Neue Verſuche uͤber den Metallreitz, beſonders in Hinſicht auf die verſchiedenartige Empfaͤnglichkeit der thieriſchen Organe. Aus einem Briefe an den Herrn Hofrath Blumenbach vom Herrn Oberbergrath F. A. von Humboldt. Bey der Ausarbeitung meiner Schrift uͤber die gereitzte Muskelfaſer, mit der ich ſeit meiner Ruͤckkunft aus der Schweiz lebhaft beſchaͤftigt bin, habe ich mich nicht begnuͤgt, aͤltere Verſuche zu wiederhohlen, ſondern ich bin eifrigſt bemuͤht geweſen, die Lehre von der thieriſchen Reitzbarkeit durch neue Verſuche zu erweitern. Verzeihen Sie es meiner Eitelkeit, lieber B., wenn ich ſage, daß ein gluͤcklicher Zufall meine Arbeiten mehr beguͤnſtigt hat, als ich es je zu hoffen wagen durfte. Auch experimentirte ich dießmal nicht aufs Ohngefaͤhr (wie ich es oft zu thun gern geſtehe), ſondern lehrreiche Unterhaltungen mit den Herren Scarpa und Volta zu Pavia und Como, und vor allem Herrn Reils philoſophiſche Abhandlung uͤber die Lebenskraft (Archiv fuͤr die Phyſiologie, Band 1. Heft 1. S. 8.) leiteten mich auf Unterſuchungen, die ich ehemals vernachlaͤßigt hatte. Ich eile, Ihnen einige Reſultate derſelben mitzutheilen; ich hebe nur das aus, was von andern Phyſikern vor mir noch nicht beobachtet wurde, und bleibe meiner aͤlteren Methode getreu, nur Thatſachen zuſammenzuſtellen, ohne mich auf Dinge einzulaſſen, die wenigſtens außer den Graͤnzen unſerer bisherigen Erfahrungen liegen. „Eſt enim genus Philoſophantium, qui in paucis experimentis ſedulo et accurate elaborarunt, atque inde Philoſophias educere et confingere auſi ſunt; reliqua miris modis ad ea detorquentes.“ Baco Ver. Nov. Organ. I. 62. Unter allem, was ich Herrn Scarpa uͤber meines und meines Bruders galvaniſche Verſuche erzaͤhlte, war dem großen Phyſiologen nichts ſo auffallend, als die Erſcheinung an meinem Ruͤcken, die wunderſam ſchnelle Umwandlung der herbeygelockten lymphatiſch-ſeroͤſen Feuchtigkeit, deren ich in meinem erſten Briefe an Sie erwaͤhnte. Wo iſt ein Stimulus, ſagte er, der in wenigen Augenblicken die Natur der Gefaͤße ſo abaͤndert, ſie ſtimmt, Saͤfte zu bereiten, welche bey der erſten Beruͤhrung des Oberhaͤutchens ſogleich Entzuͤndung erregen, und ihren Weg durch Stunden lang anhaltende Roͤthe bezeichnen? Ich verſprach Herrn Scarpa, das wichtige Experiment an mir ſelbſt zu wiederholen und ich habe Wort gehalten. Auf den Muscul. Deltoid. der rechten und linken Schulter wurden mir abermals zwey Blaſenpflaſter gelegt. Sie zogen heftig, obgleich ſchwaͤcher als beym erſten Verſuche. Herr von Schallern, der mit groͤßter Vorſicht und unermuͤdeter Geduld wohl [Formel] Stunden lang auf meinem Ruͤcken experimentirte, ſchnitte die linke Blaſe auf und ließ die Feuchtigkeit frey herablaufen und antrocknen. Sie bezeichnete ihren Weg durch nichts, als ihren Glanz, welcher beym Abwaſchen natuͤrlich auch verſchwand. Dieß Antrocknen war noͤthig, um der Einwendung zu begegnen, als habe die Wunde ſchon vorher ungereitzt, durch eine Idioſynkriſie meiner Gefaͤße, ſcharfe Saͤfte abgeſondert. Kaum gieng das, nicht wenig ſchmerzhafte, Galvaniſiren der Wunde mittelſt Zink und Silber an, ſo quoll die ſeroͤſe Feuchtigkeit haͤufiger heraus, ſie wurde ſichtbar dunkler gefaͤrbt, und in wenigen Sekunden entzuͤndete ſie in ihrem Laufe den Ruͤcken in blaurothen Striemen. Wo ſie (da der Ruͤcken waagrecht lag) gegen die Bauchhoͤhle herablief und von den Falten des Muskelfleiſches aufgehalten ward, wurde die entzuͤndete Stelle zollgroß, ja ich konnte, indem ich den Finger in die Feuchtigkeit tauchte, Figuren auf meine Oberhaut mahlen, die ſelbſt nach dem Abwaſchen Stunden lang blauroth gefaͤrbt blieben. Eben dieſe Wirkung wurde auf der rechten Schulter beobachtet. Ich verſuchte aus Unvorſicht mit kaltem Waſſer die entzuͤndeten Stellen zu waſchen, ſie nahmen aber, unter unſeren Augen, an Intenſitaͤt der Farbe und Groͤße ſo gewaltſam zu, daß dieſe Erſcheinung dem Arzte und mir