Erscheinung dem Arzte und mir selbst bedenklich wurde, und wir den Rücken (obgleich ohne großen Erfolg) mit lauwarmer Milch bestrichen. So war denn dieß Experiment an mir selbst unwiederruflich bestätigt, und wie wundersam zeigt sich hiebey nicht die thierische Maschine? Ein feiner Stoff dem Organe mitgetheilt, oder aus ihm abgesondert, ändert in wenigen Augenblicken seine Natur ab, und nun quellen Säfte hervor , welche in ihren Urstoffen anders gemischt oder geformt sind, als es die vorigen waren! Wie schön wird Ihre Lehre von der vita propria der Gefäße, auf die Sie, lieber B. zuerst aufmerksam machten, dadurch bestätigt! Neues Journ. der Phys. Band. 2. Heft 2. S. 119. S. Reils Archiv S. 94. und die scharfsinnigen Ideen, welche S. 118. entwickelt werden. Aufgeklärte Aerzte werden bey Lesung dieser Wirkungen von selbst darauf fallen, daß sie, mit Vorsicht angewendet, vielleicht künftig für die Wundarzneykunde wichtig werden können. Meine Rückenwunden wurden nun noch zu vielen anderen Versuchen benutzt, die ich mir längst aufgezeichnet hatte, um sie an mir selbst anzustellen. Ich erzähle Ihnen hier nur einige, da Sie die zusammengesetzteren in meinem Buche entwickelt finden. Auf meiner rechten Wunde lag Zink, auf der linken Silber, ein Eisendrath, der mit dem Zink zusammenhieng, gieng mir durch den Mund, und zwar zwischen der Oberlippe und spongiosen Substanz der Oberzähne, einer zweyten Person aber über die Zunge weg. Als der Eisendrath gegen das Silber gebogen ward, sahe man meinen Muscul. cucullar. deutlich zucken, ich fühlte ein lebhaftes Brennen und Pochen in der Schulter, ich sah Leuchten vor beiden Augen, und die zweyte Person schmeckte die Säure auf der Zunge. Alle diese heterogenen Erscheinungen waren in einem Augenblicke vorhanden, ohnerachtet der Communicationsdrath einige Fuß lang war. Mein Experiment mit dem Hauche glückte mir ebenfalls für die Empfindung. Auf der Wunde lag Zink, darauf Gold; dieß Gold und die Wunde wurde mit Zink berührt, aber kein Pochen war fühlbar. Dieß Pochen und Brennen empfand ich sogleich als das Gold mit einer verdampfenden Flüssigkeit benetzt war! Ein präparirter Froschschenkel lag auf meiner linken Schulter. Die rechte Wunde war mit Zink bedeckt. Der Schenkel hüpfte (ohnerachtet er 8 Zoll vom Zink ablag,) sobald ein Silberdrath ihn und den Zink verband. Meine theilweise entblößte Cutis leitete also unter der Oberhaut, welche eine Brücke zwischen beiden Wunden bildete, das Galvanische Fluidum weg. Lag der Schenkel auf Glas und dieß auf meiner linken Schulter, so erfolgte, unter sonst gleichen Umständen, kein Reitz. Wie das Glas, isolirte auch die Oberhaut selbst; denn weder der Zink, noch der Froschschenkel durften darauf liegen, wenn der Stimulus vorhanden seyn sollte. Ueberaus wichtig in diesen Fällen ist der Umstand: daß ich, wenn meine Cutis dem Frosch zum Leiter nach dem Zink hin diente, nichts, weder Pochen noch Brennen, empfand. Eben so zuckt auch ein Froschschenkel b nicht, dessen Cruralnerv (ohne das Metall zu berühren) auf einem armirten Cruralnerven a liegt, wenn der zu a gehörige Schenkel mittelst Silber mit der Armatur verbunden wird. Das galvanische Fluidum ist also in diesen Fällen, bey seinem Durchgange, kein specifiker Reitz für die Bewegungsorgane, wohl aber für das Geschmacksorgan; denn die Zunge am Eisendrathe schmeckte (in meinem oben erzählten Versuche) deutliche