Ueber die gereitzte Muſkelfaſer, aus einem Briefe an Herrn Hofrath Blumenbach vom Herrn Oberbergrath F. A. von Humboldt. Ihre guͤtige Aufforderung, meine vielfachen Verſuche uͤber die Irritabilitaͤt der Thiere endlich einmal oͤffentlich bekannt zu machen, hat mich veranlaßt, was ich in den lezten drey Jahren daruͤber aufzeichnete, zu ſammeln und in ein Ganzes umzuſchmelzen. Der ſtete Wechſel meines Aufenthalts, zu dem mich meine oͤffentliche Lage veranlaßt, und das Umherziehen in Gebirgen, wo Buͤcher und wiſſenſchaftlicher Umgang fehlen, hat mich manches fuͤr neu anſehen laſſen, was es nun nicht mehr iſt, da Zufall oder Forſchungsgeiſt andere Phyſiker auf denſelben Weg leiteten. Herrn Pfaffs neueſte trefliche Schrift, uͤber thieriſche Electricitaͤt. Leipzig 1795, hat mich, am Ziele meiner Arbeit, veranlaßt, ſie noch einmal gänzlich umzuformen. Vergleichen Sie ſelbſt, lieber B., was ich Ihnen im April von meinem Manuſcripte ſchickte, mit Herrn Pfaffs Verſuchen, und Sie werden ſehen, wie wunderſam ſich zwey Menſchen begegnen, die an ſo entfernten Orten in der phyſiologiſchen Unterſuchung fortſchritten. So ehrenvoll dieſes Begegnen auch fuͤr mich iſt, ſo pflichtwidrig ſchien es mir, dem Publicum einerley Materialien in verſchiedenen Formen vorzulegen. Es kommt hier auf Erweiterung der Wiſſenſchaft, nicht auf eine elende Prioritaͤt der Ideen an. Ich mache es mir daher zum Geſetz, nur das in meine Schrift uͤberzutragen, was ich nach ſtrenger (nicht ohne Aufopferung angeſtellter) Pruͤfung noch fuͤr neu halte, oder was aͤltere Verſuche auf eine erweiternde Art beſtaͤtigte. Dieſe Schrift wird unter dem Titel: Phyſiologiſche Verſuche uͤber gereitzte Nerven und Muskelfaſern mit allgemeinen Betrachtungen uͤber die Natur des Thier- und Pflanzenkoͤrpers, erſcheinen. Mein Hauptzweck dabey war, durch Abaͤnderung der Verſuche der Urſach des Metallreitzes nachzuſpuͤhren. Ich glaube hier einen Schritt weiter geruͤckt zu ſeyn, und empfehle Ihnen einen Hauptverſuch, der mich zu vielen andern, ſehr lehrreichen Verſuchen geleitet hat. Wenn Muskel und Nerv mit gleichartigen Reitzern (z. B. mit Zink) bewafnet ſind, ſo entſteht keine Zuckung, wenn auch Silber auf der Nervenarmatur liegt und man mittelſt des Zinks den Muskel und dieß Silber verbindet. Geben Sie dem Silber aber auf einer Seite eine Belegung mit dem Hauch Ihres Mundes, gießen Sie einen Tropfen Waſſer, Saͤure, Alkohol u. ſ. f. darauf, ſo iſt die Zuckung augenblicklich da. Eben ſo koͤnnen Sie die Lebenskraft des Thiers erwecken und nicht erwecken, wenn Sie in der zirkelfoͤrmigen Kette Nerv, Gold, Zink, Gold und Muskel verbinden, und der Zink bald benetzt, bald unbenetzt iſt. Das wirkende Metall (hier Zink, im erſten Fall Silber) muß ſchlechterdings mit einem feuchten leitenden Koͤrper in Verbindung ſtehen. Liegt es zwiſchen zwey Reitzern, (zwey Metallen, Kohle, Graphit,) iſt die Kette z. B. Nerve, Gold, Zink, Silber, Gold, Muskel, ſo erfolgen keine Zuckungen beym Unterbrechen oder Schließen