ſelbſt bedenklich wurde, und wir den Ruͤcken (obgleich ohne großen Erfolg) mit lauwarmer Milch beſtrichen. So war denn dieß Experiment an mir ſelbſt unwiederruflich beſtaͤtigt, und wie wunderſam zeigt ſich hiebey nicht die thieriſche Maſchine? Ein feiner Stoff dem Organe mitgetheilt, oder aus ihm abgeſondert, aͤndert in wenigen Augenblicken ſeine Natur ab, und nun quellen Saͤfte hervor , welche in ihren Urſtoffen anders gemiſcht oder geformt ſind, als es die vorigen waren! Wie ſchoͤn wird Ihre Lehre von der vita propria der Gefaͤße, auf die Sie, lieber B. zuerſt aufmerkſam machten, dadurch beſtaͤtigt! Neues Journ. der Phyſ. Band. 2. Heft 2. S. 119. S. Reils Archiv S. 94. und die ſcharfſinnigen Ideen, welche S. 118. entwickelt werden. Aufgeklaͤrte Aerzte werden bey Leſung dieſer Wirkungen von ſelbſt darauf fallen, daß ſie, mit Vorſicht angewendet, vielleicht kuͤnftig fuͤr die Wundarzneykunde wichtig werden koͤnnen. Meine Ruͤckenwunden wurden nun noch zu vielen anderen Verſuchen benutzt, die ich mir laͤngſt aufgezeichnet hatte, um ſie an mir ſelbſt anzuſtellen. Ich erzaͤhle Ihnen hier nur einige, da Sie die zuſammengeſetzteren in meinem Buche entwickelt finden. Auf meiner rechten Wunde lag Zink, auf der linken Silber, ein Eiſendrath, der mit dem Zink zuſammenhieng, gieng mir durch den Mund, und zwar zwiſchen der Oberlippe und ſpongioſen Subſtanz der Oberzaͤhne, einer zweyten Perſon aber uͤber die Zunge weg. Als der Eiſendrath gegen das Silber gebogen ward, ſahe man meinen Muscul. cucullar. deutlich zucken, ich fuͤhlte ein lebhaftes Brennen und Pochen in der Schulter, ich ſah Leuchten vor beiden Augen, und die zweyte Perſon ſchmeckte die Saͤure auf der Zunge. Alle dieſe heterogenen Erſcheinungen waren in einem Augenblicke vorhanden, ohnerachtet der Communicationsdrath einige Fuß lang war. Mein Experiment mit dem Hauche gluͤckte mir ebenfalls fuͤr die Empfindung. Auf der Wunde lag Zink, darauf Gold; dieß Gold und die Wunde wurde mit Zink beruͤhrt, aber kein Pochen war fuͤhlbar. Dieß Pochen und Brennen empfand ich ſogleich als das Gold mit einer verdampfenden Fluͤſſigkeit benetzt war! Ein praͤparirter Froſchſchenkel lag auf meiner linken Schulter. Die rechte Wunde war mit Zink bedeckt. Der Schenkel huͤpfte (ohnerachtet er 8 Zoll vom Zink ablag,) ſobald ein Silberdrath ihn und den Zink verband. Meine theilweiſe entbloͤßte Cutis leitete alſo unter der Oberhaut, welche eine Bruͤcke zwiſchen beiden Wunden bildete, das Galvaniſche Fluidum weg. Lag der Schenkel auf Glas und dieß auf meiner linken Schulter, ſo erfolgte, unter ſonſt gleichen Umſtaͤnden, kein Reitz. Wie das Glas, iſolirte auch die Oberhaut ſelbſt; denn weder der Zink, noch der Froſchſchenkel durften darauf liegen, wenn der Stimulus vorhanden ſeyn ſollte. Ueberaus wichtig in dieſen Faͤllen iſt der Umſtand: daß ich, wenn meine Cutis dem Froſch zum Leiter nach dem Zink hin diente, nichts, weder Pochen noch Brennen, empfand. Eben ſo zuckt auch ein Froſchſchenkel β nicht, deſſen Cruralnerv (ohne das Metall zu beruͤhren) auf einem armirten Cruralnerven α liegt, wenn der zu α gehoͤrige Schenkel mittelſt Silber mit der Armatur verbunden wird. Das galvaniſche Fluidum iſt alſo in dieſen Faͤllen, bey ſeinem Durchgange, kein ſpecifiker Reitz fuͤr die Bewegungsorgane, wohl aber fuͤr das Geſchmacksorgan; denn die Zunge am Eiſendrathe ſchmeckte (in meinem oben erzaͤhlten Verſuche) deutliche Saͤure. Noch mehr: legen ſie einen Nerv mit 6 — 8 Kubiklinien Muskelfleiſch L, z. B. den Nervus radialis, oder den von ihm ausgehenden Nervus axillaris an Zink; auf L aber, fern vom Zinke, einen praͤparirten Schenkelnerven l ſammt den Muskeln, in die er inſerirt iſt. Bey ſehr lebhaften Froͤſchen wird l mit gereitzt, wenn ein Silberdrath L allein und den Zink verbindet, bey matteren muß das Silber l ſelbſt beruͤhren, um es zu Zuckungen zu ſtimuliren. Sind aber in dieſem letzteren Falle die Zuckungen in l