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Alexander von Humboldt: „Ueber Grubenwetter und die Verbreitung des Kohlenstoffs in geognostischer Hinsicht“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1795-Ueber_Grubenwetter_und-1> [abgerufen am 04.10.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1795-Ueber_Grubenwetter_und-1
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Titel Ueber Grubenwetter und die Verbreitung des Kohlenstoffs in geognostischer Hinsicht
Jahr 1795
Ort Helmstedt
Nachweis
in: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst und Manufakturen 12:2:8 (1795), S. 99–119.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.42
Dateiname: 1795-Ueber_Grubenwetter_und-1
Statistiken
Seitenanzahl: 21
Zeichenanzahl: 30774
Bilddigitalisate

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Ueber Grubenwetter und die Verbreitung desKohlenſtoffs in geognoſtiſcher Hinſicht.(Aus einem Briefe an Hrn. Prof. Lampadius vonHrn. F. A. v. Humboldt.)


So wenig ich auch geſtimmt bin, meine erſt ſeitfuͤnf Jahren ununterbrochen fortgeſetzten geognoſti-ſchen Beobachtungen zu vereinzeln, und in ihrerjetzigen Unreife bekannt zu machen; ſo kann ichdoch, nach ſo langem oͤffentlichen Stillſchweigen, demWunſche nicht widerſtehn, mich mit Ihnen uͤber Ihreſcharfſinnigen chemiſchen Bemerkungen, (im N. Bergm.Journal B. 1. S. 79.) zu unterhalten. Ich freuemich unendlich, daß ein Mann von Ihrem Talenteſich an die Unterſuchung unſrer Wetter macht. Ineinem Gebirge arbeitend, wo der Mangel derſelben mirſo oft das Fahren erſchwert, wo die irreſpirablen Gasarten und Mangel des Lichtſtoffs rachi-tiſche Knochen bey Grubengaͤngen hervorbringen, binich mit mannigfaltigen Verſuchen daruͤber beſchaͤftigt |100| geweſen. Wenn es lehrreich iſt, in der Geognoſiezu lernen, wie die Natur einfache Foßilien gemengthat; ſo gehoͤrte es wohl auch zu einer Naturbeſchrei-bung, die Miſchungen und Umhuͤllungen zu cha-rakteriſiren, in denen reines und geſchwefeltes Waſſer-ſtoffgas, Stickluft, kohlenſaures Gas u. ſ. f. im In-nern der Erde vorkommen. Von dieſen Umhuͤl-lungen aber haͤngt die Ausfuͤhrbarkeit wichtiger prak-tiſcher Vorrichtungen, Durchſchlaͤge, Fortbetrieb einesOrts, Unwirkſamkeit einer Wettermaſchine ꝛc. ab.Wer nur die einfachen Gasarten unſrer Laboratorienkennt, ſcheitert in der Diagnoſe unſrer Grubenwetter,wie der Geognoſt an innig gemengtem Gruͤnſtein oderSyenitſchiefer. An dieſen Umhuͤllungen liegt es, war-um ſich das Waſſerſtoffgas an der Firſte ſo ſchwer entzuͤn-den laͤßt, warum die Kohlenſaͤure im hydrogene pe-ſant ſich auf ausgeſetztem Kalkwaſſer oft nicht nieder-ſchlagen will, warum, (wie ich ſchon in Hrn. Sche-rers antiphl. Chemie des Mayow angemerkt,) Haͤu-er athmen, wo kein Grubenlicht mehr brennt. Hr. Fourcroy hat uns in ſeiner meiſterhaften Philoſo-phie chymique die Aufloͤſung eines Metalls, desArſeniks, in Waſſerſtoffgas kennen gelehrt. Ich aͤuſ-ſerte dieſe Vermuthungen ſchon fruͤher durch den gas-foͤrmigen Zuſtand des Schwefels im geſchwefelten Waſ-ſerſtoffgaſe, durch die toͤdtende Wirkung gewiſſer nichtſchlagender Wetter, und hauptſaͤchlich durch die Be-obachtung gewiſſer Gangdruſen darauf geleitet, indenen die Erze von einer Seite, wie angehaucht, alsNiederſchlaͤge aus gasartigen Solutionen, erſcheinen.In der dephlogiſtiſirten ſalzſauren Luft ſehen wir ja |101| vor unſern Augen feſte Koͤrper, (wie die reine Kohledes Diamants,) luftfoͤrmig werden, und aus demLuftzuſtande zuſammengerinnen. Hat Hr. Lichten-berg in ſeinen trefflichen geologiſchen Phantaſien zumScherz, wie im Ernſt weiland Anaximenes, nichtſchon Granit und Gneuß aus der Luft herabhagelnlaſſen. Ja! Sie ſollen naͤchſtens in Hrn. Grens Journal etwas geognoſtiſches uͤber Hagelkoͤrner leſen,die ich mit ſechsſeitigen, 3 Linien langen, Tafeln,(vollkommene Schwerſpathkryſtalliſation,) beſetzt fand.So muͤſſen Chemie, Phyſik und Geognoſie ſich dieHaͤnde bieten. Doch, ich kehre zu den Wettern zuruͤck! Wennich Verſuchen trauen darf, die ich vor zwey Jahrenuͤber die Wetter eines alten halbzerbrochenen Stollensanſtellte, ſo loͤſt das Waſſerſtoffgas auch das