Vom Hrn. v. Humboldt in Freyberg. Ich bin ſo gluͤcklich geweſen, neue Beobachtungen uͤber die Farbe unterirdiſcher Vegetabilien anzuſtellen. Ich habe zwey Pflanzengattungen, denen die Natur das Innere des Erdkoͤrpers zum ausſchlieſſenden Wohnſitze angewieſen, meinen Lichen verticillatus (von 5 ‒ 8 Fuß Laͤnge) und eine andere Flechte (auf dem Weißtaubener Stollen zu Marienberg) mit lichtgruͤnen Sproͤßlingen an den Zweigen geſehen. Ich habe mich durch eigene Verſuche am Cheiranthus incanus, C. cheiri &c. von der Moͤglichkeit, daß Pflanzen, ohne dem Lichtſtrahle ausgeſetzt zu ſeyn, (unter gewiſſen Umſtaͤnden) in der Grube gruͤne Blaͤtter treiben koͤnnen, uͤberzeugt. Dieſe Verſuche aber ſcheinen mir jetzt denen der Herren Prieſtley, Senebier und Ingenhouß nicht zu widerſtreiten. Ich vermuthe, daß die weiße Farbe, ſo wie in vielen Stoffen, (den Salzen, Erden, der ſogenannten dephlogiſtiſchen Salzſaͤure ꝛc.) auch in den Vegetabilien aus einer Anhaͤufung des Oxygene entſteht, daß der Lichtſtoff ſich nicht mit dem Pflanzenkoͤrper verbinde, ſondern bloß dazu diene, das Oxygene hervorzulocken u. ſ. f. Daher hauchen (bleichſuͤchtige) Pflanzen, wenn ſie dem Lichte entzogen ſind, keine dephlogiſtiſirte Luft (Sauerſtoffgas) aus. Daher die Wirkung des Lichtſtoffs auf das Hornſilber, an die oxygenirte Salzſaͤure und Salpeterſaͤure (acide nitrique) u. a. Aber der Sonnenſtrahl iſt wohl nicht die einzige Subſtanz, welche durch ihre Verwandtſchaft zum Oxygene, die Anhaͤufung deſſelben in den Pflanzen hindert. Die Baſen des brennbaren Gas und der Stickluft dienen ebenfalls dazu, ihn zu entbinden, und ſie wirken vielleicht im Innern der Erde (wo die Natur ſie leider ſo reichlich angehaͤuft hat) wie der wohlthaͤtige Lichtſtoff auf der Oberflaͤche derſelben. — Dieſe Vorſtellungsart weicht von der des Hrn. Senebier und anderer Phyſiker voͤllig ab. Mir iſt ſie nichts mehr als eine Hypotheſe, durch die ich die ſonderbaren Phaͤnomene der unterirdiſchen Vegetation aufzuklaͤren glaube; eine Vegetation, die ſchon darum die Aufmerkſamkeit eines Pflanzenkundigen verdient, weil Mangel an Licht und eine ſo verſchieden gemiſchte Atmoſphaͤre auch eine andere Organiſation, als die uͤberirdiſche, ahnden laͤßt.