derſelben. Dieſe Verſuche ſind nie fehlend, wenn ſie mit Genauigkeit und Feinheit angeſtellt werden. Ich habe ſie in Gegenwart ſo vieler Perſonen und ſo oft wiederholt, daß ich keck behaupten kann, ſie mißlingen nur dann, wenn der Zink, oder das Silber, (wenn man ſie trocken waͤhnte,) vom duͤnnſten Hauche bedeckt iſt. Statt die Reitzer zu benetzen, kann man (wenn z. B. Zink auf der goldenen Armatur des Nerven liegt) auf dieſen Zink ein Stuͤck friſches Muskelfleiſch von 2 bis 3 Kubiklinien legen. Verbinden Sie dieß, mittelſt Gold, mit dem Froſchſchenkel, ſo iſt der heftigſte Reiz vorhanden . In dem Stuͤckchen Muskelfleiſch ſelbſt iſt aber keine Zuckung, wenn es auch einen ſichtbaren eigenen Nerven hat. Sie erfolgt erſt (mit dem Froſchſchenkel gleichzeitig,) wenn das Gold den Schenkel, das Muskelfleiſch und den Zink zugleich beruͤhrt. Aufmerkſame Leſer werden dieſe Verſuche nicht mit der Ableitung durch Zink, welche Herr Pfaff ſo lehrreich beſchreibt, verwechſeln. S. Ueber thieriſche Electricitaͤt, Leipzig 1795. S. 17. Hier, denk ich, ſind wir auf einem viel verſprechenden Wege. Hier wirken feuchtes Muskelfleiſch, Saͤure, Alkohol, Morchel, Hauch, wohl nicht als bloße leitende Subſtanzen. Von ihrer Beruͤhrung mit dem Metalle haͤngt alles ab; ſie ſind als die excitirenden Stoffe anzuſehen, von denen alles ausgeht. Mit dieſem Kardinalverſuch treten wir dem Weſen des Galvanismus naͤher. Der ausduͤnſtende Nerv und der ausduͤnſtende Schenkelmuskel liegen an gleichartigen Metallen an. Es erfolgt kein Reiz. Unbelebte Subſtanzen, die faſt nichts mit einander gemein haben, als Leichtigkeit des Uebergangs vom tropfbaren Zuſtande in den gasartigen, unbelebte Subſtanzen treten in die Kette. Sie liegen an einem Reitzer, der von jenen am Nerv und Muskel verſchieden iſt. Nun erfolgt Schlag, wie wenn + E und — E ſich verbinden, nun iſt die Zuckung augenblicklich da. Alſo iſt das bey Verdampfungen allgegenwaͤrtige, nur von der Inſel der antiphlogiſtiſchen Chemie verbannte, electriſche Fluidum hier wirkend? Electricitaͤt ſelbſt wohl ſchwerlich, aber vielleicht etwas, was der gefrornen Fenſterſcheibe, dem Nordlichte, dem Electrophor, dem Magnete, dem Sonnenlichte u. ſ. f. gemein iſt. Ich beruͤhre dieſen Punkt ungern, ehe ich nicht alle meine Verſuche im Zuſammenhange darſtelle. Wenn unſere ſogenannten phyſikaliſchen Verſuche immer weniger zeigen, als der fromme Wunſch des Theoretikers heiſcht, ſo laͤßt der Galvaniſche Verſuch auch den ungebildetſten fuͤhlen, daß mehr in ihm liegt, als in der duͤrftigen Erklaͤrung der Lombardiſchen Phyſiologen. In allem, was ſich auf den Mechanismus der vegetabiliſchen und animaliſchen Organiſation, auf Leben bezieht, iſt es immer ſchon viel zu ſagen: hierin liegt es, damit haͤngt es zuſammen. Was es iſt, moͤchte wohl ſchwerlich jemals ganz erklaͤrt werden. Man weiß, daß die Erſcheinung des Regenbogens, weil ſie auf conſtruirbaren Begriffen beruht, faſt die einzige in der ganzen Phyſik iſt, welche vollkommen