Eiſenauf. Ich konnte zur Wiederholung der Verſuche nach-mals mir nicht dieſelben Wetter wieder verſchaffen;denn es iſt intereſſant, obgleich widrig fuͤr den unter-ſuchenden Chemiſten, zu ſehen, wie in einer Firſte,auf einer Strecke, im Vorgeſuͤmpfe eines Schach-tes, von Tage zu Tage die Natur der Grubenwetterſich aͤndert. Ich habe oft ſagen hoͤren, unſre Wetterſeyen Stickluft, brennbare Luft u. ſ. f. Das iſtſehr bequem zu glauben, noch bequemer zu ſagen.Man bezeichnete ja ehmals auch Granit, Glimmer-ſchiefer, Sienit, Gneuß mit dem Nahmen einer Ge-birgsart. Jetzt unterſcheidet man dieſe Gemenge, undſo wird man nach und nach auch die Gemiſche der un-terirdiſchen Gasarten zu zerlegen wiſſen. Hydroge- |102| ne peſant finde ich freylich am weiteſten verbreitet,aber ſelbſt dies in welchen Abaͤnderungen, in welcherVerſchiedenheit der ſpecif. Schwere der Waͤrmeleitungdes Nachtheils fuͤr Reſpiration und Grubenlicht! Manglaube ja nicht, das quantitative Verhaͤltniß des Ge-miſches ſey daran Schuld. Dies widerlegen meineſynthetiſchen Gegenverſuche in wohl calibrirten Gefaͤſ-ſen. Aber ein Minimum von Stickſtoffgas, von ge-ſchwefelten Waſſerſtoffgas mit Kohlenſaͤure verbunden,und wer weiß welche andre feſte Koͤrper, (die mannoch nicht abzuſcheiden, ihres Waͤrmeſtoffs, und da-mit ihrer Elaſticitaͤt, zu berauben verſteht,) ſcheinendie ſonderbarſten Umhuͤllungen ſonſt bekannter Stoffezu veranlaſſen. Leider wird in den bisherigen chemi-ſchen Schriften von den Grubenwettern, wie von derAtmoſphaͤre des Doͤrfel oder der Mondalpen geur-theilt; und doch behaupte ich, iſt ihre feinſte Ana-lyſe unendlich wichtig fuͤr das Menſchengeſchlecht,wichtig fuͤr den praktiſchen Theil unſers Metiers.Dieſe Analyſe wird auf ſehr einfache chemiſche Gegen-mittel fuͤhren. Ohne dieſelbe wird man beym Wet-terwechſel ſtehen bleiben, und (wie ich ſelbſt ge-ſehn) verdorbene Luft durch verdorbene Luft weg-blaſen. Daß die unterirdiſchen Pflanzen die Grubenzim-merung zerſtoͤhren iſt bekannt genug; aber ſie habennoch einen andern weſentlichen Nachtheil. Viele vonihnen, (wie mich ſchon bekannt gemachte Verſuche ge-lehrt haben,) hauchen ununterbrochen, (ſie kennenja keine Abwechſelung der Jahrs- und Tageszeit, |103| genießen ewiger Fruͤhlingsnacht!) hauchen, ſag’ ich,ununterbrochen Waſſerſtoffgas aus. Sie zerſetzen dasWaſſer unendlich ſchnell, aſſimiliren vielleicht den einenBeſtandtheil deſſelben, das Oxygene ihrer durch dieſeAnhaͤufung weißen Fiber, und geben den andernBeſtandtheil von ſich. So bereiten ſich dieſe ſonder-baren Pflanzengattungen eine eigene, ſie umhuͤllende,Atmoſphaͤre, und nur in dieſer gedeihen ſie: dennunter Glocken mit Lebensluft fand ich, daß ihnen derReiz dieſer Gasart eben ſo ſchaͤdlich, als der des Son-nenlichts iſt. Ich kann aus der Erfahrung meinerRefier zeigen, wie ſehr wetternoͤthige Gruben ſich dieWetter dadurch verbeſſern, daß ich die nicht ſoſchnell wiederwachſenden Byſſusarten von Thuͤrſtoͤcken,Kappen und Stempeln abziehen laſſe. Dieſe Arbeitiſt aͤußerſt einfach, und geht ſehr ſchnell von ſtatten.Warum iſt man nicht uͤberall aufmerkſam darauf? Jedem unſrer gemeinſten Bergleute iſt bekannt,daß, wo Waſſerkluͤfte angehauen werden, meiſt fri-ſchere Wetter erfolgen. Die gewoͤhnliche Erklaͤrungs-art dieſer Erſcheinung iſt die, daß das kohlenſaureGas durch die Grubenwaſſer abſorbirt werde. SolcheAbſorption findet zwar nach meinen Verſuchen wohlbeym Gießen des Waſſers in wetternoͤthige SchaͤchteStatt, ſelten aber bey ruhig fließenden Waſſern! Die-ſe wirken auf eine ganz andere, weniger unterſuchteArt. Sie verbeſſern die Luft, auch wo die Wetterden groͤßten Antheil vom Hydrogene haben. Sie hau-chen Lebensluft aus, und eben dieſe wohlthaͤtige Waſ-ſerzerſetzung iſt es, welche der vegetationsar- |104| men Meeresflaͤche eine ſo reine, den vegetations-armen Sandwuͤſten eine ſo irreſpirable Luft giebt.Waſſerſtoffgas, welches in Glocken uͤber oft erneuer-tes Waſſer ſtand, iſt nur zwar oft theilweiſe in Knall-luft verwandelt worden, aber nur theilweiſe. Die Na-tur muß noch durch andere mir unbekannte Mittel dieWaſſerzerſetzung im Innern der Gebirge befoͤrdern. Ich habe