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Alexander von Humboldt: „Aus einem Briefe des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn Hofrath Blumenbach“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1795-Aus_einem_Briefe-1> [abgerufen am 19.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1795-Aus_einem_Briefe-1
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Titel Aus einem Briefe des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn Hofrath Blumenbach
Jahr 1795
Ort Leipzig
Nachweis
in: Neues Journal der Physik 2:4 (1795), S. 471–473.
Postumer Nachdruck
Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts 1787–1799, herausgegeben von Ilse Jahn und Fritz G. Lange, Berlin: Akademie 1973, S. 454–456.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Auszeichnung: Sperrung; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.36
Dateiname: 1795-Aus_einem_Briefe-1
Statistiken
Seitenanzahl: 3
Zeichenanzahl: 5093
Bilddigitalisate

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Aus einem BriefedesHerrn Oberbergraths von HumboldtanHerrn Hofrath Blumenbach.


Daß ich bey meiner geognoſtiſchen Unterſuchung uͤberSchichtung und Lagerung der Gebirgmaſſen, doch unſe-re Nervenverſuche nicht vergeſſen wuͤrde, konnten Siewohl erwarten. Da ich auf meiner Ruͤckreiſe von Ge-nua Herrn Volta in Pavia nicht fand, ſo eilte ich, ihnin ſeinem Landſitze am Comer-See aufzuſuchen. Ichkann nicht dankbar genug ausdruͤcken, wie viel die Her-ren Scarpa und Volta mir mittheilten, das ich zumeiner Schrift, uͤber die gereitzte Nervenfa-ſer, werde benutzen koͤnnen. Sie erinnern ſich meinerBeobachtung, daß, wenn Zink am Nerven und Zink amMuskel, mit trockenem Golde verkettet, nicht reitzen,der Reitz ſogleich eintritt, ſobald das Goldſtuͤck mit demleiſeſten Hauche benetzt iſt. Hier brachte ich durch gleich-artige Muskel- und Nervenreitze Zuckungen hervor!Herr Alexander Volta hat (natuͤrlich ohne vonmeinen Verſuchen zu wiſſen) eine aͤhnliche und viel wich-tigere Entdeckung ſelbſt gemacht, die er aber bisher nurſchriftlich ſeinen Freunden mittheilte. Wir geriethen da-her zufaͤllig beide auf einerley Wege, und ich bin demgroßen Manne, dem ich ſo gern nachſtaͤnde, nur in deroͤffentlichen Bekanntmachung zuvorgekommen. Ich ſagteIhnen vor mehrern Monathen, daß mir das Waſſer et- |472| was mehr als leitende Subſtanz ſchiene, daß es wirklichreitze. Herr Volta hat dieß jetzt zur hoͤchſten Evidenzgebracht, und wenn ich gleich ſeine geiſtreiche Wirbeltheo-rie nicht ganz annehme, ſo kann ich den Factis doch mei-ne Bewunderung nicht entziehen. Was ich erzaͤhle, habeich theils Herrn Volta unter meinen Augen experimenti-ren ſehen, theils habe ich es, bey meinem Aufenthaltein Como, ſelbſt wiederholt. Ziehen Sie einem Froſchedie Haut ab und praͤpariren Sie ihn ſo, daß Rumpf undSchenkel nur durch die entbloͤßten Iſchiadnerven zuſam-menhaͤngen. Setzen Sie zwey mit Waſſer gefuͤllte Wein-glaͤſer neben einander, tauchen Sie den Rumpf in daseine, die Schenkel ins