erklaͤrt wird, und man ſucht eine Analyſe des Lebens eben ſo, wie man das Radical der Kochſalzſaͤure ſucht! Wenn ich beym Metallreitz im zerſchnittenen Iſchiadiſchen Nerven bey jeder Zuckung von Nerv zu Nervenende Funken uͤberſtroͤhmen ſaͤhe, wenn das Bennetſche Electroſop deutlich + E anzeigte, ſo ließe meine Logik mich doch nicht ſchließen: was im Nerven ſtroͤhmt, was, von der Willenskraft gelenkt, den Muskel regt, ſey Electricitaͤt ſelbſt. Es kann ja E mit anderen unbekannten Stoffen x und y verbunden ſeyn, x und y koͤnnen die einzig wirkenden, E bloß die concommittirende Kraft ſeyn. Electricitaͤt macht nur rege, was der lebendigen Nervenfaſer eigen iſt. — — Verſuche an Menſchen ſind ſchwer anzuſtellen, weil das Subjective unſerer Phantaſie ſich hinein miſcht. Doch ſind ſie gerade die intereſſanteſten, am wenigſten erforſchten. Ich habe Gelegenheit gehabt, eine Reihe ſehr auffallender an mir ſelbſt zu ſammeln. Es kommt dabey nur auf Entbloͤßung vom Nerven an, die ich mir bey zufaͤlligen und vorſezlich erregten oder unterhaltenen Wunden verſchafte. Ich muß Ihnen hier nur eines Verſuchs erwaͤhnen: ich ließ mir zwey Blaſenpflaſter, den Muſc. Trapez. und Deltoid. bedeckend legen, und fuͤhlte bey der Beruͤhrung mit Zink und Silber ein heftiges, ſchmerzhaftes Pochen, ja der Muſcul. cucullar. ſchwoll maͤchtig auf, ſo daß ſich ſeine Zuckungen aufwaͤrts bis ans Hinterhauptbein und die Stachelfortſaͤtze des Ruͤckenwirbelbeins fortpflanzten. Eine Beruͤhrung mit Silber gab mir 3 bis 4 einfache Schlaͤge, die ich deutlich unterſchied. Froͤſche huͤpften auf meinem Ruͤcken, wenn ihr Nerv auch gar nicht den Zink unmittelbar beruͤhrte, einen halben Zoll von demſelben ablag und nur vom Silber getroffen wurde. Meine Wunde diente zum Leiter, und (das iſt ſehr wichtig) ich empfand nichts dabey. Meine rechte Schulter war bisher am meiſten gereitzt. Sie ſchmerzte heftig, und die durch den Reitz haͤufiger herbeygelockte lymphatiſche ſeroͤſe Feuchtigkeit war roth gefaͤrbt und wie bey boͤsartigen Geſchwuͤren ſo ſcharf geworden, daß ſie (wo ſie den Ruͤcken herablief,) denſelben in Striemen entzuͤndete. Dies Phaͤnomen, welches Herr von Schallern, ein kenntnißvoller hieſiger Arzt, beobachtete, war zu auffallend, um es nicht behutſam noch einmal zu beobachten. Der Verſuch gluͤckte. Die Wunde meiner linken Schulter war noch mit ungefaͤrbter Feuchtigkeit gefuͤllt. Ich ließ mich auch dort ſtaͤrker mit den Metallen reitzen, und in 4 Minuten war heftiger Schmerz, Entzuͤndung, Roͤthe und Striemen da. Der Ruͤcken ſah, rein abgewaſchen, mehrere Stunden wie der eines Gaſſenlaͤufers aus! Wer moͤchte hier nicht, lieber B., Ihrer ſcharfſinnigen Theorie uͤber die vita propria der Gefaͤße gedenken? Der heftigſte Reitz fuͤr Empfindung und (um mit Soͤmmering zu reden) Spannkraft zugleich ſcheint das Galvaniſche Zinklavement zu ſeyn, wobey die Muskeln am After gereizt werden. Froͤſche ohne Kopf thun dabey 5 bis 6 Zoll weite Saͤtze; einen Vogel, der nicht mehr athmete, auf