vorhanden, ſo fehlen ſie ſtets in L, das unbeweglich ruht. Dieſe Erfahrung iſt unwiderſprechlich wahr, man mag die Stellen der Nerven verwechſeln, oder zwey Cruralnerven nehmen, die gewiß einerley Bewegungsreitz gehorchen. Was folgt daraus? Daß das unbekannte Fluidum ± G, welches durch den Zink, Silber, l, und L circulirt, bey ſeinem Durchgange durch L, (noch nicht oder nicht mehr?) die Eigenſchaften beſitzt, welche es in l aͤußert. Ich erwaͤhne hier nicht, wie ſehr dieſe Erfahrung der Electrizitaͤtstheorie, nach der das ± G nichts anderes als rege gemachte ± E ſelbſt iſt, widerſpricht. Dieſe Unterſuchung, welche auf das Weſen des Galvanismus ſelbſt fuͤhrt, liegt hier außer meinem Zwecke. Sie werden mich fragen, lieber B, ob ich die Empfindung beſchreiben kann, welche der Galvaniſche Reitz bey mir erregte? Da ich ſo wiederhohlte Verſuche an dem Alveolus eines ausgezogenen Zahnes, mehrern Handwunden und bey vier Blaſenpflaſtern an mir ſelbſt anſtellte, ſo kann vielleicht hierin niemand ſo beſtimmt entſcheiden, als ich. Die Empfindung des Galvaniſchen Reitzes iſt immer ſchmerzhaft und um ſo ſchmerzhafter, je wunder die gereitzte Stelle iſt, und je laͤnger der Reitz dauert. So wie matte Froſchſchenkel oft beym Anfange des Galvaniſirens gar nicht, und nach drey oder vier Beruͤhrungen lebhaft zucken, ſo habe ich ebenfalls deutlich an mir ſelbſt bemerkt, daß die erſten Schlaͤge nur dunkel empfunden werden, die folgenden vier bis ſechs aber lebhaft afficiren. Bis zur Abſtumpfung des gereitzten Nerven, durch fortdaurende Stimulation, konnte ich es nie bringen. Ohnerachtet ich meine letzten Ruͤckenwunden uͤber [Formel] Stunden lang reitzen ließ, ſo blieb der Schmerz doch immer im Zunehmen. Noch heute am dritten Tage iſt die Wunde entzuͤndet und ich unterſcheide deutlich die mehr galvaniſirte linke Schulter von der rechten. Die Empfindung, welche der Metallreitz erregt, hat mit der der electriſchen Schlaͤge oder des electriſchen Bades fuͤr mich auch nicht die entfernteſte Aehnlichkeit. Es iſt ein Schmerz ſui generis, der nicht das (knipſend) ſtechende, abgeſetzte, durchdringende des electriſchen Fluidums hat. Ich unterſcheide darin ein heftiges Pochen, einen ordentlichen Druck mit anhaltendem Brennen verbunden. Dieß Brennen iſt ungleich empfindlicher, wenn die Wunde von einer Silberplatte bedeckt und von einer Zinkſtange in wenigen Beruͤhrungspunkten gereitzt wird, als wenn eine Zinkplatte auf der Wunde liegt und man die ſilberne Pincette zur Verbindung braucht. Ich komme nun zu Verſuchen, welche Ihnen (ich darf es dreiſt behaupten) eine neue unerwartete Wirkung der Metalle auf die gereitzte Nervenfaſer zeigen werden. Ob ich ſie gleich zur Pruͤfung der Voltaiſchen Electrizitaͤtstheorie anſtellte, ſo werde ich dieſelben doch lieber, als einfache Thatſachen, erzaͤhlen. Ich hatte mehrmals im Herbſt 1795 und im verfloſſenen Fruͤhjahr beobachtet , daß bey ſehr lebhaften Thieren Zuckungen erfolgen, wenn Zink R den Nerven armirt, auf den Nerv ein leitender Stoff L (naſſes Tuch, Muskelfleiſch, Morcheln,) liegt, und dieß L und der Nerv mittelſt Silber r verbunden wird. Die Kette, Neues Journ. der Phyſ. B. 2. H. 2. S. 124. Nerv. R. L. r. iſt alſo poſitiv. So wie die Lebenskraft der Thiere verſchwindet, ſo wird die vorgenannte Formel negativ, das heißt, alle Zuckungen verſchwinden, bis entweder L heraustritt, oder auf L noch einmal Zink gelegt wird. Die Kette Nerv. R. L. r. muß demnach in die Grundformel () Nerv. R. r, oder in Nerv. R. L. R. r umgeaͤndert werden. Dieſe Erfahrung belehrte mich augenſcheinlich, daß das Nichterfolgen des Reitzes, bey minder lebhaften Thieren, nur von der geminderten Empfaͤnglichkeit des Organs fuͤr den Stimulus herruͤhre, daß der Stimulus ſelbſt aber ſowohl in Nerv. R. L. r. als im Nerv. R. r vorhanden ſey. Da nun der Urſach des Galvanismus auf keinem andern Wege nachgeſpuͤhrt werden kann, als durch ſorgfaͤltige Beobachtung