andere Glas, und verbinden Siedas Waſſer beider Glaͤſer durch einen Bogen von trocke-nem Zink. Es erfolgt keine Zuckung. Der Zink iſt angleichartige Subſtanzen gekettet, oder nach Herrn Vol-ta’s Theorie, die aus den Enden des Bogens aus-ſtroͤmende E. wird auf gleiche Weiſe durch einerley Kraftzuruͤckgehalten. Es iſt kein Grund, warum die E. mehr ſo -+ oder ſo hin +- ſtroͤmen ſollte. Benetzen Siedas eine Ende des Bogens mit Fruchtſaͤure, beſondersmit fluͤſſigem vegetabiliſchen Laugenſalz, und tauchen Sieden Bogen nun in die zwey Glaͤſer, ſo iſt die Zuckungheftig vorhanden. Das Gleichgewicht am Bogen iſt,nach Herrn Volta, aufgehoben. Auf einer Seite ſtehtdem Zink das Alkali, auf der andern Waſſer entgegen, alſoſtroͤmt die Electrizitaͤt mehr nach einer als nach der an-dern Seite. ..... Beſtreichen Sie beide Spitzendes Bogens mit dem Ol. tartari p. del., ſo erfolgt keinReitz; wiſchen Sie die eine Spitze ab, ſo iſt er da;wiſchen Sie beide ab, ſo verſchwindet er! Herr Vol-ta hat bey mehr lebhaften Froͤſchen geſehen, daß ſeinerechte und linke Hand die Stelle des Bogens vertrat.Der Froſch zuckte, wenn der Finger der einen Hand mitAlcali beſtrichen war. Hier iſt Reitz ohne alles Metall, |473| und das muß Sie nicht wundern; denn der (von Gal-vani entdeckte) Verſuch, die Zuckung zu erregen, indemman bloß den Waden des Froſches gegen ſeine Bruſtbeugt, gelingt mir immer, wenn der Froſch, wie oben be-ſchrieben, praͤparirt iſt. Herr Volta hat die Bedingunggefunden, unter der dieſer Reitz entſteht. Die Beruͤh-rung muß mit dem tendineuſen, weißen, harten Theildes Wadenmuskels geſchehen und die Bruſt des Froſchesmuß mehr mit Blut, Seife oder Kleiſter beſchmiert ſeyn.Dann beruͤhren ſich wieder drey heterogene Subſtanzen,der weiche Muskel an der Bruſt, die Seife, (Blut) undder tendineuſe Muskel am Waden, und nur bey drey Sub-ſtanzen kann das Gleichgewicht der E. aufgehoben ſeyn.Wiſchen Sie die Bruſt des Froſches rein ab, ſo zuckt ernie, legen Sie naſſe Seife darauf, ſo iſt der Reitz wie-der da. Wenn gleich Herr Volta alles auf die Geſetzeder ſogenannten gemeinen Electrizitaͤt zuruͤckfuͤhrt, ſo ziehter dennoch aus den Galvaniſchen Verſuchen wichtigeSchluͤſſe fuͤr die Oekonomie des thieriſchen Koͤrpers, be-ſonders fuͤr die Art, wie der Nerv in den Muskel wirkt.Ein Schuͤler von Scarpa, Herr Dr. Preſciani zu Pavia, hat Nerven in allen Ordnungen der Wuͤrmer (Zoo-phyten allein ausgeſchloſſen) entdeckt. In den Conchy-lien ſind ſie beſonders deutlich und das Galvaniſche Reitz-mittel, welches Hr. Preſciani’s große Entdeckung be-ſtaͤtigt, ihn ſelbſt darauf geleitet, zeigt ſich hier von prakti-ſchem Nutzen fuͤr die Zootomie. Hr. Mangili hat dieNerven des Blutigels und Regenwurms beſchrieben (Diss.de Syſtemate nerveo hirudinis, lumbrici terreſtris aliorum-que vermium. Tic. 1795.), ja ſie gluͤcklich armirt. Soiſt beſtaͤtigt worden, was der gelehrte Ueberſetzer meiner Aphor. ex physiol. chem. plantarum, Hr. Dr. Fiſcher, meiner Behauptung uͤber Nervenloſigkeit der Wuͤrmerentgegnete.