mechaniſchen Reitz unempfindlich war, habe ich dadurch zu heftigem Schlagen mit den Fluͤgeln gebracht, welche fortdauerten, da ihn der Zink nicht mehr beruͤhrte. Die Zunge wird dabey durch einen Metallſtreifen gleichſam verlaͤngert, und in eine Gegend geleitet, in die ſie ſich ſonſt nicht verirrt, und von der die Natur ſie ſo vorſichtig entfernt hat! Morcheln, alle drey Arten, die man mit dieſen Namen belegt, Phallus eſculentus, Helvella mitra und H. ſulcata Willd. Flor. Ber. n. 1758. ferner Agaricus campeſtris, A. clypeatus, Thaelaephora glabra, alle Schwammarten, welche gefault einen cadavroͤſen Geruch von ſich geben, zeichnen ſich beym Metallreitz wunderſam aus. Sie ſind vollkommnere Leiter, als andere feuchte Subſtanzen, ja ſie ſind es durch ihre eigenthuͤmliche Lymphe, durch den Organismus ihrer (Muskel.?) Faſer. Die filzige ſammtartige Oberflaͤche der friſchen Morcheln, auf Wolle trocken gerieben, leitet. Eben ſo Morcheln, die in Aſche leiſe gedoͤrrt ſind, waͤhrend daß Pflanzenblaͤtter und Stengel nicht leiten. Erinnern Sie ſich meiner chemiſchen Verſuche uͤber die Schwaͤmme, welche meiner Flora freibergenſia ſubterranea angehaͤngt ſind? Die Analogie zwiſchen Schwaͤmmen und thieriſchen Subſtanzen iſt auffallend. Deshalb ſind Schwaͤmme aber weder Thiere noch Thierprodukte. Ich habe zwey neue Excitateurs gefunden, mit deren chemiſchen Analyſe ich noch beſchaͤftigt bin, und die mir ſchon darum intereſſant ſcheinen, weil ſie ſich an die vorigen Entdeckungen anſchließen. Auf einer unſerer Nailaer Gruben, der Oberen Mordlau Fundgrube zu Steeben, bricht auf einem maͤchtigen Gange (ein uranfaͤnglicher Thonſchiefer) lydiſcher Stein mit dichtem und faſrigem braunen Eiſenſtein, Quarz, Arſenikalkies und etwas faſrigem Malachit. So aͤußerſt auffallend dieß Vorkommen des Lydiſchen Steins auf Gaͤngen iſt, ſo iſt es das Foſſil ſelbſt auch wegen ſeiner chemiſchen Miſchung. Es faͤrbt auf den Kluͤften ab, und enthaͤlt eine betraͤchtliche Menge (mineraliſchen) Kohlenſtoffs. Ich habe Schwefelleber daraus bereitet, Salpeter damit verpuffen laſſen, aͤtzendes vegetabiliſches Laugenſalz in kohlenſaures verwandelt. Ich wurde darauf aufmerkſam, da mein gepulverter (wahrſcheinlich feuchter) lydiſcher Stein unter dem pneumatiſchen Apparate kohlenſaures Gas mit etwas Waſſerſtoffgas umhuͤllt, eine Art Hydrogene peſant, gab. Dieſer lydiſche Stein nun erregt als Nervenarmatur die heftigſten Zuckungen mit Gold und Zink. Er reitzt am meiſten auf den Kluͤften, oft aber auch an Stellen, wo der Graphit ſehr innig gemengt ſeyn muß. Er verhaͤlt ſich dabey eben ſo ſonderbar, als die bald reitzende, bald nicht reitzende Pflanzenkohle. Ich habe Stellen geſehen, die keine Zuckungen gaben und wenn ſie gleich abfaͤrbten. Hier mag alles auf einer feinen Umhuͤllung der Stoffe beruhen. Auch Alaun und Vitriolſchiefer (ein Lager im Urtrapp oder uranfaͤnglichen Gruͤnſtein bey Bernek ) excitiren wie die Metalle. So wird die lebendige Nervenfaſer gleichſam ein Mittel