der Verhaͤltniſſe, unter denen die Kette der Metalle reitzt und nicht reitzt; ſo ſehen ſie ſelbſt, lieber B, wie unendlich wichtig es iſt, entweder mit recht lebhaften Individuen zu experimentiren, oder ein Mittel in Haͤnden zu haben, die Empfaͤnglichkeit der thieriſchen Organe zu erhoͤhen. Dieſes Mittel habe ich endlich entdeckt, und ich bin ſtolz darauf, zu geſtehen, daß der lehrreiche Umgang mit dem großen und ſcharfſinnigen Phyſiker, Herrn Aleſſandro Volta, mich zu dieſer Entdeckung veranlaßte. Schon im May dieſes Jahres hatte ich Froͤſche galvaniſirt , deren Muskeln ich mit Saͤuren und deren Nerven ich mit alcaliſchen Aufloͤſungen benetzte. Ich zeichnete in meinen Papieren Verſtaͤrkung der Zuckungen auf, ſchrieb dieſelben aber der alleinigen Anwendung der Saͤuren zu. Herr Volta, deſſen Unterricht ich ſo vieles verdanke, zeigte mir, wie er leitende Subſtanzen, um ihre Leitungskraft zu vermehren, lieber mit Oleum tartari per deliquium, als mit Waſſer befeuchte. Dieſer Umſtand veranlaßte mich, neue Verſuche mit der alcaliſchen Aufloͤſung zu machen. Ich ließ nun die Saͤuren vom Muskel weg und benetzte bloß den Nerven mit Oleum tartari per deliquium. Welche unerwartete Phaͤnomene wurde ich da gewahr! Alle, welche ich Ihnen, lieber B., hier erzaͤhle, ſind nicht etwa von mir allein, wenige Minuten lang, ein oder zweymal, beobachtet worden; nein! alle dieſe Experimente wurden halbe Stunden lang, auf trocknen Glasplatten, vor mehreren Zeugen, die alle Nebenumſtaͤnde vorſichtig pruͤften, an acht, zehn und mehr Individuen angeſtellt. Es bleibt mir daher kein Verdacht der Selbſttaͤuſchung zuruͤck. S. a. a. O. S. 126. Wenn man einen entbloͤßten Nerv mit Oleum tartari befeuchtet, ſo werden zwar beym Galvaniſiren gleich in den erſten Augenblicken die Zuckungen um vieles verſtaͤrkt , in dem Muskel ſelbſt aber geht, (falls er auf einer Glasplatte ſich ſelbſt uͤberlaſſen ruht,) keine ſichtliche Veraͤnderung vor. Nach drey bis vier Minuten aber, beſonders wenn man den Nerv in die Hoͤhe hebt, damit die alcaliſche Aufloͤſung nach der Inſertion des Nerven in den Muskel herablaͤuft, ſieht man Kennzeichen eines fuͤrchterlichen Stimulus. Der Schenkel auf einer bloßen Glasplatte liegend, mit keinem Metall oder kohlenhaltigen Stoffe in Beruͤhrung, geraͤth von ſelbſt in die lebhafteſten Zuckungen. Wadenmuskel und Zehe ſpielten unaufhoͤrlich, und die letzteren ſpannen die Schwimmhaut eines Froſches ſo heftig aus, daß ſie dem Zerreiſſen nahe zu ſeyn ſcheint. Muskeln, aus denen man alle Lebenskraft entwichen glaubte, weil ihr Nerv mit Zink und Silber, oder Zink und Gold keinen Reitz mehr erregte, zuckten heftig mit gleichartigen Metallen, als ihr Nerv mit der alcaliſchen Aufloͤſung getraͤnkt war. Thiere, deren Reitzempfaͤnglichkeit ich durch warme Solutionen von Arſenikkalk vernichtet hatte, zuckten ſogleich lebhaft wieder, als ſie mit dem Oleum tartari beſtrichen wurden. Sie wiſſen, daß ich den galvaniſchen Reitz wirkſam finde, wenn Nerv und Muskel mit gleichartigen Metallen armirt iſt, zwiſchen beiden aber ein heterogenes Metall R liegt, deſſen eine Flaͤche mit einer ausdunſtenden Subſtanz in Beruͤhrung ſteht; daß der Reitz aber ſogleich verſchwindet, wenn Sie die ausduͤnſtende Subſtanz wegnehmen, oder R an beiden Flaͤchen damit belegen. So fand ich es immer bey 50 bis 60 Thieren, an denen ich dieſen Verſuch anſtellte; ſo meldeten es mir andere, welche meine Verſuche wiederhohlten. Benetzen Sie, lieber B., den Nerv mit der alkaliſchen Aufloͤſung, ſo iſt alles anders. Der Reitz erfolgt, die Belegung mit Dampf mag doppelt, einfach oder gar nicht vorhanden ſeyn. Die Faͤlle Ich habe dieſen Verſuch an mir ſelbſt gewagt. Ich ließ meine Schulterwunde mit dem oleum tartari benetzen. Der Schmerz war ſehr gering dabey, aber kaum wurde die benetzte Stelle galvaniſirt, ſo erfolgten heftigere Schlaͤge, ein empfindlicheres Brennen, als ich je vorher erfahren. Die