Leipzig, b. Cruſius: Widenmann’s Handbuch des oryktognoſtiſchen Theils der Mineralogie. (Mit einer Farbentabelle und einer Kupfertafel.) 1794. 1040 S. 8. Wenn das zunehmende Intereſſe des Publicums etwas für die Güte eines wiſſenſchaftlichen Syſtems beweiſen kann; ſo wird Hn. Werner’s Umarbeitung der Mineralogie ſchon dadurch empfohlen, daß man ſo vielfache und gleichzeitige Bemühungen bemerkt, dieſelbe gemeinnütziger zu machen. Hr. W. liefert uns hier ein neues, überaus reichhaltiges und gutgeſchriebenes, Handbuch, welches (wie das Lenziſche und Emmerlingiſche) nach Hn. Werners Grundſätzen abgefaßt iſt. Der Vf. äußert ſich ſelbſt über ſeine Arbeit mit einer Beſcheidenheit, welche unſeren neuen, immer kampfrüſtigen mineralogiſchen Schriftſtellern nicht genugſam zu empfehlen iſt. „Ich bin mir bewußt, (heißt es in der Vorrede,) „daß ich wenig oder nichts neues werde vortragen können. Wenn dieſem Handbuche irgend ein Verdienſt zugeſchrieben werden ſollte, ſo fällt es ganz auf den Hn. B. Commiſſionsrath Werner in Freyberg zurück, dem ich auch niemals mit dieſer Arbeit vorgegriffen haben würde, wenn mich nicht meine Lehrſtelle dazu genöthigt hätte, und wenn mich nicht die veränderte Lage des Hn. Werners, wodurch er noch mehr, als vorher, mit Geſchäften überhäuft worden iſt, befürchten ließe, daß es vielleicht noch eine geraume Zeit anſtehen möchte, bis er den Wunſch des Publicums durch Herausgabe ſeines oryktognoſtiſchen Lehrbuchs befriedigen wird. Eine ſolche Aeußerung entwaffnet ſelbſt die ſtrengſte Kritik. Rec. kann ſich die Verlegenheit lebhaft vorſtellen, in der ſich der Herausgeber eines mineralogiſchen Lehrbuchs befindet, wenn ſeine eigenen Ideen ſich zu den Ideen ſeines Lehrers miſchen, und er doch gewiſſenhaft nur ſein Eigenthum liefern will. Bey Hn. W’s. gänzlichem Stillſchweigen fügen wir bloß die Frage hinzu, ob die Vf. jener neuen Oryktognoſien nicht jeder Verlegenheit entgangen wären, wenn ſie ihren Schriften den Titel: Werners Handbuch der Oryktognoſie, mit Zuſätzen vermehrt, herausgegeben von * * * vorgeſetzt hätten. So erſcheinen noch jetzt Naturſyſteme und Pflanzengattungen unter Linné’s Namen, bey denen Gmelins ſammelnder Fleiß und Schrebers philoſophiſcher Scharfblick der Aufmerkſamkeit der Naturforſcher nicht entgehen. — Das Handbuch des Hn. W. zerfällt nach der bekannten Wernerſchen Form in den präparativen und praktiſchen Theil der Oryktognoſie. Dem erſteren iſt eine Einleitung, über Naturalien im Allgemeinen, vorausgeſchickt, meiſt nach Blumenbachs Handbuch der Naturgeſchichte. Die Wernerſchen Atmoſphärilien begreift der Vf. in ein viertes Naturreich zuſammen. Von den Kennzeichen der Foſſilien überhaupt. (Prüfung des relativen Werths dieſer Kennzeichen S. 12. überaus lehrreich und wohl ausgearbeitet.) Von den äußern, allgemeinen und be- ſondern Kennzeichen S. 19 ‒ 201., von den chemiſchen bis S. 206., von den phyſikaliſchen bis S. 209., von den empiriſchen S. 210. Wir heben bloß den Abſchnitt von den Farben aus, welche Hr. W. mit