chemiſche Beſtandtheile der Stoffe vorherzuſagen. So haben wir den Nerv als Anthrakoſcop, ſo wie es Hygroſcope und Electroſcope giebt, die aber alle neben dem Kohlenſtoff, neben dem Waſſer und neben der Electricitaͤt leider! noch manches andere mit anzeigen. Herrn Reils geiſtreiche Abhandlung de irritabilitatis notione, natura et morbis hat mich zu manchem wichtigen Verſuche geleitet. Solche Schriften gehoͤren unter die ſeltenen Erſcheinungen, deren unſer Jahrzehend bedarf. Was in der ſchoͤnen Abhandlung uͤber das Gehirn (in Grens Neuem Journal. B. 1. 1795. S. 113.) uͤber ſenſibele Atmoſphaͤren gemuthmaßt wird, glaube ich an meine Verſuche auſchließen zu koͤnnen. Ich fand bereits vor zwey Jahren, daß, wenn ein Nerv zerſchnitten wird, man die Enden deſſelben um 1 — [Formel] Pariſer Linien von einander entfernen kann. Das unbekannte Fluidum G ſtroͤhmt doch uͤber, wenn nur das abgeſchnittene getrennte Nervenende und der Schenkel gehoͤrig armirt ſind. Ja, ich habe einigemal ſehr deutlich den Reitz erfolgen ſehen, als ich mit der ſilbernen Pincette nicht das Nervenſtuͤck, welches noch mit dem Muskel verbunden bleibt, ſondern das getrennte mit Zink armirte beruͤhrte. Ich habe deutlich (und vorſichtige Maͤnner mit mir) beobachtet, wie mit abnehmender Lebenskraft der ſenſible Wirkungskreis (der Name Atmoſphaͤre iſt wohl zu hypothetiſch,) von [Formel] Linie bie [Formel] Linie abnahm, wie endlich, um noch zu reitzen, Beruͤhrung oder Wiedervereinigung der Nervenenden noͤthig war. Die vermeinten Oſtiola der Nervenbuͤndel brauchen (weil ſie nicht da ſind,) einander nicht gegenuͤber zu liegen, ſondern jeder Nerv verbreitet, gleich einem magnetiſchen Stabe, einen Wirkungskreis um ſich, der ſich durch eine punktirte Linie von 1 bis [Formel] Linien Abſtand vom Nerven angeben laͤßt. Kommt ein anderes Nervenſtuͤck innerhalb dieſer Graͤnze, ſo iſt die Zuckung augenblicklich da. Dieſer Verſuch iſt fuͤr die Phyſiologie, welche bisher immer Nerven brauchte, wo die Zootomie ſie nicht finden lehrte, wichtig. Ich habe ihn in- und außerhalb Deutſchland auf meinen Reiſen ſo vielen Perſonen gezeigt, auf Glastafeln ſo behutſam angeſtellt, daß hiebey keine Taͤuſchung moͤglich war. Fuͤr diejenigen, welche einwenden, der Nerv laſſe Feuchtigkeit ausfließen und dieſe Feuchtigkeit verbinde die zerſchnittenen Nervenſtuͤcke, flicke ſie gleichſam, (ſo wie ich ſie wirklich mit kahlen Rattenſchwaͤnzen, gekochtem Schinken, Maͤuſeembryonen und Morcheln auf 5 bis 6 Zoll gluͤcklich geflickt habe,) merke ich an: daß ich zweymal, da der Nerv mit Zink armirt und der dem Froſch zugebrachte Fuß der ſilbernen Pincette mit 2 bis 3 Kubiklinien friſchem Muskelfleiſch umwickelt war, ſehr lebhafte Zuckungen erregt habe, indem ich mich mit dieſer Pincette dem Froſche irgendwo auf [Formel] Linie nahete. Es ſah wie ein Anblaſen aus, und hier troͤpfelte nichts herab, wenigſtens kein Nervenſaft, den gewiſſe Menſchen, (wie den Sauerſtoff und Stickſtoff) gern in Pillenſchachteln und Glaͤſern