Empfaͤnglichkeit meines Organs war erhoͤht. Eben ſo wollte mein Hauchverſuch, Nerv. R. r. L. R. an der Zunge mir nie deutlich gluͤcken, bis ich die Zunge mit Oleum tartari befeuchtete. In dieſem Zuſtande war die Saͤure mit Zink und Zink ſehr genau wahrzunehmen. Froſch r. R. r. Froſch r. L. R. r. Froſch r. L. R. L. r. ſind dann alle poſitiv. — Beweiſe genug, um zu zeigen, daß das Oleum tartari per deliquium nicht bloß den Nerven reitzt, ſondern auch (was in Brown’s Syſtem freylich fuͤr eins gilt,) ſeine Reitzempfaͤnglichkeit vermehrt. „Stimulant alcalia fibram contractilem (?) et nerveam, ideo evitanda quidem motu febrili, ſpasmis, convulſionibus corpus exagitantibus, fibris nimium tenſis aut irritabilibus, tanta potiora his languentibus aut torpentibus.“ Gmelin appar. medicam. Vol. I. p. 60. auch Cullen Lectures on the Materia medica ed. 2. p. 274. Alle Erſcheinungen, welche ich bisher nur einzeln und ſelten bey den Amphibien beobachten konnte, welche ich aus dem Winterſchlafe erweckte und von beſonderer Reitzempfaͤnglichkeit fand, alle dieſe Erſcheinungen bin ich jetzt im Stande durch die alkaliſche Aufloͤſungen bleibend und wiederhohlt darzuſtellen. Dieſer Umſtand hat mich nun zu folgenden neuen Verſuchen geleitet, deren Reſultate ich Ihnen vor Erſcheinung meiner Schrift in wenigen Zeilen vorlegen will. Sie werden daraus ſehen, wie weit man noch in Aufſammlung von Erfahrungen uͤber den Galvaniſchen Reitz zuruͤck war, wie ſchnell man Theorien auffuͤhrte, die nur von wenigen Factis abſtrahirt waren, unbekuͤmmert, ob es nicht moͤglich ſey, der Natur in dieſem großen Phaͤnomene gruͤndlicher und vollſtaͤndiger nachzuſpuͤhren. Ich unterſcheide zwey Zuſtaͤnde des thieriſchen Organs, den der natuͤrlich hohen oder kuͤnſtlich erhoͤhten, und den der minderen Reitzempfaͤnglichkeit. Daß beide Zuſtaͤnde nicht ſchneidend zu trennen ſind, da hier von Graden die Rede iſt, bedarf keiner Erwaͤhnung. Das obige Beyſpiel im Fall: Froſch r. L. R. L. r. der in einem Zuſtande poſitiv, im andern negativ iſt, rechtfertiget aber allein ſchon jene Eintheilung. Die Reitzempfaͤnglichkeit, welche ich durch Oleum tartari per deliquium, durch Solutionen von fluͤchtigem Laugenſalze, oxygenirte Kochſalzſaͤure und Arſenikkalk hervorbringe, iſt indeß nur ſehr ſelten in gleichem Maaße bey natuͤrlich lebhaften Individuen zu beobachten. I. Im Zuſtande der erhoͤhten Reitzempfaͤnglichkeit habe ich Muskularbewegungen entdeckt: 1) Ohne Metall und kohlenhaltige Stoffe, mit bloß thieriſchen Stoffen. Die Galvaniſche Entdeckung, einen Froſch zu reitzen, indem man ihn ſo praͤparirt, daß Rumpf und Schenkel nur durch den Iſchiadnerven zuſammenhaͤngen, und nun den weißen tendinoͤſen Theil des Wadenmuskels gegen die Bruſt beugt, iſt Ihnen aus meinem Briefe aus Mayland vom 26 Aug. bekannt . Ich ſchrieb Ihnen damals, daß Herr Volta gefunden habe, die Zuckung erfolge nur, wenn die Bruſt mit Blut oder Seife beſtrichen ſey. Aber dieſer Methode erwaͤhne ich hier nicht, ſie erfordert eine beſondere Praͤparation des Thieres und die Bedingung, welche der große Phyſiker hinzufuͤgt, macht das Factum noch verwickelter. Ich habe, ſeit meiner Ruͤckkunft aus Italien, ein Mittel entdeckt, welches unendlich einfach iſt und bey kuͤnſtlich erhoͤhter Empfaͤnglichkeit des Organs, oder bey ſehr lebhaften, aus dem Winterſchlaf erweckten und darauf wohl genaͤhrten Individuen die ſtaͤrkſten Contractionen erregt. Ich lege den Nervus cruralis auf Glas, befeſtige ein Stuͤckchen friſches Muskelfleiſch an einen Griff von Siegellack und bringe es mit dem Nerv und Schenkelmuskel zugleich in Beruͤhrung, ſo entſteht eine lebhafte Zuckung, ſobald die Kette geſchloſſen wird. Eben dieß erfolgt, wenn ich ſtatt des Muskelfleiſches ein abgeſchnittenes Stuͤck Schenkelnerv, N ſelbſt nehme, ſo daß die Kette nur aus zwei Stoffen, Nerv und Muskelfaſer, beſteht. Auch iſt der Reitz ſtaͤrker, wenn N erſt den Schenkel und