das Gießen des Waſſers in Schaͤchtetrefflich wirken ſehn, wo das Hydrogene peſant ſehrleicht war, d. h. wo der brennbaren Luft wenig fixebeygemiſcht war. Was iſt das? Hier ſcheint das Waſ-ſer blos mechaniſch, durch Stoß, durch Verdraͤngen,durch Befoͤrderung des Wetterwechſels zu wirken.Eben ſo das Buſchen mit Tannenreiſern, welches aufunſrer Wunſiedler-Refier ſehr gebraͤuchlich iſt. Ich erwaͤhne noch einmal der Umhuͤllungen, derunerkannten Geſetze, nach denen gemengte Gasartenſich gegenſeitig etwas von ihren Eigenſchaften rauben!Ich fragte ſchon in meinen Aphorismis ex doctri-na phyſiologiae chemicae plantarum, wie Stickſtoffund Sauerſtoffgas bey ungleichen ſpecifiſchen Gewich-ten ſich in einem niveau in der Atmoſphaͤre erhaltenkoͤnnten; warum das eine nicht gegen die wogendeOberflaͤche unſers Luftmeers emporſteige? In der Gru-be erneuert ſich mir dieſe Frage taͤglich. Warum ziehtdas gas hydrogene, mit ſo wenig Kohlenſaͤure um-huͤllt, nicht zu den Schaͤchten hinaus, warum fandich es in ziemlicher Reinheit bisweilen nahe am Fuͤll-orte? Warum, ich rede als Augenzeuge, warum |105| ſtehen die Wetter, im eigentlichen Sinne des Worts,als Gewoͤlk oft nur auf einem Theile der Stollſohle,warum ſetzen ſie ſich nicht in ein niveau mit den um-gebenden? Gießen Sie in Ihr Zimmer 5 — 6 Bou-teillen brennbares Gas aus, ſo vertheilt es ſich gleich-maͤßig an die Decke. Schuͤtten Sie kohlenſaures Gasaus, ſo lagert es ſich in die Tiefe, miſcht ſich mit derFeuchtigkeit Ihrer Stubenluft; Sie koͤnnen nicht ſa-gen: hier iſt Kohlenſaͤure, dort Waſſerſtoffgas; allesiſt im niveau, alles gleichmaͤßig vertheilt. Ganzanders iſt es im Innern der Erde. Auf einer Soh-le ſtehen verſchiedenartige Wetter, (getrennt wie Wol-ken von + E und — E), bald unſichtbar, wie alleGasarten, bald Licht reflektirend, und von milchigemAnſehn mit deutlichen Conturen. — Wir Menſchen,die wir auf dem Boden eines Luftmeers wohnen, deſ-ſen Tiefe wir nicht kennen, uͤber deſſen Spiegel wirnicht den Kopf herausſtrecken koͤnnen; wir haſchennach den Wolken uͤber uns, da wir den unterirdiſchenHimmel ſo nahe haben. Wenn es in dieſem auchnicht hagelt und ſchneit, ſo koͤnnen wir doch Nebel,Thau und Winde, (Wetterwechſel, der ſchlech-terdings nicht vom Drucke der aͤußern Atmoſphaͤ-re abhaͤngen kann,) ja ſelbſt ein toͤdtendes Wetter-leuchten in ihm wahrnehmen! Es giebt ſchlagendeWetter, die ſchlechterdings nur elektriſchen Erſcheinun-gen zuzuſchreiben ſind, Gasarten, die ſich in den Gru-ben von ſelbſt entzuͤnden, und wenn ſie auch nichtdonnern, doch, (wie ich ſelbſt vernahm,) ziſchendbrennen. Moͤgte ich durch dieſe geringfuͤgigen Be-trachtungen die Aufmerkſamkeit arbeitender Phyſiker |106| auf die Kultur eines ſo unterhaltenden, fuͤr Wohl-ſtand und Leben des Menſchengeſchlechts ſo unendlichwichtigen, Feldes heften koͤnnen! Moͤgte ich ſie her-abziehen, wie de Luͤc und Lichtenberg ſie aufwaͤrts, in die Regionen der Wolken, ziehen.Die Natur kennt kein oben und unten. Alles im be-weglichen Elemente iſt gegenwirkend und miſchend.Laſſen Sie uns den Boden der großen Retorte mitdem vergleichen, was im Halſe gegen die Vorlageaufſteigt! In England haben mir alte verſtaͤndige Bergleuteerzaͤhlt, daß es in Kohlengruben oft ihr Rettungs-mittel ſey, wenn boͤſe Wetter ſich waͤhrend der Schichtvor den Streb oder die Strecke gelagert haben, undihnen das Ausfahren erſchweren, Urin auf’s Schnupf-tuch zu laſſen, und dieſes vor den Mund zu hal-ten. *) Auch auf deutſchen Kohlengruben weiß manvon dieſem wirkſamen Gegenmittel, und man mußeinen hohen Begriff von dem vollendeten Zuſtande un-ſers chemiſchen und phyſiologiſchen Wiſſens haben,wenn man ſolche Erfahrungen laͤugnen will, weil manihren Grund nicht einſieht. Aus einem Schachte, in
*) Kaͤmpfer in den Amoenitat. erzaͤhlt: daß menſchlicheExcremente ein wirkſames Nahrungsmittel gegenden Gift des Boa Upas ſey. In den Kriegen mitden Javanern baten die verwundeten und vergifte-ten Hollaͤnder ihre Mitfechter waͤhrend des Streitens,ihnen dieſe Speiſe zu ſchenken. S. die Zuſaͤtze zumeiner franzoͤſiſchen Ueberſetzung der Thunbergi-ſchen Abhandlung de arbore Macaſſarienſi.