einfach dargeſtellt haͤtten. Daß aber etwas Materielles von einem Nervenende ins andere, oder (wie im lezten Verſuche) vom Muskelfleiſch an der Pincette in den Schenkel uͤbergieng, leugne ich nicht. Wie waͤre ſonſt eine Wirkung par diſtance denkbar? Die Annahme gasfoͤrmiger Ausſtroͤhmung iſt aber dem Einwurf, als habe die naſſe Glasplatte das unbekannte Fluidum G von Nerv zu Nerv geleitet, voͤllig entgegen. Der Verſuch mit der Pincette ſcheint nur bey auffallend lebhaften Individuen zu gelingen. Er ſah einem Zauber aͤhnlich und ich kann nie ohne Wohlgefallen an ihn zuruͤckdenken. Der unbewickelte Theil der Pincette leitete nicht par diſtance. Eben ſo wenig thun es Morcheln und andere nicht animaliſchbelebte Subſtanzen. Ein Nerv erregte keine Zuckungen, wenn er auf [Formel] Linie nur von der mit Gold armirten Morchel entfernt lag, ſelbſt wenn ich Oel zwiſchen Morchel und Nervenende goß. Daß in allen dieſen Dingen ein gelingender Verſuch mehr entſcheidet, als zwoͤlf nicht gelingende, daran, lieber B., darf ich Sie nicht erinnern. Eine ziemlich allgemein verbreitete, ſehr nahrhafte Fluͤſſigkeit, deren Beſitz man neuerdings einem Queckſilberkalche abſtreiten wollte, ſollte uns bey jedem Athemzuge daran erinnern. Ich habe das Experiment uͤber das Nichtwirken der Morchel in der Ferne eine volle Stunde lang fortgeſezt, und doch werde ich jedem glauben, der mir ſagt, er habe die Morchel in der Ferne wirken ſehen. Der Galvaniſche Verſuch gelingt, ohne daß ſich Metall auf Metall bewegt. Ich habe den Reitz eintreten ſehen, da Muskelfleiſch, l, auf der Zinkarmatur des Nerven lag (verſteht ſich, daß derſelbe das Muskelfleiſch nicht beruͤhrte,) indem ich l und den Wadenmuskel des Froſches mit Silber verband. Dieſer Fall tritt aber auch nur bey einigen lebhaften Thieren ein. Erfolgt die Zuckung nicht (und dieß iſt fuͤr die Urſach des Metallreitzes aufklaͤrend,) ſo lege man Gold oder Silber auf jenes Muskelfleiſch l, und beruͤhre dieß Gold oder Silber mit der Pincette. Nun wird der Reitz auch bey mattern Froͤſchen ſich zeigen! Ich habe eine Reihe von Verſuchen uͤber abwechſelnde Ketten von leitenden und reitzenden Stoffen angeſtellt, und glaube, daß man auf dieſem Wege zu fruchtbaren Reſultaten, gelangen koͤnne. Ich habe verſucht, ſie durch allgemeine Zeichen, wie analytiſche Gleichungen, auszudruͤcken, und bin dadurch auf folgende uͤberſichtliche Saͤtze gefallen. R R mag gleichartige Reitzer, Gold und Gold, Kohle und Kohle, bezeichnen, eben ſo r und r. Dagegen druͤckt R und r eine Verbindung ungleichartiger Metalle, von Zink und Silber, Bley und Eiſen aus. Iſt L jede nicht excitirende, leitende Subſtanz, ſo iſt die Formel fuͤr den gewoͤhnlichen Fall, wo die Nervenarmatur von Zink die Silberarmatur des Muskels beruͤhrt, folgende: Froſch R. r. liegt der Froſchnerv nicht unmittelbar auf R, ſondern iſt zwiſchen ihm und dem Zink ein Stuͤck Morchel, ſo heißt die Formel: Froſch. L. R. r. Auf die Weiſe ſind der poſitiven Faͤlle, wo Reitz erfolgt, drey: 