dann den Nerv, als umgekehrt, beruͤhrt. Wird der Nerv mit der linken Hand gehalten und beruͤhrt ihn ein Stuͤck friſches Muskelfleich M in der Rechten, ſo entſteht ebenfalls ſtarke Muskelbewegung. Sie verſchwindet, wenn M nicht mehr friſch iſt, oder wenn man Horn oder ſcharfkantiges Holz ſtatt M nimmt. Druͤcke ich M und N wieder durch L, wie in den vorigen Formeln aus, ſo iſt hier der Fall: Grens neues Journ. der Phyſ. B. 2. H. 4. S. 473. Froſch. L. poſſitiv, und ein einfacherer moͤchte wohl ſchwerlich je entdeckt werden. Wenn uͤberhaupt ein Fluidum aus dem Nerv in den Muskel ſtroͤmt, um dieſen zum Zuſammenziehen zu reitzen, ſo ſcheint daſſelbe bloß dadurch ſtimulirend zu werden, daß es aus dem Nerven durch einen fremden, (d. i. mit dem Nerven nicht organiſch verbundenen) thieriſchen Stoff in den Nerven zuruͤckkehrt! 2) Mittelſt Metalle oder kohlenhaltige Subſtanzen, und zwar, ohne daß eine kreisfoͤrmige Leitung zwiſchen Muskel und Nerv ſtatt findet, oder mit derſelben, kuͤrzer ausgedruͤckt a) ohne Kette. — Auch dieſer einfache Fall der Reitzung war bisher unbeobachtet und widerſpricht allen bisherigen Hypotheſen. Ich fand zuerſt am 20ſten Nov. daß, wenn der Cruralnerve auf Zink lag, und der Zink, mittelſt Zink, Eiſen, Silber, (nur nicht mittelſt Holz, Horn, oder iſolirende Subſtanzen) in den entfernteſten Punkten beruͤhrt werde, bey jeder Beruͤhrung Zuckungen entſtanden. Dieß Phaͤnomen ſtellte ſich damals ſehr oft vor mehrern Zeugen und anhaltend wieder dar. Alles war mit Glas iſolirt und rein abgetrocknet. Zwiſchen dem Schenkel und dem Zink oder Eiſen, welches ich (mittelſt iſolirender Griffe) in der Hand hielt, war keine Spur von Leitung. Ja! ich legte zwey Cruralnerven auf den Zink, die ſich, ſo wenig als ihre Schenkel, nirgends beruͤhrten, beide Schenkel wurden zum Ueberfluß mittelſt zwey trockner Glastafeln in die Luft empor gehoben, und die Contraction war dennoch in beiden Schenkeln da, ſo oft eine dritte Perſon die Nervenarmatur 4 Zoll vom Punkte ab (wo die Nerven auflagen) mittelſt Zink, Silber oder Eiſen erſchuͤtterte. Ich geſtehe, daß mir dieſe Erſcheinung von allem, was ich bisher noch beym Galvaniſiren geſehen oder daruͤber geleſen, dergeſtalt abzuweichen ſchien, daß ſie mich und die Umſtehenden, wie ein Zauber, in Erſtaunen ſetzte. b) Mit Kette, und zwar in zwey Unterabtheilungen: α) bey homogenen Metallen. So wenig ich im Zuſtande der gewoͤhnlichen, mindern Reitzempfaͤnglichkeit Contractionen bey homogenen Metallen wahrgenommen, ſo gleichguͤltig ſcheint mir nach zweyjaͤhrigen Verſuchen Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Metalle im Zuſtande der erhoͤhten Reitzempfindlichkeit. Homogeneitaͤt beruht nicht auf Gleichartigkeit chemiſcher Beſtandtheile, ſondern darauf, ob ein Metall mehr erwaͤrmt, polirt, gehaͤrtet, anders geformt ſey, als das andere. Niemand hat dieſe Art von Verſuchen zu einer groͤßeren Feinheit gebracht, als der große Phyſiker Volta, deſſen Namen gewiß jeder Naturforſcher mit Verehrung nennt. Aber durch eben dieſe Feinheit iſt es in dem Streite uͤber Homogeneitaͤt endlich ſo weit gekommen, daß a priori einzuſehen iſt, der Skeptiker, welcher Heterogeneitaͤt behauptet, ſey unuͤberwindlich. Ich erzaͤhle daher die einfachen Verſuche, welche ich in dieſer Hinſicht angeſtellt, und bitte Sie lieber B., nur nach der Wahrſcheinlichkeit zu urtheilen, welche ſonſt unſere Schluͤſſe in Gegenſtaͤnden der Phyſik leitet. Ich reinigte Queckſilber ſo ſorgfaͤltig, als es die Vorſchriften der Chemie lehren, ich goß daſſelbe in eine porcellanene Schale, und brachte das ganze Quantum in die Naͤhe des Ofens, um alle Theile eine beſtimmte Temperatur annehmen zu laſſen. Auf der Oberflaͤche des Queckſilbers war kein Staͤubchen, kein Waſſertropfen, keine Oxydation zu bemerken. Sie war ſpiegelnd hell. Vorher hatte ich von einem lebhaften Froſche (der nicht mit Oleum tartari beſtrichen war) den Schenkel abgeloͤſt