großer Vollſtändigkeit und rühmlichem Fleiße behandelt hat. Der angehängten Farbentabelle des Hn. Hofr. Kerners wird niemand, der die Schwierigkeit ſolcher Unternehmungen kennt, ſeinen Beyfall verſagen. Auf einen kleinen Raum ließ ſich wohl nicht mehr zuſammendrängen, und der Vf. urtheilt ſehr richtig, wenn er ſagt, „die Ausführung wird ſchon dadurch erſchwert, daß man Glanz, Durchſichtigkeit und Bruch nicht ausdrücken kann, auch ſelten an den Stuffen ſo große Lichtmaſſen und ebene Flächen zu ſehen bekommt, als die Tabelle zeigt.“ Prange und Schäfer ſind überall kritiſch citirt. Rec. glaubt, daß die ſtete Farbe gewiſſer Pflanzentheile noch ein ſehr gutes Mittel an die Hand geben würde, die mineralogiſchen Benennungen der Farben gleichſam zu fixiren. Doch käme es dabey auf vorſichtige Auswahl nicht variirender Theile an, als Blüthe des Tropacol. majus, morgenroth; Zweige des Lich. floridus, berggrün; Früchte des Lich. ſubfuscus, ziegelroth u. ſ. w. Bey den regelmäßigen Geſtalten vermiſſen wir in einem ſo treflichen Lehrbuche ungern die wichtige Theorie des Hn. Haüy. (ſ. unter andern Théorie ſur la ſtructure des criſtaux in Annal. de Chemie 1793 Juin p. 225. und mit den analytiſchen Formeln des Hn. Gillot in Rozier J. de Phyſ. 1793. Juillet. p. 103.) Dagegen iſt der Abſchnitt von den fremdartigen äußeren Geſtalten oder Verſteinerungen S. 134. nach Blumenbachs Ideen, deſto fruchtbarer bearbeitet. Der Behauptung, daß die Originale zu den verſteinten Thierknochen meiſtens ſchwer zu beſtimmen wären, wenn nicht Schädel, Zähne oder Hörner mit gefunden werden, kann Rec. nicht beytreten. Auch bloße Phalangen, oſſa innominata, peluis und Schenkelknochen ſind charakteriſtiſch. S. 155. wird an dem Daſeyn verſteinter Blumen gezweifelt, aber im Oeninger Schiefer kommen wirklich Corollen von Ranunculus vor, und die Aechtheit der Phalaris bulboſa in den Frankenberger Verſteinerungen mögen wir nicht mit dem Vf. abläugnen. — Praktiſcher Theil S. 213. Von der Claſſification der Foſſilien. Von den Erdarten nimmt der Vf. nur 7 auf. Das merkwürdige Verhalten der Strontianerde zur Salpeterſäure, ihre Auflöslichkeit im Waſſer und Niederſchlag durch den Zutritt der atmoſphäriſchen Luft geben dieſer doch auch wohl das Bürgerrecht einer ſelbſtſtändigen Grunderde. Die gemengten Foſſilien S. 228. behandelt der Vf. ebenfalls als einen Gegenſtand der Oryktognoſie, und theilt ſie in 2 Claſſen, je nachdem ſie ein beſtimmtes oder unbeſtimmtes Verhältniß ihrer Gemengtheile zeigen. Rec. ſieht wohl ein, daß man Gebirgsarten geognoſtiſch nach ihrem relativen Alter, nach Schichtung und Lagerung, und oryktognoſtiſch nach den äußern Kennzeichen ihrer Gemengtheile betrachten könne, ob aber darum Porphyr und Feldſpath als gleichnamige Objecte einer ſyſtematiſchen Oryktognoſie aufgeführt werden dürfen, darin iſt er mit dem ſcharfſinnigen Vf. dieſes Handbuchs nicht einig. — Bey der Aufzählung der einzelnen Foſſilien müſſen wir uns begnügen, im Allgemeinen den Gang des Vf. darzuſtellen, und unter