1. Froſch. R. r. 2. Froſch. R. L. r. 3. Froſch. R. r. L. R. Der zweyte Fall iſt nur bey lebhaften Froͤſchen poſitiv, verdient aber ſchlechterdings aufgefuͤhrt zu werden. Der dritte Fall iſt der Kardinalverſuch, wo gleichartige Nerven, und Muskelarmaturen nur dann wirken, wenn ein heterogenes Metall r dazwiſchen mit einer feuchten Subſtanz L (Hauch, Waſſer, Morchel,) in Verbindung ſteht. Negative Faͤlle, wo keine Zuckungen erfolgen, ſind zwey: 1. Froſch. R. R. 2. Froſch. R. r. R. Bey nicht ſehr lebhaften Individuen iſt die Formel: Froſch. R. L. r. wo ſich Metall und Metall nicht unmittelbar beruͤhren, auch negativ. Der zuſammengeſezten Ketten, als: 1. Froſch. R. L. r. L. r. 2. Froſch. R. r. R. r. R. 3. Froſch. R. L. R. wovon der erſte poſitiv, die lezten negativ ſind, erwaͤhne ich nicht, da es hier nur gleichſam auf einfache Grundformeln ankommt. Eben ſo uͤbergehe ich fuͤr jezt meine vielfachen Verſuche mit Inſekten und warmbluͤtigen Thieren; die Verſtaͤrkung der Zuckungen durch gleichzeitige Anwendung von Saͤuren und Metallreiz; eine Methode, durch Schlaͤge auf Zink dem Golde eine Faͤhigkeit zu geben, mit Gold zu reitzen, und zwar in Punkten, wo der Zink das Gold nicht beruͤhrt hat, ein Galvaniſiren der Metalle, wie man durch Beruͤhrung magnetiſirt; das Ausſtroͤhmen durch Spitzen, Beſtreichen der Leiter mit Graphit; die Wirkung irreſpirabler Gasarten u. ſ. f. Ich werde alle dieſe Verſuche waͤhrend meines Aufenthalts in den Schweizer- und Lombardiſchen Alpen, (wohin ich in wenigen Tagen abgehe,) von neuem wiederholen. Je ſpaͤter ich ſie bekannt mache, deſto mehr Thatſachen darf ich hoffen, ſicher aufſtellen zu koͤnnen. So wenig Muße mir auch meine Geſchaͤfte als praktiſchem Bergmann uͤbrig ließen, ſo glaube ich doch, alle meine Kraͤfte aufgeboten zu haben, um neue und lehrreiche Reſultate zu erforſchen. Moͤgen meine Bemuͤhungen um Wahrheit nicht fruchtlos geweſen ſeyn, moͤge das Publikum dieſen phyſiologiſchen Verſuchen nur einen Theil der Aufmerkſamkeit ſchenken, deren es meine fruͤhern mineralogiſchen und botaniſchen Arbeiten in ſo reichem Maaße gewuͤrdigt hat! In der Schrift ſelbſt werde ich die Thatſachen ſelbſt von meinen Vermuthungen trennen. Dieſe Art, Naturerſcheinungen zu behandeln, ſcheint mir am fruchtbarſten und gruͤndlichſten zu ſeyn. Thatſachen ſtehen feſt, wenn das fluͤchtig aufgefuͤhrte theoretiſche Lehrgebaͤude laͤngſt eingeſtuͤrzt iſt. Auch ſagt ein großer Mann, der neuern gelehrten Zeitgenoſſen uͤberſetzt werden muͤßte, um ihn im modiſchen Gewande wieder aufſtehen zu laſſen, ſo treflich: „Alius error eſt praematura atque proterua reductio doctrinarum in artes atque methodos, quod cum fit plerumque ſcientia aut parum creſcit aut nil proficit. Quamdiu enim in aphorismos et obſervationes ſpargitur, creſcere poteſt et exſurgere, ſed methodis ſemel circumſcripta et concluſa, expoliri forſan aut ad uſus homanos edolari poteſt, non autem porro mole augeri.