Von Hr. von Humboldt. d. d. 10. Jan. 1792. Freiberg. — — Wird es Sie nicht wundern, wenn ich Ihnen ſage, daß die Lehre von dem Einfluß des Sonnenlichtes auf die grüne Farbe der Vegetabilien ſchon den Alten bekannt war? Die ſchönen und ſinnreichen Verſuche der Herrn Bonnet, Ingenhouß und Senebier über die Bleichſucht der Pflanzen bleiben darum nicht weniger neu . Hatte doch die pythagoreiſche Schule längſt geahndet, was Copernicus nochmals in ein helleres Licht ſezte. Wo iſt eine Entdeckung, deren Keim nicht ſchon früher gelegt war? — In dem kleinen, aber nicht unintereſſanten Buche des Ariſtoteles περι χρωματων (Opera omnia Ed. Du Val. I. p. 1209) handelt der Schluß von den Farben der Blüthen, Früchte und Blätter der Pflanzen, ihren Urſachen u. ſ. w. «Es giebt, nach der Lehre des Griechen, drei Grundfarben, weiß, ſchwarz und gelb. Sie rühren alle von den Elementen her. Luft, Waſſer und Erde ſind weiß, das Feuer (Phlogiston, auch Sonnenſtrahl) iſt gelb. Schwarz iſt Mangel an Licht. Wo Waſſer und Sonnenſtrahl zuſammen wirken, da entſteht eine grüne Farbe (ein ſonderbares Gemiſch von weiß und gelb) wo Erde und Waſſer allein wirken, da entſteht weiſſe Farbe — daher erſcheinen alle Pflanzentheile unter der Erde, Wurzeln , Zwiebeln, Stengel &c. weiß, alle Theile über der Erde: die der belebende Sonnenſtrahl trift, grün. Weiſſe Farbe iſt ohne dieß ein Zeichen der Schwäche, wie die Thiere beweiſen.» — Mir war dieſe Stelle neu, und unerwartet, ob ſie ſonſt ſchon irgendwo öffentlich bemerkt iſt, kann ich in meiner jezigen Lage nicht entſcheiden. Ueber die Farbe unterirrdiſcher Vegetabilien habe ich jezt mehrere Verſuche angeſtellt, und glaube meine Vermuthungen zu einem höhern Grade der Gewißheit erheben zu können. Auffallend war es mir oftmals die Raſenſtüke (mit Poa annua. P. compreſſa. Trifolium aruenſe. Plantago lanceolata &c.) mit welchen auf Strecken bisweilen Sumpf geſtoſſen wird, auch, wenn ſie Monate lang dem Sonnenlichte entzogen waren, grün, aber an den Spizen der neu geſproſſenen Blätter dunkel, nach unten zu lichter graßgrün, ja oft, wie über Tage, mit Riſpen blühen zu ſehen. Dieſe dem gemeinen Bergmann ſehr bekannte Erſcheinung, machte mich noch aufmerkſamer, als ich auf Kurprinz Friedrich Auguſt zu Großſchirma denſelben, rieſenmäſſigen Lich. verticillatus, von welchem das Exemplar durch den Herrn Bergrath von Charpentier an den Kurfürſten (einen tiefen Kenner und Beſchüzer der Pflanzenkunde) geſchikt iſt, mit lichte graßgrünen Keimen fand. Etwas ähnliches bemerkte ich vor kurzem an einem anderen, ſehr eleganten, wie ich glaube, noch unbeſchriebenen Lich. filament. auf dem Weiß Taubener Stoln zu Marienberg im Obergebirge — und doch hatte beide nie ein Sonnenſtrahl getroffen. Um dieſe ſonderbaren Phænomene noch mehr aufzuklären, ſtellte ich eigene Verſuche, mit blühenden und nicht blühenden Pflanzen an, die ich in die Grube ſezte. Sie blüheten ungeſtört fort, und die Blätter die ſich entwickelten, waren grün, doch an den Spizen am dunkelſten. Bey den im Stollen aufkeimenden Erbſen war auch dieſer Unterſcheid der Blätterfarbe nicht einmal bemerkbar. Wiederſprechen dieſe Verſuche nun denen der Herren Ingenhouß und Senebier über die Bleichſucht der dem Sonnenlicht entzogenen Vegetabilien? Ich glaube Nein. Nach meinen Ideen iſt Anhäufung des Oxygenes (des Grundſtoffs der dephlog. Luft) Urſach der Bleichſucht. Das Oxygene oder das Gas ſelbſt wird entbunden, entweder durch Sonnenlicht (wie die Färbung der deplogiſtiſirten Salzſäure, Acide muriatique ſuroxygené beweist) oder durch Verwandſchaft zu einer andern Subſtanz z. B. dem hydrogéne, dem Grundſtoff der brennbaren Luft. In den Gruben iſt dieß hydrogéne in gröſſerer Menge als in der oberen atmoſphäriſchen Luft. Ich vermuthe daher daß dieß, die (ſonſt bey Mangel des Sonnenlichtes nothwendig erfolgende) Anhäufung der Oxygéne ſtört. Ich denke dieſe und andere Gründe in einer eigenen Abhandlung in Herren Grens Journal der Phyſik näher zu entwickeln.