den vielen eigenen Ideen, mit denen derſelbe das Wernerſche Syſtem vermehrt, nur einige herauszuheben. Jedem Geſchlechte ſchickt Hr. W. eine chemiſche Zergliederung der charakteriſirenden Grunderde voraus. Dann folgen die Gattungen einzeln, ihre Benennungen, Literatur, außere Beſchreibung, chemiſche Beſtandtheile und Vaterland. Die Synonymie, Literatur und Geburtsörter ſind bey weitem nicht ſo vollſtändig, als in der Wernerſchen Mineralogie, welche Hr. Emmerling herausgegeben hat. Der Diamant ſteht interimsweiſe noch unter den Kieſelarten. Man kann ihn wohl jetzt endlich unter die Inflammabilien zählen, da er, (wenn überhaupt chemiſchen Analyſen zu trauen iſt,) höchſt wahrſcheinlich reiner Carbon, Baſis der kohlenſauren Luft iſt. Rubin und Saphir verbindet der Vf., wie Hr. Werner, den Spinell aber nennt er Rubinſpinell. Vom Olivin wird S. 262. unrichtig geſagt, daß man ihn nicht kryſtalliſirt fände. Es ſind 2 Arten des Olivins, gemeiner und blättriger. Die Kryſtalliſationen des letzteren hat Hr. Freiesleben (Verfaſſer der vortreflichen mineral. Bemerkungen über das ſchillernde Foſſil von der Baſte bey Harzburg, Leipz. 1794.) ausführlich beſchrieben. Auch Hr. Reuß erwähnt deſſelben oft in ſeiner Min. Geographie von Böhmen. Die Topaſe von Mucla in Vorder- Aſien verhalten ſich, nach des Vf. merkwürdigen Verſuchen S. 271., wie die Turmaline. Turmalin und ſchwarzer Stangenſchörl werden S. 282. zu einer Art verbunden, weil der Vf. behauptet, Zeiloniſche ganz undurchſichtige Turmaline zu beſitzen. Dagegen führt er den Braſiliſchen dunkelgrünen Turmalin als eigene Art auf. S. 287. finden wir mit Vergnügen auch den rothen Stangenſchörl vom Gothard, den bereis Hr. Karſten in ſeinen neuen Tabellen aufführt. Der Vf. entwirft eine neue äußere Charakteriſtik davon. Was S. 290. unter dem unbeſtimmten Namen: vulkaniſcher Schörl, beſchrieben wird, ſcheint Werners Veſuvian zu ſeyn. Den Thumerſtein nennt Hr. W. Glasſchörl oder Glasſtein. Der erſte Name iſt, da Thumerſtein nach dem großen Analytiker Klaproth ſchlechterdings kein Schörl iſt, wohl nicht recht zu vertheidigen, ſo leicht wir auch das Andenken an das Dörfchen Thum aufgeben. Den Augit vermiſſen wir ungern, da er als neue deutſche Kieſelgattung immer auffallend bleibt. Amethyſt und Bergkryſtall verbindet der Vf. in eine Art, doch ſcheinen Rec. die ſtänglich abgeſonderten Stücke, auch wenn er graulichweiß iſt, ſehr charakteriſtiſch. Den Praſem und roſenrothen Quarz rechnet er zum gemeinen Quarz. Doch charakteriſiren den erſtern nicht etwa Farbe, ſondern die ſchalig abgeſonderten Stücke als eigene Art. Auch wundern wir uns, wenn der Vf. gegen Werners Abtheilung des Hornſteins in 2 Arten S. 307. anführt, „der Bruch des Hornſteins nahe ſich nur dann dem muſchlichen, wenn er in Feuerſtein und gemeinen Opal übergehen.