“ Baco Verulam. de augm. ſcient. Lib. I. — — — Im Junius 1795. Humboldt, der Juͤngere. Nachſchrift. Erſt jezt finde ich in der ſo ungemein reichhaltigen Schrift des Herrn Pfaff S. 368. einen Verſuch, der meinem oben erzaͤhlten Kardinalverſuche (der Belegung mit Hauch) nahe zu kommen ſcheint, aber doch weſentlich von ihm verſchieden iſt. Der ſcharfſinnige Verfaſſer legte Zink auf die Silberarmatur des Nerven, verband dieſen Zink mittelſt eines naſſen Schwammſtuͤckchens mit der Nervenarmatur und erregte nun lebhafte Zuckungen, wenn er den Zink unmittelbar mit der Silberarmatur des Muskels beruͤhrte. Hier war Herr Pfaff auf vollem Wege zu meiner Beobachtung zu gelangen. Sein S. 368 erzaͤhlter Verſuch iſt aber weſentlich von dem der Belegung mit Hauch verſchieden. Denn 1) reducirt der Verfaſſer den ſeinigen auf den bekannten Fall, wo ein Excitator ein Schwammſtuͤckchen bewafnet, das mit dem Nerven durch ein beliebiges Metall in Verbindung ſteht. Er haͤlt fuͤr nothwendig, daß das Schwammſtuͤckchen zwiſchen dem Zink und Nervenexcitator liegt. In meinem Verſuche wird Zink unmittelbar auf die Silberarmatur des Nerven gelegt, behauchen Sie nun die obere Seite des Zinks, ſo entſteht keine neue Verbindung zwiſchen demſelben und der Nervenarmatur, der Zink iſt feſt und trocken auf derſelben aufgedruͤckt, und die lebhafteſte Zuckung iſt doch da. Wiſchen ſie den leiſen Hauch Ihres Mundes von der obern Seite des Zinks ab, ſo verſchwindet augenblicklich aller Reitz. 2) Glaubt der Verfaſſer die Muskelarmatur muͤſſe den Zink ſelbſt beruͤhren. Aber wenn Sie einen Tropfen Alkohol auf den Zink (der auf der Silberarmatur den Nerven liegt,) fallen laſſen, ſo braucht der Muskelreitzer nur dieſen Tropfen zu beruͤhren, nicht das Metall, um die Zuckung zu erregen. Eben ſo wird bloß Morchel, Schwammſtuͤck, Muskelfleiſch, Seife, (welche leitende Subſtanz Sie auch auf den Zink legen moͤgen) beruͤhrt, um zu reitzen. Es ſcheint ſogar, und dieſe Vorſtellung iſt wichtig, weil ſie das unbegreiflich Feine meines Verſuchs zeigt, es ſcheint ſogar als waͤre bey der Belegung mit thieriſchem Hauche die Zuckung ſchon da, wenn der Muskelreitzer den Hauch und noch nicht den darunter liegenden Zink beruͤhrt. Wenigſtens iſt dieß dem vorigen analog. So iſt demnach der von Herrn Pfaff erzaͤhlte Verſuch von dem meinigen weſentlich verſchieden. So wie mich gluͤckliche Combinationen mehrere Monathe fruͤher, als Herrn Pfaffs Buch erſchien, auf jene Entdeckung leiteten, eben ſo iſt er vielleicht jezt ſchon ſelbſt darauf gefallen und es wuͤrde mich unendlich freuen, mich hierin von neuem mit dieſem geiſtreichen Manne, dem die Lehre vom Metallreitz ſo vieles verdankt, zu begegnen. Bey den Verſuchen, die ich an mir ſelbſt bey Blaſenpflaſtern oder andern Wunden gemacht, habe ich deutliche, wenn gleich ſchwache, Zuckungen nach oben empfunden. Dieſe Erſcheinung wird durch die neueſten Beobachtungen von Scarpa beſtaͤtigt. S. deſſen Tabulae nevrologicae ad illuſtr. hiſt. anatom. cardiacorum nervorum. Ticini 1794. pag. 6. not. o. Humboldt.