|107| welchem gebuſcht wurde, um die boͤſen Wetter zu ver-treiben, ſtiegen dieſelben unſichtbar auf, und lagertenſich neben die Hangebank. Man konnte ſich hier demRundbaume nicht mehr auf 5 — 6 Fuß nahen, undich, wie die Umſtehenden alle, empfanden nicht Be-aͤngſtigung, aber ein Schneiden im Unterleibe. DiesSchneiden und Zuſammenziehen dauerte aber nur ſolange, als wir mit den toͤdlichen Grubenwettern inBeruͤhrung zu ſtehen ſchienen. Ueber die Wirkungder irreſpirablen Gasarten habe ich noch vor wenigenTagen recht deutliche Erfahrungen an mir ſelbſt an-ſtellen koͤnnen. Ich hatte auf der Fuͤrſtenzeche Folgezu Goldersnach ein abgelegenes Ort, ein 2 Lr zuruͤckvom Ortſtoß, verblenden laſſen. Die Blende warmit Lehm genau lutirt, und hinter derſelben mußte al-tes Grubenholz einige Monathe lang faulen. Siekoͤnnen denken, welche Wetter ſich da bildeten. Alsich mit Hrn. Killinger, einem kenntnißvollen jungenManne, mit dem ich den Verſuch anſtellte, die Blen-de ſammt der Lutirung abriß, erloͤſchten ſogleich unſreGrubenlichter. Das Thermometer ſtand kurz vorherauf 11° Reaum. Ich kroch nun mit Hrn. Killin-ger auf das faule Holz. Wir ließen die Blende hin-ter uns ſchließen. Die Beaͤngſtigung, die wir fuͤhl-ten, war ſehr groß; bey jedem Athemzuge ſpuͤrtenwir einen ſonderbaren Reiz in der Lunge, ein unna-tuͤrliches Stechen und Prickeln; wir friſteten uns dieReſpiration dadurch, daß wir Bouteillen mit Lebens-luft oͤffneten, und in die Naͤhe des Mundes hielten.Sehr merkwuͤrdig war hiebey, daß die Lebensluft nur mit großer Muͤhe aus den Bouteillen entweichen |108| wollte. Die boͤſen, ſchweren, unmiſchbaren Wetterhielten ſie ſo zuruͤck, daß nur wenige Kubikzolle ent-wichen; und welche Wohlthat waren uns nicht ſchondieſe! Stellte ſich die Beaͤngſtigung wieder ein, ſopochten wir an die Blende, ließen uns friſche Gefaͤßemit Lebensluft hereinreichen, jedesmal aber genau hin-ter uns verſchließen. Alle Bouteillen leerten ſich aberſo wenig, daß wir nach 35 Minuten zwar ohne großeMuͤhe Licht vor Ort fuͤhren konnten, ein Spahn inden Bouteillen, (als ſie ſchon am Fuͤllort ſtanden,)ſich aber noch mit Glanz entzuͤndete. Den eigentli-chen Gegenſtand dieſes Verſuchs, der mich, trotz derdamit verbundenen Gefahr, noch lange beſchaͤftigenſoll, beruͤhre ich hier nur im Voruͤbergehn. Ich magnicht Reſultate bekannt machen, die noch nicht genaunach Maaß und Zaͤhlverhaͤltniſſen eruirt ſind. Ichglaube aber auf einem Wege zu ſeyn, auf dem manſich auf eine wohlfeile Weiſe 1) Wetter, wo ſiefuͤr die Lunge nicht fehlen, fuͤrs Licht *) 2) wo
*) Man glaube ja nicht, die Temperatur der Gruben-luft richte ſich nach der der aͤußern Atmoſphaͤre,und werde die verſchiedene Waͤrmeleiterkraft derunterirdiſchen Gasarten modificirt. Meine vierJahr lang fortgeſetzten Thermometer-Beobachtun-gen zeigen gerade das Gegentheil. Man ſieht Waͤr-me und Kaͤlte in der Grube entſtehen, ohne daßdie obere Luft ſich aͤndert, oder vor Monathen,(denn das Fortpflanzen der Temperatur geht ſonſtlangſam,) ſich geaͤndert hat. Die Urſachen dieſerVeraͤnderungen liegen meiſt in den Grubenwetternſelbſt, in denen ſich Thau und Nebel bilden, indenen die Elektricitaͤt eine große Rolle ſpielt, in
|109| ſie fuͤr Lunge und Licht fehlen, (man unterſchiedſonſt dieſe praktiſch-wichtigen Faͤlle gar nicht,) fuͤrbeyde verſchaffen kann.