“ Der Jaſpis wird unter dem Kieſelgeſchlecht aufgeführt, Band- und ägyptiſcher Jaſpis mit einander verbunden, und Heliotrop als Jaſpisart betrachtet. Eben ſo vereinigt der Vf. auch Karneol und Chalcedon, trotz des vollkommen muſchlichen Bruchs des erſten, führt aber Kachalong als eigene Art auf. Pechſtein, Bimſtein und Tripel ſtehen nach unſerm Vf. ebenfalls unter dem Kieſelgeſchlecht. Die Werneriſchen 4 Arten des Opals, der Labradorſtein und gemeine Feldſpath, das Katzenauge und der Mondſtein, der faſrige, ſtrahlige und blättrige Zeolith, die bekannten 3 Arten des Tremolits, Porcellanerde und Töpferthon, ſo wie Schiefer- und verhärteter Thon, Zeichenſchiefer und Thonſchiefer, Lydiſcher Stein und Kieſelſchiefer, gemeiner und glänzender Alaunſchiefer, verhärtetes und zerreibliches Steinmark, Bologneſerſpath, Stangenſpath, körniger! und ſchaliger Schwerſpath, und die 5 Arten der Steinkohlen werden als Abänderungen von einem Foſſil mit einander verbunden. Dagegen erſcheinen Rogenſtein, Jade, der von den neuen Mineralogen vergeſſene Leberſtein und Zinkſpath als eigene Gattungen. Auch auf die neuen äußeren Beſchreibungen des Lepidoliths, des Bitterſpaths, des Braunſteinſchaums von Hüttenberg in Kärnthen, des erdigen Apatits, eines unbekannten dem glasartigen Strahlſtein nahe verwandten Foſſils von Arendal, des luſtſauren Silbers vom Wenzel bey Altwolfach und des gelben Spießglaserzes, ſo wie auf die ſchätzbaren Nachrichten vom Nagyager und weißen Golderzen muß Rec. aufmerkſam machen. Wenn der Vf. den Trapp der Schweden und Wakke für beſtimmte Synonyme hält, ſo können wir ihm nicht beypflichten, da der Name Trapp in Schweden ſchlechterdings eine ganze Reihe von verwandten Gebirgsarten unter ſich begreift. Obſidian hält der Vf. für ein vulcaniſches Product, und den darin vorkommenden Feldſpath für Bimſtein oder Leucit. Beym Boracit wird der merkwürdige Verſuch des Hn. Groß angeführt, nach dem die ſtark abgeſtumpften Ecken des erwärmten Kryſtalls beym Erkalten eine poſitive, und die ſchwach abgeſtumpften eine negative Elektricität zeigen. Das Kamsdorfer gediegne Eiſen iſt weniger zweifelhaft, als der Vf. glaubt. Rec. hat Stücke mit wahrer Gangart davon in Händen gehabt. (Die Pallaſiſche Maſſe iſt nach Hn. Chladnis übrigens ſehr ſcharfſinnigen Theorie ja gar nicht einmal irdiſch, ſondern vom Himmel gefallen!) Bey der Angabe der Geburtsörter vermißt Rec. die Beſtimmungen, ob das Foſſil auf Gängen oder Lagern bricht. Hr. Emmerling iſt in dieſem Stücke weit vollſtändiger. Unter den gemengten Foſſilien bemerken wir ungern das Saxum ferreum Wall. unter dem Namen Grünſtein, da man jetzt, ziemlich allgemein, eine Gebirgsart aus der Trappformation, die aus Hornblende und innig gemengtem Feldſpath beſteht, mit dieſem Namen belegt. Die Methode, nach der der Vf. die Arten der gemengten Foſſilien beſtimmt, ſcheint uns auch etwas unbeſtimmt, da die Natur nicht bloß Baſalt mit Olivin und Baſalt mit Feldſpath oder Kalkſpath hervorbringt, ſondern auch dieſe eingewachſenen Foſſilien oft zuſammen in einerley Gebirgsart vorkommen. Wir beſchließen hiemit die Prüfung dieſer reichhaltigen Schrift, welche ihren Vf. als einen ſelbſtdenkenden, arbeitſamen Mineralogen charakteriſirt.