Säure. Noch mehr: legen sie einen Nerv mit 6 -- 8 Kubiklinien Muskelfleisch L, z. B. den Nervus radialis, oder den von ihm ausgehenden Nervus axillaris an Zink; auf L aber, fern vom Zinke, einen präparirten Schenkelnerven l sammt den Muskeln, in die er inserirt ist. Bey sehr lebhaften Fröschen wird l mit gereitzt, wenn ein Silberdrath L allein und den Zink verbindet, bey matteren muß das Silber l selbst berühren, um es zu Zuckungen zu stimuliren. Sind aber in diesem letzteren Falle die Zuckungen in l vorhanden, so fehlen sie stets in L, das unbeweglich ruht. Diese Erfahrung ist unwidersprechlich wahr, man mag die Stellen der Nerven verwechseln, oder zwey Cruralnerven nehmen, die gewiß einerley Bewegungsreitz gehorchen. Was folgt daraus? Daß das unbekannte Fluidum +/- G, welches durch den Zink, Silber, l, und L circulirt, bey seinem Durchgange durch L, (noch nicht oder nicht mehr?) die Eigenschaften besitzt, welche es in l äußert. Ich erwähne hier nicht, wie sehr diese Erfahrung der Electrizitätstheorie, nach der das +/- G nichts anderes als rege gemachte +/- E selbst ist, widerspricht. Diese Untersuchung, welche auf das Wesen des Galvanismus selbst führt, liegt hier außer meinem Zwecke. Sie werden mich fragen, lieber B, ob ich die Empfindung beschreiben kann, welche der Galvanische Reitz bey mir erregte? Da ich so wiederhohlte Versuche an dem Alveolus eines ausgezogenen Zahnes, mehrern Handwunden und bey vier Blasenpflastern an mir selbst anstellte, so kann vielleicht hierin niemand so bestimmt entscheiden, als ich. Die Empfindung des Galvanischen Reitzes ist immer schmerzhaft und um so schmerzhafter, je wunder die gereitzte Stelle ist, und je länger der Reitz dauert. So wie matte Froschschenkel oft beym Anfange des Galvanisirens gar nicht, und nach drey oder vier Berührungen lebhaft zucken, so habe ich ebenfalls deutlich an mir selbst bemerkt, daß die ersten Schläge nur dunkel empfunden werden, die folgenden vier bis sechs aber lebhaft afficiren. Bis zur Abstumpfung des gereitzten Nerven, durch fortdaurende Stimulation, konnte ich es nie bringen. Ohnerachtet ich meine letzten Rückenwunden über [Formel] Stunden lang reitzen ließ, so blieb der Schmerz doch immer im Zunehmen. Noch heute am dritten Tage ist die Wunde entzündet und ich unterscheide deutlich die mehr galvanisirte linke Schulter von der rechten. Die Empfindung, welche der Metallreitz erregt, hat mit der der electrischen Schläge oder des electrischen Bades für mich auch nicht die entfernteste Aehnlichkeit. Es ist ein Schmerz sui generis, der nicht das (knipsend) stechende, abgesetzte, durchdringende des electrischen Fluidums hat. Ich unterscheide darin ein heftiges Pochen, einen ordentlichen Druck mit anhaltendem Brennen verbunden. Dieß Brennen ist ungleich empfindlicher, wenn die Wunde von einer Silberplatte bedeckt und von einer Zinkstange in wenigen Berührungspunkten gereitzt wird, als wenn eine Zinkplatte auf der Wunde liegt und man die silberne Pincette zur Verbindung braucht. Ich komme nun zu Versuchen, welche Ihnen (ich darf es dreist behaupten) eine neue unerwartete Wirkung der Metalle auf die gereitzte Nervenfaser zeigen werden. Ob ich sie gleich zur Prüfung der Voltaischen Electrizitätstheorie anstellte, so werde ich dieselben doch lieber, als einfache Thatsachen, erzählen. Ich hatte mehrmals im Herbst 1795 und im verflossenen Frühjahr beobachtet , daß bey sehr lebhaften Thieren Zuckungen erfolgen, wenn Zink R den Nerven armirt, auf den Nerv ein leitender Stoff L (nasses Tuch, Muskelfleisch, Morcheln,) liegt, und dieß L und der Nerv mittelst Silber r verbunden wird. Die Kette, Neues Journ. der Phys. B. 2. H. 2. S. 124. Nerv. R. L. r. ist also positiv. So wie die Lebenskraft der Thiere verschwindet, so wird die vorgenannte Formel negativ, das heißt, alle Zuckungen verschwinden, bis entweder L heraustritt, oder auf L noch einmal Zink gelegt wird. Die Kette Nerv. R. L. r. muß demnach in die Grundformel () Nerv. R. r, oder in Nerv. R. L. R. r umgeändert werden. Diese Erfahrung belehrte mich augenscheinlich, daß das Nichterfolgen des Reitzes, bey minder lebhaften Thieren, nur von der geminderten Empfänglichkeit des Organs für den Stimulus herrühre, daß der Stimulus selbst aber sowohl in Nerv. R. L. r. als im Nerv. R. r vorhanden sey. Da nun der Ursach des Galvanismus auf keinem andern Wege nachgespührt werden kann, als durch sorgfältige Beobachtung der Verhältnisse, unter denen die Kette der Metalle reitzt und nicht reitzt; so sehen sie selbst, lieber B, wie unendlich wichtig es ist, entweder mit recht lebhaften Individuen zu experimentiren, oder ein Mittel in Händen zu haben, die Empfänglichkeit der thierischen Organe zu erhöhen. Dieses Mittel habe ich endlich entdeckt, und ich bin stolz darauf, zu gestehen, daß der lehrreiche Umgang mit dem großen und scharfsinnigen Physiker, Herrn Alessandro Volta, mich zu dieser Entdeckung veranlaßte. Schon im May dieses Jahres hatte ich Frösche galvanisirt , deren Muskeln ich mit Säuren und deren Nerven ich mit alcalischen Auflösungen benetzte. Ich zeichnete in meinen Papieren Verstärkung der Zuckungen auf, schrieb dieselben aber der alleinigen Anwendung der Säuren zu. Herr Volta, dessen Unterricht ich so vieles verdanke, zeigte mir, wie er leitende Substanzen, um ihre Leitungskraft zu vermehren, lieber mit Oleum tartari per deliquium, als mit Wasser befeuchte. Dieser Umstand veranlaßte mich, neue Versuche mit der alcalischen Auflösung zu machen. Ich ließ nun die Säuren vom Muskel weg und benetzte bloß den Nerven mit Oleum tartari per deliquium. Welche unerwartete Phänomene wurde ich da gewahr! Alle, welche ich Ihnen, lieber B., hier erzähle, sind nicht etwa von mir allein, wenige Minuten lang, ein oder zweymal, beobachtet worden; nein! alle diese Experimente wurden halbe Stunden lang, auf trocknen Glasplatten, vor mehreren Zeugen, die alle Nebenumstände vorsichtig prüften, an acht, zehn und mehr Individuen angestellt. Es bleibt mir daher kein Verdacht der Selbsttäuschung zurück. S. a. a. O. S. 126. Wenn man einen entblößten Nerv mit Oleum tartari befeuchtet, so werden zwar beym Galvanisiren gleich in den ersten Augenblicken die Zuckungen um vieles verstärkt , in dem Muskel selbst aber geht, (falls er auf einer Glasplatte sich selbst überlassen ruht,) keine sichtliche Veränderung vor. Nach drey bis vier Minuten aber, besonders wenn man den Nerv in die Höhe hebt, damit die alcalische Auflösung nach der Insertion des Nerven in den Muskel herabläuft, sieht man Kennzeichen eines fürchterlichen Stimulus. Der Schenkel auf einer bloßen Glasplatte liegend, mit keinem Metall oder kohlenhaltigen Stoffe in Berührung, geräth von selbst in die lebhaftesten Zuckungen. Wadenmuskel und Zehe spielten unaufhörlich, und die letzteren spannen die