denen ununterbrochen, (wie in der uͤberirdiſchenWolkenregion,) Stoffe aus dem luftfoͤrmigen Zu-ſtande in den tropfbaren, und umgekehrt, uͤbergehn,in denen Waͤrmeſtoff gebunden und entbunden wird.Geht eine ſolche partielle Veraͤnderung in der un-terirdiſchen Temperatur vor, ſo entſtehen eigneWinde, Luftbewegungen, welche durch die Naturdes Grubenbaus ſonderbar modificirt werden, unddem gewoͤhnlichen Wetterwechſel, (der von außenkommt,) oft entgegen ſtroͤhmen. Es iſt ſehr lehr-reich, die Temperatur der ſehr verdorbenen Wet-ter, (in der das Gefuͤhl von Hitze oft blos ſubjek-tive Urſachen hat,) zu unterſuchen. Da kein Gru-benlicht frey darin brennt, ſo iſt die Schwierigkeit,nach dem Thermometer zu ſehen, dabey ſehr groß.Verſuche haben mich jetzt eine ſehr einfache Metho-de gelehrt, nach der ich mich nicht ohne Erfolg injede nicht ſchlagende Wetter mit dem Thermometertief hineinwagen kann. Man halte das Gruben-licht in der Rechten, und eine Bouteille Lebensluft,umgekehrt, mit dem Halſe, einen Zoll uͤber demLichte in der Linken, ſo wirft das Licht einen wei-ten Schein, in dem genau am Thermometer zubeobachten iſt. Eine ſolche Bouteille kann, (ohneTrichter mit Waſſer, ohne alle Vorrichtung,) aufdie Weiſe uͤber eine halbe Stunde abwechſelnd ge-braucht werden. Die Lebensluft ergießt ſich ſehrlangſam, und man kann die Bouteillen ohne großeVorſicht leicht umhertragen. Auffallend iſt dasAnhaͤngen der Lebensluft an die Kohle des Lichts.Wenn ich mein erloͤſchendes Grubenlicht in der Bou-teille angeſteckt, brennt es nur 3-4 Minuten fern
|110| Wenn Oerter ſchwunghaft ins Feld gebracht wer-den ſollen, um vorliegende Mittel bald auszurichten,eine Geſenke zu loͤſen, mit einem vorgeſchlagenen Licht-loch durchſchlaͤgig zu werden, ſo macht, wie jedempraktiſchen Bergmanne bekannt iſt, Wetterman-gel ein Lachtergedinge, oft von 15 Thlr. auf 35ſteigen. Ja, der Betrieb wird oft ſo gehindert,daß man in einem Jahre kaum 8 — 10 Lr., ſtatt40 — 50 Lr. auffaͤhrt. Iſt der Ort ein Stollort,wollen wohlverſpindetes Tragewerk, von Grubenpflan-zen gereinigte Zimmerung, ſelbſt koſtbare Wetterma-ſchinen nicht mehr wirken, ſo muß man ſich zur Ab-ſenkung eines Lichtſchachts entſchließen, deſſen Nieder-bringen, (bisweilen mit Kunſtgezeuge oder Feuerma-ſchinen,) 2, 3 bis 5000 Thaler koſten kann. Zuallen dieſen Ausgaben noͤthigt Wettermangel; ſo theuerbezahlt man ein paar Kubikzoll Lebensluft, welche ein Menſch vor Ort mit einem Lichte braucht, umes in kohlenſaures Gas zu verwandeln! Unter ſol-chen Verhaͤltniſſen kann ein koſtbares chemiſches Mit-tel ſchon praktiſch nuͤtzlich ſeyn! Es iſt unbegreiflich,daß man auch nicht einmal vergebliche Verſuche dar-uͤber angeſtellt hat. Das Mittel, Grubenlichte brennen zu laſſen,wo Menſchen noch athmen, und jetzt im Finſtern ihre
von derſelben fort. Um recht genau zu beobach-ten, mißt man uͤber Tage bey empfindlichen Ther-mometern, wie viel Zoll man ſich der Scale nahenkoͤnne, ohne das Queckſilber \( \frac{1}{2} \) Lin. ſteigen zu laſ-ſen. Danach werden dann Correktionstafeln be-rechnet. —
|111| Schichten (langſam, gezaͤhverderbend) verfahren, iſtſehr einfach. Es beruht in einem einfachen Aufſatze,der als Pfropf auf jede Bouteille paßt, und wo Waſ-ſer eintroͤpfelt, indem Lebensluft durch ein gekruͤmm-tes Rohr ausſtroͤmt. Wichtiger iſt der Fall von Durch-ſchlaͤgen, wo Reſpiration und Brennen zugleich ge-hemmt iſt. Hier tritt eine Kunſt ein, die uͤber Tageſehr verrufen iſt, das Wettermachen. Man ver-blendet die Strecke 1 Lr. zuruͤck vom Ortſtoß, umſich friſche Wetter zu erhalten, nicht wie die altenMaſchinen thun, ſie vor den Haͤuer vorbeyzujagen.Wie aber dieſe Verblendung geſchieht, wie ſie beymSchießen vor Ort hinweggenommen, wie ſie mit Le-bensluft gefuͤllt, wie der einfaͤltigſte Steiger dazu ab-gerichtet werden kann, uͤbergehe ich fuͤr jetzt noch.Ich brauche Ihnen hier nur die Moͤglichkeit zu zeigen:und daß meine Lage mich einigermaßen beurtheilenlaͤßt, was Spekulation bleiben muß, was praktiſchgeleiſtet werden kann, das glauben Sie mir gern.Ein Objekt, welches die Erſparung von Tauſenden,und, (was wichtiger fuͤr den Menſchen iſt,) die Ge-ſundheit unſers arbeitſamen Bergvolks betrifft, ver-dient wohl ernſthafter Nachforſchung. Ich werde michfreuen, durch dieſe Blaͤtter auch bey Andern einigeneue Ideen erregt zu haben, und mich nicht um eineKlaſſe von Menſchen kuͤmmern, die ihrem prakti-ſchen Anſehn zu ſchaden glauben, wenn ſie in derGrube von Sauerſtoff, Sprengpulver aus uͤberſau-rem Kochſalze, oder der (Zimmerung verderbenden)Reſpiration der unterirdiſchen Pflanzen reden.