und an dieſen den Nervus cruralis und ein Buͤndel Muskelfaſern dergeſtalt heraus praͤparirt, daß beide (Nerv und Muskel) zu gleicher Laͤnge herabhiengen. Der Schenkel hieng an zwey ſeidenen Faͤden; traf nun der Nerv allein die Queckſilberflaͤche, ſo erregte der Stoß keinen Reitz; beruͤhrte aber der Muskelbuͤndel mit dem Nerven zugleich die metalliſche Fluͤſſigkeit, ſo erfolgten ſo heftige Zuckungen, daß die Schwimmhaut ſich, wie in einem Anfalle von Tetanus, ausſpannte. Dieſe Zuckungen fehlten nie und waren bey allen Punkten, in denen das Einſenken geſchah, vorhanden. Ich frage nun jeden unpartheyiſchen Leſer, ob das Queckſilber denn in allen Punkten heterogen ſey, ob ich unvorſichtig experimentirt habe? Noch mehr: Nerven von lebhaften Froͤſchen lagen auf Zink; es erfolgten Contractionen, wo ich nur Zink und Nerv mittelſt ein Stuͤckchen Muskelfleiſch L verband. Ja! man kann in ſolchen Faͤllen das L entbehren, man praͤparire Schenkelnerv und Muskelbuͤndel aus einem Schenkel heraus, und lege den Nerv auf Silber. Der Reitz iſt vorhanden, ſobald mittelſt einer Glasroͤhre der Muskelbuͤndel irgendwo an das Silber herangeſchoben wird. In der Linken hielt ich den Cruralnerven, in der Rechten einen Silberdrath, ſo oft dieſer den Muskel leiſe beruͤhrte, erfolgten Zuckungen. Sie blieben gleich heftig, welches Metall ich in der Rechten hielt. Ein Froſchſchenkel war ſo ſehr erſchoͤpft durch 1 [Formel] ſtuͤndiges Galvaniſiren, daß ſelbſt Zink und Silber einen kaum ſichtbaren Reitz hervorbrachten, der Cruralnerv ward in die alkaliſche Aufloͤſung getaucht und nun — nun war mit Zink und Zink die Bewegung ſo heftig, daß der Schenkel [Formel] Zoll weit von der Glasplatte herabflog. So viel von einer Gattung von Verſuchen, auf welche ich vielſtuͤndige Sorgfalt angewandt habe und uͤbergenug, um zu entſcheiden, ob Herr Volta nicht irre, wenn er gegen Aldini behauptet „die Zuſammenziehungen bey homogen geglaubten Metallen ſeyn nur bey ſehr genau und friſchpraͤparirten Froͤſchen, und zufaͤllig unter hundert tauſendmalen kaum einmal ſehr ſchwach wahrzunehmen keinesweges aber mit den kraͤftigen Convulſionen und Stoͤßen zu vergleichen, welche ungleichartige Metalle hervorbringen?“ Grens neues Journ. B. 2. H. 2. S. 157 . β) Bey heterogenen Metallen. Nach wiederhohlten Verſuchen entſtehen Contractionen, bey kuͤnſtlich erhoͤhter Reitzempfaͤnglichkeit, wenn zwiſchen hetrogenen Muskel- und Nervenarmaturen eine thieriſche leitende Subſtanz liegt; wenn zwiſchen homogenen Muskel- und Nervenreitzern ein heterogenes Metall liegt; wenn zwiſchen homogenen Muskel- und Nervenreitzern ein heterogenes Metall liegt, das an einer, oder an beiden Flaͤchen mit einer ausduͤnſtenden Fluͤſſigkeit belegt iſt. II. Im Zuſtande minderer Reitzempfaͤnglichkeit habe ich nur dann Zuckungen beobachtet: a) Wenn heterogene Muskel- und Nervenarmaturen ſich unmittelbar beruͤhren, der gewoͤhnliche Fall. b) Wenn zwiſchen homogenen Muskel- und Nervenreitzern ein hetorogenes Metall liegt, das an einer Flaͤche mit einem ausduͤnſtenden Stoffe belegt iſt; mein ſogenanntes Hauchexperiment. Grens N. Journal B. 2. H. 2. S. 116. Nach der von mir gewaͤhlten analytiſchen Form, laſſen ſich alle vorgenannte Faͤlle durch folgende Formeln ausdruͤcken: Im Zuſtande erhoͤhter Reitzbarkeit ſind poſitiv: Froſch. L. Froſch. R. R. Froſch. R. R. Froſch. R. L. r. Froſch. R. r. R. Froſch. R. L. r. R. Froſch. R. L. r. L. R. Im Zuſtande minderer Reitzbarkeit ſind conſtant: + Froſch. R. r. + Froſch. R. L. r. R. + Froſch. R. L. r. L. r. R. — Froſch. R. R. — Froſch. R. L. r. — Froſch. R. L. r. L. R. So koͤnnen alle bisherigen Erfahrungen in dreyzehen Formeln uͤberſichtlich zuſammengedraͤngt werden, und eine Theorie, welche den Galvaniſchen Reitz erklaͤren ſoll, muß nicht auf einige Faͤlle, ſondern auf alle paſſen. Wer ſich mit der Voltaiſchen Theorie genau bekannt gemacht hat, fuͤhlt von ſelbſt, daß nicht etwa die Erfahrungen