Schwimmhaut eines Frosches so heftig aus, daß sie dem Zerreissen nahe zu seyn scheint. Muskeln, aus denen man alle Lebenskraft entwichen glaubte, weil ihr Nerv mit Zink und Silber, oder Zink und Gold keinen Reitz mehr erregte, zuckten heftig mit gleichartigen Metallen, als ihr Nerv mit der alcalischen Auflösung getränkt war. Thiere, deren Reitzempfänglichkeit ich durch warme Solutionen von Arsenikkalk vernichtet hatte, zuckten sogleich lebhaft wieder, als sie mit dem Oleum tartari bestrichen wurden. Sie wissen, daß ich den galvanischen Reitz wirksam finde, wenn Nerv und Muskel mit gleichartigen Metallen armirt ist, zwischen beiden aber ein heterogenes Metall R liegt, dessen eine Fläche mit einer ausdunstenden Substanz in Berührung steht; daß der Reitz aber sogleich verschwindet, wenn Sie die ausdünstende Substanz wegnehmen, oder R an beiden Flächen damit belegen. So fand ich es immer bey 50 bis 60 Thieren, an denen ich diesen Versuch anstellte; so meldeten es mir andere, welche meine Versuche wiederhohlten. Benetzen Sie, lieber B., den Nerv mit der alkalischen Auflösung, so ist alles anders. Der Reitz erfolgt, die Belegung mit Dampf mag doppelt, einfach oder gar nicht vorhanden seyn. Die Fälle Ich habe diesen Versuch an mir selbst gewagt. Ich ließ meine Schulterwunde mit dem oleum tartari benetzen. Der Schmerz war sehr gering dabey, aber kaum wurde die benetzte Stelle galvanisirt, so erfolgten heftigere Schläge, ein empfindlicheres Brennen, als ich je vorher erfahren. Die Empfänglichkeit meines Organs war erhöht. Eben so wollte mein Hauchversuch, Nerv. R. r. L. R. an der Zunge mir nie deutlich glücken, bis ich die Zunge mit Oleum tartari befeuchtete. In diesem Zustande war die Säure mit Zink und Zink sehr genau wahrzunehmen. Frosch r. R. r. Frosch r. L. R. r. Frosch r. L. R. L. r. sind dann alle positiv. -- Beweise genug, um zu zeigen, daß das Oleum tartari per deliquium nicht bloß den Nerven reitzt, sondern auch (was in Brown's System freylich für eins gilt,) seine Reitzempfänglichkeit vermehrt. "Stimulant alcalia fibram contractilem (?) et nerveam, ideo evitanda quidem motu febrili, spasmis, convulsionibus corpus exagitantibus, fibris nimium tensis aut irritabilibus, tanta potiora his languentibus aut torpentibus." Gmelin appar. medicam. Vol. I. p. 60. auch Cullen Lectures on the Materia medica ed. 2. p. 274. Alle Erscheinungen, welche ich bisher nur einzeln und selten bey den Amphibien beobachten konnte, welche ich aus dem Winterschlafe erweckte und von besonderer Reitzempfänglichkeit fand, alle diese Erscheinungen bin ich jetzt im Stande durch die alkalische Auflösungen bleibend und wiederhohlt darzustellen. Dieser Umstand hat mich nun zu folgenden neuen Versuchen geleitet, deren Resultate ich Ihnen vor Erscheinung meiner Schrift in wenigen Zeilen vorlegen will. Sie werden daraus sehen, wie weit man noch in Aufsammlung von Erfahrungen über den Galvanischen Reitz zurück war, wie schnell man Theorien aufführte, die nur von wenigen Factis abstrahirt waren, unbekümmert, ob es nicht möglich sey, der Natur in diesem großen Phänomene gründlicher und vollständiger nachzuspühren. Ich unterscheide zwey Zustände des thierischen Organs, den der natürlich hohen oder künstlich erhöhten, und den der minderen Reitzempfänglichkeit. Daß beide Zustände nicht schneidend zu trennen sind, da hier von Graden die Rede ist, bedarf keiner Erwähnung. Das