|112| Ihre Entdeckung des Kohlenſtoffs in der Horn-blende iſt mir ſehr wichtig geweſen; und ich zweiflenicht, daß es Kohlenſaͤure hauptſaͤchlich ſeyn mag,welche die Scharfenberger Wetter, die ich noch nieanalyſirte, ſo beaͤngſtigend macht. Das Verfahrender Schichten im Finſtern, das Athmen von Men-ſchen in Gegenden, wo kein Licht brennt, ſcheinthauptſaͤchlich auf der Abweſenheit der Kohlenſaͤure zuberuhen. Brennbares und kohlenſaures Gas verhin-dern beyde in gleichem Maaße das Fortbrennen desLichts. Aber eine ſehr geringe Quantitaͤt Sauerſtoff-gas dem Waſſerſtoffgaſe beygemiſcht, macht letzteresathembar, waͤhrend daß dieſelbe Quantitaͤt dem koh-lenſauren Gas beygeſellt, in Athmen kaum merkbarwird. Ich habe, um dieſe meine Vermuthung zu be-ſtaͤtigen, Gemiſche ſolcher Gasarten, (die ich bey mei-nen Verſuchen uͤber Pflanzen-Phyſiologie ſo oft be-reiten muß,) durch Roͤhren eingeathmet, und mit Er-ſtaunen geſehn, welche Menge Hydrogene man ohneGefahr einziehn koͤnne. Dagegen erregt kohlenſau-res Gas, unter Lebensluft gemiſcht, beaͤngſtigende,ermattende Empfindungen. Nichts toͤdtet die Reiz-barkeit ſo unwiederbringlich an Pflanzen und Thieren;ich nehme den Scarabaeus fimetarius, S. vernalis und die Coccinella bipunctata, (mit der ich ein-zelne Verſuche anſtellte,) etwa aus, als dieſe Luft-art. S. meine Flor. Fribergenſis, 1793.S. 169. Welche treffliche Gelegenheit werden Sie,ſcharfſinniger Mann, nicht haben, in einem ſo groſ-ſen Refier, wie das Freyberger, die ſchaͤdlichſten Wet-ter zu analyſiren; welche neue einfache Gasarten, |113| welche gemiſchte, welche feſte Stoffe, gasfoͤrmig auf-geloͤſt, laſſen ſich da nicht erwarten? Und verdient ſoeine Zerlegung nicht neben der eines Foßils zu ſtehn?Auch ſind ja Luftgemiſch und Gebirgsmaſſe Theile un-ſers Erd-Sphaͤroids, nur der eine mit mehr, derandere mit weniger gebundenem *) Waͤrmeſtoffe. Woiſt Grenze von Fluͤſſigem zum Feſten! Ich ſagte vorher, ich faͤnde hydrogene peſant am weiteſten in den untern Luftregionen verbreitet.Eben dieſe Beobachtung leitete mich auf Aufſuchungdes Kohlenſtoffs in Foßilien, denen man ihn ſonſtnicht zuſchrieb. Ich ſtellte dieſe Verſuche, wie Freun-de bezeugen koͤnnen, ſchon ſeit einem Jahre an, woll-te ſie aber nicht einzeln bekannt machen. Hier nurſo viel: In dem nordoͤſtlichen Theile unſers Fichtel-gebirges, das aus uranfaͤnglichen Thonſchiefer mitaufgeſetztem uranfaͤnglichem Gruͤnſtein beſteht, iſt dasverrufene Foßil, (Lydiſcher Stein,) welches gewiſſe,ſonſt treffliche, Geognoſten fuͤr gar nicht anſte-
*) Daß ich weit davon entfernt bin, das große Phaͤ-nomen der Liquiditaͤt dem Waͤrmeſtoffe allein zu-zuſchreiben, daruͤber habe ich mich bereits an einemandern Orte, in dem chemiſchen Verſuche uͤber dieSalzwerkskunde, (Bergm. Journ. 92. St. 1. S.98.) geaͤußert. Auch freue ich mich, was ich dortuͤber Verduͤnſtung und Verdampfung, wie uͤber den geheimen Proceß, der das Waſſer dem Hy-grometer entzieht, (S. 21.) entwickelte, durchHrn. Zylius treffliche Preisſchrift, Pruͤfung derneuen Theorie vom Regen, Berlin 1795,beſtaͤtigt zu ſehn.