von homogenen Metallen (I. 2. b. α.) ſondern die I. 1. ſo wie I. 2. a. und beſonders der poſitive Fall, Froſch R. L. r. L. R., dieſelbe ganz umſtuͤrzen. Die galvaniſchen Beobachtungen haben mir einen neuen Weg eroͤfnet, intereſſante Verſuche uͤber ſpecifike Reitze der irritabelen und ſenſibelen Fiber, uͤber die ſtheniſche und aſtheniſche Kraft chemiſcher Stoffe anzuſtellen. Sie werden eine lange Reihe davon in meiner Schrift finden und gewiß mit mir uͤber das wunderſame Verſchwinden, Wiederkehren und abermalige Verſchwinden der Erregbarkeit erſtaunen. Herr Reil (Archiv der Phyſiologie B. 1. H. 1. S. 94.) hat hieruͤber ſcharfſinnige Muthmaſſungen geaͤußert. Was die Saͤuren fuͤr die Muskelfaſer ſind, ſcheinen mir die Alkalien fuͤr die ſenſible Fiber zu ſeyn. Kochſalzſaͤure auf den Muskel geſtrichen, zeigt mir vermehrten Reitz, auf den Nerven geſtrichen, vernichtet ſie alle Reitzempfaͤnglichkeit. Dieſe kehrt auch nicht zuruͤck, wenn Sie die Saͤure durch alkaliſche Solutionen abzuſtumpfen ſuchen; obgleich das Organ (wie meine neue Entdeckung uͤber oxygenirte Kochſalzſaͤure lehrt) wohl nicht zerſtoͤhrt iſt. Alkaliſche Solutionen, (beſonders das Oleum tartari per deliquium, dem der Spiritus ſalis ammoniaci aquoſus weit nachſteht), bringen matte Froͤſche zu heftigen Zuckungen. Fortgeſetztes Beſtreichen des Nerven mit Alkalien erzeugt, wie bey allen Ueberreitzungen, vollkommene Atonie, nach Brown eine debilitas indirecta. Der uͤberreitzte Nerv zuckt nun auch bey Zink und Gold nicht mehr. Gießen Sie vorſichtig einige Tropfen Kochſalzſaͤure auf den Nerv, ſo entſteht auf demſelben natuͤrlich ein heftiges Brauſen. Die Kohlenſaͤure wird in Blaͤschen unter der Nervenſcheide ſichtbar, ein Theil des Alkali iſt abgeſtumpft — und nun, nun gelingt das Galvaniſiren wieder mit Zink und Zink. Die Reitzempfaͤnglichkeit erſcheint erhoͤhet wieder, ſobald die Menge des auf den Nerven wirkenden Alkali durch die Saͤure gemindert iſt. Vermehren Sie dieſelbe noch einmal, ſo entſteht neue Abſtumpfung des Organs, neue debilitas indirecta; gießen Sie noch einmal Salzſaͤure auf den Nerv, ſo ſtellen Sie, (es iſt mir in Gegenwart des Herrn Dr. von Schallern vollkommen gegluͤckt,) zum zweytenmale die erhoͤhte Reitzempfaͤnglichkeit wieder her. Welch ein wunderſamer Organismus, welche Tenacitaͤt, welche Unzerſtoͤhrbarkeit der ſenſibelen Fiber! Sie erinnern ſich der Entdeckung, welche ich im Winter 1793 uͤber den Einfluß der oxygenirten Kochſalzſaͤure machte . Gemeine Kochſalzſaͤure toͤdtet alle Keimkraft, in reinem Waſſer keimt Lepid. ſativum in 38 Stunden, in dephlogiſtiſirter Salzſaͤure in 6 bis 7 Stunden. Vor wenigen Tagen iſt es mir gegluͤckt, wiederhohlt zu ſehen, wie analog die oxygenirte Kochſalzſaͤure auch auf die thieriſche Organiſation wirkt. Ich ließ zwey an ſich ſchwache Froſchſchenkel durch ſiebenſtuͤndiges Galvaniſiren ermatten. Sie zuckten nur ſchwach, wenn Silber am Muskel, und Zink am Nerv lag, gar nicht wenn das Silber den Zink und Nerv verband. Mit Waſſer beſtrichen blieben die Erſcheinungen ſich gleich; mit oxygenirter Kochſalzſaͤure aber den Nerv benetzt, erfolgten ſogleich lebhafte Contractionen, als das Silber zum Leiter zwiſchen Zink und Nerv diente. Daß, wie bey den Pflanzen, nur der aus der Saͤure ſich entwickelnde Sauerſtoff die Reitzempfaͤnglichkeit mehrte, ſchien mir daraus zu folgen, daß die Vermehrung nur in den naͤchſten zehn Minuten merkbar war, nachher aber eine Atonie entſtand, welche durch alkaliſche Baͤder nicht zu heben war. Die Fluͤſſigkeit wuͤrkte nun als gemeine Kochſalzſaͤure. Dagegen — und das ſcheint mir ſehr wichtig — erfolgen neue Convulſionen, wenn man einen Froſchſchenkel, den eine warme Arſenikalaufloͤſung bis zur voͤlligen Abſtumpfung uͤberreitzt hat, zwey Minuten lang in Oleum tartari taucht. Die Reitzempfaͤnglichkeit des Nerven wird voͤllig dadurch hergeſtellt. — — Flora Fribergenſis. S. 156. Im December 1795.