obige Beyspiel im Fall: Frosch r. L. R. L. r. der in einem Zustande positiv, im andern negativ ist, rechtfertiget aber allein schon jene Eintheilung. Die Reitzempfänglichkeit, welche ich durch Oleum tartari per deliquium, durch Solutionen von flüchtigem Laugensalze, oxygenirte Kochsalzsäure und Arsenikkalk hervorbringe, ist indeß nur sehr selten in gleichem Maaße bey natürlich lebhaften Individuen zu beobachten. I. Im Zustande der erhöhten Reitzempfänglichkeit habe ich Muskularbewegungen entdeckt: 1) Ohne Metall und kohlenhaltige Stoffe, mit bloß thierischen Stoffen. Die Galvanische Entdeckung, einen Frosch zu reitzen, indem man ihn so präparirt, daß Rumpf und Schenkel nur durch den Ischiadnerven zusammenhängen, und nun den weißen tendinösen Theil des Wadenmuskels gegen die Brust beugt, ist Ihnen aus meinem Briefe aus Mayland vom 26 Aug. bekannt . Ich schrieb Ihnen damals, daß Herr Volta gefunden habe, die Zuckung erfolge nur, wenn die Brust mit Blut oder Seife bestrichen sey. Aber dieser Methode erwähne ich hier nicht, sie erfordert eine besondere Präparation des Thieres und die Bedingung, welche der große Physiker hinzufügt, macht das Factum noch verwickelter. Ich habe, seit meiner Rückkunft aus Italien, ein Mittel entdeckt, welches unendlich einfach ist und bey künstlich erhöhter Empfänglichkeit des Organs, oder bey sehr lebhaften, aus dem Winterschlaf erweckten und darauf wohl genährten Individuen die stärksten Contractionen erregt. Ich lege den Nervus cruralis auf Glas, befestige ein Stückchen frisches Muskelfleisch an einen Griff von Siegellack und bringe es mit dem Nerv und Schenkelmuskel zugleich in Berührung, so entsteht eine lebhafte Zuckung, sobald die Kette geschlossen wird. Eben dieß erfolgt, wenn ich statt des Muskelfleisches ein abgeschnittenes Stück Schenkelnerv, N selbst nehme, so daß die Kette nur aus zwei Stoffen, Nerv und Muskelfaser, besteht. Auch ist der Reitz stärker, wenn N erst den Schenkel und dann den Nerv, als umgekehrt, berührt. Wird der Nerv mit der linken Hand gehalten und berührt ihn ein Stück frisches Muskelfleich M in der Rechten, so entsteht ebenfalls starke Muskelbewegung. Sie verschwindet, wenn M nicht mehr frisch ist, oder wenn man Horn oder scharfkantiges Holz statt M nimmt. Drücke ich M und N wieder durch L, wie in den vorigen Formeln aus, so ist hier der Fall: Grens neues Journ. der Phys. B. 2. H. 4. S. 473. Frosch. L. possitiv, und ein einfacherer möchte wohl schwerlich je entdeckt werden. Wenn überhaupt ein Fluidum aus dem Nerv in den Muskel strömt, um diesen zum Zusammenziehen zu reitzen, so scheint dasselbe bloß dadurch stimulirend zu werden, daß es aus dem Nerven durch einen fremden, (d. i. mit dem Nerven nicht organisch verbundenen) thierischen Stoff in den Nerven zurückkehrt! 2) Mittelst Metalle oder kohlenhaltige Substanzen, und zwar, ohne daß eine kreisförmige Leitung zwischen Muskel und Nerv statt findet, oder mit derselben, kürzer ausgedrückt a) ohne Kette. -- Auch dieser einfache Fall der Reitzung war bisher unbeobachtet und widerspricht allen bisherigen Hypothesen. Ich fand zuerst am 20sten Nov. daß, wenn der Cruralnerve auf Zink lag, und der Zink, mittelst Zink, Eisen, Silber, (nur nicht mittelst Holz, Horn, oder isolirende Substanzen) in den entferntesten Punkten berührt werde, bey jeder Berührung Zuckungen entstanden. Dieß Phänomen stellte sich damals sehr oft