|114| hend halten, in großen Maſſen anſtehend. Eskommt daſelbſt auf Lagern her, 3, 5 mit 50° gegenN. W. einſchießend, und, (vielleicht nicht einzig in Deutſchland, aber bisher unbeobachtet,) auf maͤchti-gen flachen Gaͤngen in dem Nailaer Revier vor. Esbricht auf dem letztern meiſt am Hangenden einer Ku-pfererz- und Eiſenſteinformation, und iſt theilweiſeſo abfaͤrbend, daß unſere Steebner Bergleute oft wieKohlenbergleute ausſehen. Dieſes abfaͤrbende Pulver,welches der Lydiſche Stein hier an den Kluͤften zeigt,womit er zum Theil innig gemengt iſt, iſt nichts an-ders, als Kohlenſtoff. Ich behandelte das feuchtepulveriſirte Foßil im pneumatiſchen Apparat, und er-hielt ein Gemenge von kohlenſaurer und brennbarerLuft. Die erſtere ließ ſich durch Kalkwaſſer abwa-ſchen. Die vielen Verſuche, welche ich uͤber die Ur-ſachen des Metallreizes an Thieren anſtellte, brachtenmich, im Experimentiren mit vielen Foßilien, auchwieder auf dieſen Lydiſchen Stein. Wie ſtark er dieNerven reizt, finden Sie in dem kleinen Aufſatze uͤberein lebendiges Anthrakoscop. *) Ich trat nun zueiner genauern Analyſe. Maͤßig getrockneter Lydi-ſcher Stein gab kohlenſaures Gas, ſo lange als im Gluͤ-hen die atmoſphaͤriſche Luft das gepuͤlverte Foßil beruͤhr-te. Der geringe Antheil brennbarer Luft war aus demWaſſer, welches jedem hygroſcopiſchen Stoffe anhaͤngt,leicht erklaͤrbar. Mit aͤtzendem Pflanzenlaugenſalzeim offenen Scherben gegluͤht, wurde das letztere koh-lengeſaͤuert. Mit Salpeter gemengt entſtand ein Ver-
*) S. chem. Ann. J. 1795. B. 2. S. 3. ff.
|115| puffen, und theilweiſe eine Zerlegung des Salpeters.Mehr Beweiſe fuͤr die Exiſtenz des Kohlenſtoffs indieſem Lydiſchen Steine brauche ich Ihnen wohl nichtzu geben. Ich bediene mich mit Fleiß des Ausdrucks,Kohlenſtoffs, nicht des jetzt uͤblichern Graphits; denndie letztere Subſtanz iſt mit Kohlenſtoff ſo wenig gleich-bedeutend, als Kohlenſtoff und Kohle. Weit davonentfernt, zu behaupten, daß aller Lydiſche Steinſolche Beſtandtheile habe, weil ich ſie im Steebnerfand, merke ich indeß an, daß auch ſolche Theile desFoßils, die nicht abfaͤrben, und wo der Kohlenſtoffalſo ſehr innig gemengt ſeyn muß, den Salpeter,obgleich in geringerem Maaße, verpuffen, und, (denndas iſt Wirkung einer Urſache!) den IſchiadiſchenFroſchnerven Zuckungen erregen ließen.
Hr. Senebier, glaube ich, machte die erſtenVerſuche uͤber Verderbung der atmoſphaͤriſchen Luftdurch Beruͤhrung des Kohlenſtaubes bey niedriger Tem-peratur. Hr. Berthollet wiederholte dieſelben, undreihete ſeine Idee einer legere Combuſtion, einesSchwarzwerdens der Pflanzenſtoffe in der Lebensluftdaran an. Bey meinen phyſiologiſchen Verſuchen uͤberdie Gasarten werde ich oft darauf zuruͤckgefuͤhrt. Ichſah weißes Tannenholz bey 5 — 6 ° R. unter meinenKlocken mit Lebensluft erſt ſchwitzen, und dann, wenndas entſtandene Waſſer herabtraͤufelte, ſich flammigſchwaͤrzen. Das Hydrogene verband ſich zuerſt mitdem Sauerſtoffe der umgebenden Luft, und der vomHydrogene nun enthuͤllte, mit Erde gemengte, |116| Kohlenſtoff, *) zeigte ſich nun in ſeiner natuͤrlichenSchwaͤrze. Ja ich fand noch mehr; die freyliegendeKohle zerſetzte ſich nochmals, und in 4 — 5 Tagenwar das Sauerſtoffgas unter der Klocke mit kohlen-ſaurem Gas verunreinigt. Sie bemerken dies deut-lich, wenn Sie aͤtzendes Alkali neben den Spanſetzen. **) Unbegreiflich, wie man dieſe Verbindung, wel-che der Carbon mit dem Oxigene bey der niedrigſtenTemperatur uͤber 0° eingeht, ſo lange uͤberſah, wieman bey Beantwortung der Einwuͤrfe gegen das an-tiphlogiſtiſche Syſtem ſich immer um dieſen Punkt imKreiſe drehte! Und doch iſt dieſe Verbindung, dieſeEntſtehung von kohlenſaurem Gas ohne Athmen undBrennen, (erſteres iſt gleichſam ein lebendiges Bren-nen,) eine wichtige aufklaͤrende Thatſache fuͤr die un-terirdiſche Meteorologie, deren Grundzuͤgeich hier entwerfe.