vor mehrern Zeugen und anhaltend wieder dar. Alles war mit Glas isolirt und rein abgetrocknet. Zwischen dem Schenkel und dem Zink oder Eisen, welches ich (mittelst isolirender Griffe) in der Hand hielt, war keine Spur von Leitung. Ja! ich legte zwey Cruralnerven auf den Zink, die sich, so wenig als ihre Schenkel, nirgends berührten, beide Schenkel wurden zum Ueberfluß mittelst zwey trockner Glastafeln in die Luft empor gehoben, und die Contraction war dennoch in beiden Schenkeln da, so oft eine dritte Person die Nervenarmatur 4 Zoll vom Punkte ab (wo die Nerven auflagen) mittelst Zink, Silber oder Eisen erschütterte. Ich gestehe, daß mir diese Erscheinung von allem, was ich bisher noch beym Galvanisiren gesehen oder darüber gelesen, dergestalt abzuweichen schien, daß sie mich und die Umstehenden, wie ein Zauber, in Erstaunen setzte. b) Mit Kette, und zwar in zwey Unterabtheilungen: a) bey homogenen Metallen. So wenig ich im Zustande der gewöhnlichen, mindern Reitzempfänglichkeit Contractionen bey homogenen Metallen wahrgenommen, so gleichgültig scheint mir nach zweyjährigen Versuchen Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Metalle im Zustande der erhöhten Reitzempfindlichkeit. Homogeneität beruht nicht auf Gleichartigkeit chemischer Bestandtheile, sondern darauf, ob ein Metall mehr erwärmt, polirt, gehärtet, anders geformt sey, als das andere. Niemand hat diese Art von Versuchen zu einer größeren Feinheit gebracht, als der große Physiker Volta, dessen Namen gewiß jeder Naturforscher mit Verehrung nennt. Aber durch eben diese Feinheit ist es in dem Streite über Homogeneität endlich so weit gekommen, daß a priori einzusehen ist, der Skeptiker, welcher Heterogeneität behauptet, sey unüberwindlich. Ich erzähle daher die einfachen Versuche, welche ich in dieser Hinsicht angestellt, und bitte Sie lieber B., nur nach der Wahrscheinlichkeit zu urtheilen, welche sonst unsere Schlüsse in Gegenständen der Physik leitet. Ich reinigte Quecksilber so sorgfältig, als es die Vorschriften der Chemie lehren, ich goß dasselbe in eine porcellanene Schale, und brachte das ganze Quantum in die Nähe des Ofens, um alle Theile eine bestimmte Temperatur annehmen zu lassen. Auf der Oberfläche des Quecksilbers war kein Stäubchen, kein Wassertropfen, keine Oxydation zu bemerken. Sie war spiegelnd hell. Vorher hatte ich von einem lebhaften Frosche (der nicht mit Oleum tartari bestrichen war) den Schenkel abgelöst und an diesen den Nervus cruralis und ein Bündel Muskelfasern dergestalt heraus präparirt, daß beide (Nerv und Muskel) zu gleicher Länge herabhiengen. Der Schenkel hieng an zwey seidenen Fäden; traf nun der Nerv allein die Quecksilberfläche, so erregte der Stoß keinen Reitz; berührte aber der Muskelbündel mit dem Nerven zugleich die metallische Flüssigkeit, so erfolgten so heftige Zuckungen, daß die Schwimmhaut sich, wie in einem Anfalle von Tetanus, ausspannte. Diese Zuckungen fehlten nie und waren bey allen Punkten, in denen das Einsenken geschah, vorhanden. Ich frage nun jeden unpartheyischen Leser, ob das Quecksilber denn in allen Punkten heterogen sey, ob ich unvorsichtig experimentirt habe? Noch mehr: Nerven von lebhaften Fröschen lagen auf Zink; es erfolgten Contractionen, wo ich nur Zink und Nerv mittelst ein Stückchen Muskelfleisch L verband. Ja! man kann in solchen Fällen das L entbehren, man präparire Schenkelnerv und Muskelbündel aus einem Schenkel heraus, und lege den Nerv auf Silber. Der Reitz ist vorhanden, sobald mittelst einer Glasröhre der Muskelbündel irgendwo an das Silber herangeschoben wird. In der Linken hielt ich den Cruralnerven, in der Rechten einen Silberdrath, so oft dieser den Muskel leise berührte, erfolgten Zuckungen. Sie blieben gleich heftig, welches Metall ich in der Rechten hielt. Ein Froschschenkel war so sehr erschöpft durch 1 [Formel] stündiges Galvanisiren, daß selbst Zink und Silber einen kaum sichtbaren Reitz hervorbrachten, der Cruralnerv ward in die alkalische Auflösung getaucht und nun -- nun war mit Zink und Zink die Bewegung so heftig, daß der Schenkel [Formel] Zoll weit von der Glasplatte herabflog. So viel von einer Gattung von Versuchen, auf welche ich vielstündige Sorgfalt angewandt habe und übergenug, um zu entscheiden, ob Herr Volta nicht irre, wenn er gegen Aldini behauptet "die Zusammenziehungen bey homogen geglaubten Metallen seyn nur bey sehr genau und frischpräparirten Fröschen, und zufällig unter hundert tausendmalen kaum einmal sehr schwach wahrzunehmen keinesweges aber mit den kräftigen Convulsionen und Stößen zu vergleichen, welche ungleichartige Metalle hervorbringen?" Grens neues Journ. B. 2. H. 2. S. 157 . b) Bey heterogenen Metallen. Nach wiederhohlten Versuchen entstehen Contractionen, bey künstlich erhöhter Reitzempfänglichkeit, wenn zwischen hetrogenen Muskel- und Nervenarmaturen eine thierische leitende Substanz liegt; wenn zwischen homogenen Muskel- und Nervenreitzern ein heterogenes Metall liegt; wenn zwischen homogenen Muskel- und Nervenreitzern ein heterogenes Metall liegt, das an einer, oder an beiden Flächen mit einer ausdünstenden Flüssigkeit belegt ist. II. Im Zustande minderer Reitzempfänglichkeit habe ich nur dann Zuckungen beobachtet: a) Wenn heterogene Muskel- und Nervenarmaturen sich unmittelbar berühren, der gewöhnliche Fall. b) Wenn zwischen homogenen Muskel- und Nervenreitzern ein hetorogenes Metall liegt, das an einer Fläche mit einem ausdünstenden Stoffe belegt ist; mein sogenanntes Hauchexperiment. Grens N. Journal B. 2. H. 2. S. 116. Nach der von mir gewählten analytischen Form, lassen sich alle vorgenannte Fälle durch folgende Formeln ausdrücken: Im Zustande erhöhter Reitzbarkeit sind positiv: Frosch. L. Frosch. R. R. Frosch. R. R. Frosch. R. L. r. Frosch. R. r. R. Frosch. R. L. r. R. Frosch. R. L. r. L. R. Im Zustande minderer Reitzbarkeit sind constant: + Frosch. R. r. + Frosch. R. L. r. R. + Frosch. R. L. r. L. r. R. -- Frosch. R. R. -- Frosch. R. L. r. -- Frosch. R. L. r. L. R. So können alle bisherigen Erfahrungen in dreyzehen Formeln übersichtlich zusammengedrängt werden, und eine Theorie, welche den Galvanischen Reitz erklären soll, muß nicht auf einige Fälle, sondern auf alle passen. Wer sich mit der Voltaischen Theorie genau bekannt gemacht hat, fühlt von selbst, daß nicht etwa die Erfahrungen von homogenen Metallen (I. 2. b. a.) sondern die I. 1. so wie I. 2. a. und besonders der positive Fall, Frosch R. L. r. L. R., dieselbe ganz umstürzen. Die galvanischen Beobachtungen haben mir einen neuen Weg eröfnet, interessante Versuche über specifike Reitze der irritabelen und sensibelen Fiber, über die sthenische und asthenische Kraft chemischer Stoffe anzustellen. Sie werden eine lange Reihe davon in meiner Schrift finden und gewiß mit mir über das