*) Beruht das Schwarzwerden weißer Menſchenge-ſichte in der Sonne nicht auf aͤhnlicher Enthuͤl-lung, auf einer leichten Verkohlung, wenn diesWort naͤmlich Freywerden der Kohle anzeigt?**) Ich muß hier dem ſcharfſinnigen Verf. des Aufſaz-zes uͤber Saͤuerung (chem. Ann. 95. St. 3. S. 241.)direkte widerſprechen. Derſelbe haͤlt die Verbin-dung der Lebensluft mit Kohlenſtoff, ohne Hitze,fuͤr eine Hypotheſe der Antiphlogiſtiker. Sieiſt aber eine Thatſache, die ich oft beobachtet,und die man nur darum ſo ſelten angefuͤhrt findet,weil die Analyſe gemengter Gasarten gewoͤhnlichſehr ungenau angeſtellt wird.
|117| Die Menge der fixen Luft, welche ſich in denmeiſten Gruben, beſonders in Kohlengruben, *) aufStrecken findet, wo ſeit Jahren nicht Menſchen ath-men, nicht Grubenholz fault, oder Lichter brennen,laͤßt ſich ſchoͤn daraus erklaͤren. Hier braucht mannicht zu erhoͤhter Temperatur, zu brennenden Stein-kohlenfloͤtzen, (welche die Mineralogen ja ohnediesſchon zu Entſtehung der poroͤſen Trappformation con-ſumiren,) ſeine Zuflucht nehmen. Auch die boͤſenWetter, welche zwey unſerer Gruben, Obere Mordlau Folge, und Huͤlfe Gottes Folge, auf Nailaer Revier bisweilen in ihren ſo verkruͤppel-ten Firſtenbauen leiden, ſcheint mir dem Einfluſſe je-nes kohlenſtoffhaltigen Lydiſchen Steins zuzuſchreibenzu ſeyn! Seitdem man weiß, daß der Kohlenſtoff keinePraͤexiſtenz von Pflanzen oder eine athmende Thier-welt vorausſetzt, wird das Vorkommen deſſelben in uranfaͤnglichen Gebirgen, geognoſtiſch betrachtet,weniger auffallend ſeyn. So lange das kohlenſaureGas, welches in dem Floͤtzkalkſteine aller Welttheile
*) Man wundre ſich nicht, daß die Grubenwaſſer aufSteinkohlenfloͤtzen meiſt nur wenig luftſauer ſind.Sie fließen ruhig dahin, und das kohlenſaure Gasiſt vom Hydrogene umhuͤllt. Auffallend aber iſt,wie ein geringer Antheil von Waſſerſtoff die Zieh-kraft des Waſſers zum kohlenſauren Gas hindert.Wer je Hydrogene peſant durch Schuͤtteln mit Kalk-waſſer zerlegt hat, wird dieſe Erfahrung beſtaͤtigtfinden.
|118| enthalten iſt, unſer Erdſphaͤroid noch umſchwebte,waͤre Kohlenſtoff genug vorhanden geweſen, um Ber-ge von Graphit und Roheiſen (gekohltes Eiſen) zupraͤcipitiren! Laſſen Sie uns aber den grundloſenOcean jener plaſtiſchen Fluͤſſigkeiten verlaſſen, undnoch einmal ans ſichere Ufer der Erfahrung zuruͤck-kehren.
Ein merkwuͤrdiges Phaͤnomen ſchien mir immerdas Verbleichen gewiſſer Foßilien an der atmoſphaͤri-ſchen Luft. In einem Gebirge arbeitend, wo ich ur-anfaͤnglichen Thonſchiefer von graulichſchwarzer Farbebis zur graulich- und gelblichweißen gleichſam untermeinen Augen verwittern ſah; in einem ſolchen Ge-birge fielen meine Verſuche zuerſt auf den Thonſchie-fer. Mehrere Stuͤcke gepuͤlvert zeigten deutliche Spu-ren des Kohlenſtoffs, gaben im pneumatiſchen Appa-rate kohlenſaures Gas. Wird im Verwittern derKohlenſtoff ſolcher Thonſchiefer-Abaͤnderungen vomOxygene der Atmoſphaͤre in Kohlenſaͤure verwandeltund hinweggefuͤhrt? Bleibt die enthuͤllte Erde, *)
*) Mit Erſtaunen ſehe ich oft noch die Meynung an-gefuͤhrt, als muͤſſe der Kohlenſtoff fuͤr ſich, als feſterBeſtandtheil der fixen Luft, eine ſchwarze Farbehaben. Der Tennantſche Verſuch belehrt uns jagar nicht hieruͤber; denn er liefert Kohlenſtoff mitKalkerde gemengt. Eben ſo iſt es in der Holzkoh-le, im Graphit, im Lydiſchen Steine, deſſen ichoben erwaͤhne. Die wichtigen unwiderlegten Ver-ſuche mit Diamant ſprechen ſogar gegen die ſchwar-ze Farbe des Kohlenſtoffs.
|119| wie die Aſche in der verbrannten Pflanzenfaſer, weißzuruͤck? Ausſetzen des Thonſchiefers unter Klockenin brennbarer Luft gegen das Sonnenlicht, wird die-ſe wahrſcheinliche Vermuthung beſtaͤtigen oder widerle-gen. Ich koͤnnte noch eines vielleicht einzigen Gemi-ſches von Wettern in der Gailenreuther Hoͤhle, einerGasart, welche im Abbrennen den Geruch des thieri-ſchen Dippelſchen Oehls giebt, erwaͤhnen; ich koͤnnteden Beweis wagen, daß dieſe Gasart vielleicht ebenſo alt, als die in der Hoͤhle liegende Knochenerdeiſt; — aber alles dies wuͤrde mich hier zu weit fuͤhren.