wundersame Verschwinden, Wiederkehren und abermalige Verschwinden der Erregbarkeit erstaunen. Herr Reil (Archiv der Physiologie B. 1. H. 1. S. 94.) hat hierüber scharfsinnige Muthmassungen geäußert. Was die Säuren für die Muskelfaser sind, scheinen mir die Alkalien für die sensible Fiber zu seyn. Kochsalzsäure auf den Muskel gestrichen, zeigt mir vermehrten Reitz, auf den Nerven gestrichen, vernichtet sie alle Reitzempfänglichkeit. Diese kehrt auch nicht zurück, wenn Sie die Säure durch alkalische Solutionen abzustumpfen suchen; obgleich das Organ (wie meine neue Entdeckung über oxygenirte Kochsalzsäure lehrt) wohl nicht zerstöhrt ist. Alkalische Solutionen, (besonders das Oleum tartari per deliquium, dem der Spiritus salis ammoniaci aquosus weit nachsteht), bringen matte Frösche zu heftigen Zuckungen. Fortgesetztes Bestreichen des Nerven mit Alkalien erzeugt, wie bey allen Ueberreitzungen, vollkommene Atonie, nach Brown eine debilitas indirecta. Der überreitzte Nerv zuckt nun auch bey Zink und Gold nicht mehr. Gießen Sie vorsichtig einige Tropfen Kochsalzsäure auf den Nerv, so entsteht auf demselben natürlich ein heftiges Brausen. Die Kohlensäure wird in Bläschen unter der Nervenscheide sichtbar, ein Theil des Alkali ist abgestumpft -- und nun, nun gelingt das Galvanisiren wieder mit Zink und Zink. Die Reitzempfänglichkeit erscheint erhöhet wieder, sobald die Menge des auf den Nerven wirkenden Alkali durch die Säure gemindert ist. Vermehren Sie dieselbe noch einmal, so entsteht neue Abstumpfung des Organs, neue debilitas indirecta; gießen Sie noch einmal Salzsäure auf den Nerv, so stellen Sie, (es ist mir in Gegenwart des Herrn Dr. von Schallern vollkommen geglückt,) zum zweytenmale die erhöhte Reitzempfänglichkeit wieder her. Welch ein wundersamer Organismus, welche Tenacität, welche Unzerstöhrbarkeit der sensibelen Fiber! Sie erinnern sich der Entdeckung, welche ich im Winter 1793 über den Einfluß der oxygenirten Kochsalzsäure machte . Gemeine Kochsalzsäure tödtet alle Keimkraft, in reinem Wasser keimt Lepid. sativum in 38 Stunden, in dephlogistisirter Salzsäure in 6 bis 7 Stunden. Vor wenigen Tagen ist es mir geglückt, wiederhohlt zu sehen, wie analog die oxygenirte Kochsalzsäure auch auf die thierische Organisation wirkt. Ich ließ zwey an sich schwache Froschschenkel durch siebenstündiges Galvanisiren ermatten. Sie zuckten nur schwach, wenn Silber am Muskel, und Zink am Nerv lag, gar nicht wenn das Silber den Zink und Nerv verband. Mit Wasser bestrichen blieben die Erscheinungen sich gleich; mit oxygenirter Kochsalzsäure aber den Nerv benetzt, erfolgten sogleich lebhafte Contractionen, als das Silber zum Leiter zwischen Zink und Nerv diente. Daß, wie bey den Pflanzen, nur der aus der Säure sich entwickelnde Sauerstoff die Reitzempfänglichkeit mehrte, schien mir daraus zu folgen, daß die Vermehrung nur in den nächsten zehn Minuten merkbar war, nachher aber eine Atonie entstand, welche durch alkalische Bäder nicht zu heben war. Die Flüssigkeit würkte nun als gemeine Kochsalzsäure. Dagegen -- und das scheint mir sehr wichtig -- erfolgen neue Convulsionen, wenn man einen Froschschenkel, den eine warme Arsenikalauflösung bis zur völligen Abstumpfung überreitzt hat, zwey Minuten lang in Oleum tartari taucht. Die Reitzempfänglichkeit des Nerven wird völlig dadurch hergestellt. -- -- Flora Fribergensis. S. 156. Im December 1795.