Entwurf zu einer Tafel fuͤr die Waͤrme-leitende Kraft der Koͤrper; vom Hrn. F. A. von Humboldt. Die Erſcheinungen, welche der Waͤrmeſtoff bey ſeiner Anhaͤufung und Entbindung, bey ſeinem Ueberſtroͤmen aus einer Subſtanz in die andere u. ſ. f. darbietet, ſind zu auffallend, als daß ſie nicht in den fruͤheſten Zeiten die Aufmerkſamkeit der Phyſiker haͤtten auf ſich ziehen ſollen. Wie viel ſich Anaxagoras, Empedokles und andere Griechen damit beſchaͤftigten, kann man ſchon aus den Schriften des Ariſtoteles ahnden. Freilich war es in dem Genius dieſer alten (unbeſcheidenen) Naturphiloſophie gegruͤndet, kein Phaͤnomen unerklaͤrt zu laſſen, ſich oft mit Hypotheſen zu begnuͤgen, gegen die der ſchlichte Menſchenverſtand ſich empoͤrte; freilich wurde dadurch der Beobachtungsgeiſt unterdruͤckt, oder wenigſtens irre geleitet. Aber um ſo merkwuͤrdiger iſt es, zu ſehen, mit welchem unglaublichen Scharfſinne ſchon damahls einzelne Dinge beobachtet wurden, welche theils der Unterſuchung unſrer Zeitgenoſſen gaͤnzlich entgangen, theils ſpaͤt erſt wieder zu Sprache gekommen ſind. Ich begnuͤge mich hier an folgende Stellen im Ariſtoteles zu erinnern: Problem. Sect. X. (53) uͤber den Waͤrmeſtoff als Urſache der Elaſtizitaͤt der Daͤmpfe. Sect. XXIII. (7) uͤber den Siedpunkt ſalziger Fluͤſſigkeiten. Sect. XXIV. (1) uͤber den Schutz vor Waͤrme durch Oel. (2) uͤber die Waͤrme der Quellen. (3) warum heiſſes Waſſer das Holz nicht verbrennt, und unmittelbar in Beziehung auf Waͤrmeleitung (5 und 8) warum der Boden eines Gefaͤſſes voll Waſſers, ehe das Waſſer zu ſieden anfaͤngt, heiß, wenn daſſelbe ſiedet, weniger heiß iſt. u. ſ. f. Z. B. die weitlaͤuftige mit ſo viel Wichtigkeit behandelte Theorie des Nieſens, als eine Folge der aus dem Herzen aufſteigenden Daͤmpfe. Solche Thiere, denen das Herz nicht ſenkrecht unter der Naſe ſteht, koͤnnen nicht nieſen. Ariſtot. Oper. omn. Aur. 1606. T. II. p. 897 und 1031. oder uͤber die Feuchtigkeit des Gehirns in Ruͤckſicht auf den Wachsthum der Haare und gewiſſe entomologiſche Folgen l. c. p. 824. So viel und genau man aber auch immer in den aͤltern und mittlern Zeiten die Phaͤnomene der Erwaͤrmung und Erkaltung der Koͤrper beobachten mochte, ſo mußte man doch vor der Erfindung des Waͤrmemeſſers (da das ſinnliche Gefuͤhl allein entſchied) auf beſtimmte Reſultate Verzicht thun. Selbſt ſpäter hin, da die Florentiniſche und Paduaniſche Schule die Einrichtung dieſes Inſtruments verbeſſerte, da ſein Gebrauch in Frankreich, Deutſchland und England allgemein wurde, blieb der Begriff von der Wirkung einer beſtimmten Menge von Calorique auf die Temperatur verſchiedener Subſtanzen, oder die Lehre von den ſpezifiſchen Waͤrmen ungleichartiger Stoffe, noch lange unaufgeklaͤrt. Dieſe Entdeckung, eine der groͤßten und fruchtbarſten, deren ſich die neuere Phyſik erfreuen darf, war dem Scharfſinne der Herren Wilke, De Luͤc und Black vorbehalten. Sie gab zu neuen Verſuchen Veranlaſſung, verbreitete dadurch ein allgemeines Licht uͤber die wichtigſten Naturerſcheinungen, und wurde eine Hauptſtuͤtze fuͤr die neue Theorie der Waͤrmeleitung. Die Urſachen der Empfindung von Waͤrme und Kaͤlte ſind ſo zuſammengeſetzt, daß ſie wohl einmal eine genaue Zergliederung verdienten. Der Umſtand, daß unſer Koͤrper ein feuchter Koͤrper iſt, der nach Verhaͤltniß der mehrern oder mindern Anhaͤufung von Feuchtigkeit, des Drucks der Atmoſphaͤre, ihrer Temperatur, ihrer Bewegung mehr oder weniger verdampft, ſcheint dabey ſehr wichtig zu ſeyn — vielleicht eben ſo wichtig, als die Zu- und Abnahme innerer Waͤrme, deren Urſachen Herr Schurer ſo ſchoͤn aufgefunden hat. (Abhandl. vom Saͤureſtoff, 1790. S. 50.) Die Beobachtungen ſelbſt aber, auf welche ſich dieſe Theorie gruͤndet, fallen in eine fruͤhere Periode. Schon im Jahre 1752 machte Herr Richmann ſeine Erfahrungen uͤber die Leitungskraft verſchiedener Metalle bekannt. Er hieng Kugeln von Bley, Zinn, Eiſen u. a. m., in deren Mitte Thermometer angebracht waren, an Schnuͤren in freye Luft, erhitzte dieſelben und bemerkte die Zeiten, in denen ſie gemeinſchaftlich erkalteten. Comm. Acad. Petropol. ad annum 1752. p. 241. Der Graf Buͤffon bemerkte (was jezt durch Verſuche und Rechnung widerlegt iſt) daß tropfbar- und elaſtiſch-fluͤſſige Koͤrper den Waͤrmeſtoff beſſer leiteten, als feſte. Die Herren Franklin und Achard entdeckten eine merkwuͤrdige Uebereinſtimmung zwiſchen der elektriſchen Materie und dem Calorique. Sie fanden, daß beyde von gleichen Stoffen geleitet und iſolirt werden, daß Harz und Glas ſchlechte, Metalle gute Leiter fuͤr beyde ſind, u. ſ. f. Rozier Journal de Phyſique, Octobre 1773. p. 276. Gothaiſches Magazin B. 2. St. 2. S. 39. Herr Ingenhouß wiederholte die Richmanniſchen Verſuche, doch nach einer ſehr verſchiedenen Methode. Er ſteckte metallene Draͤthe, die mit Wachs am untern Ende uͤberzogen waren, abwechſelnd in heiſſes Oel und kaltes Waſſer — war aber ſo ungluͤcklich, aus ſinnreichen Verſuchen durch Verſehen falſche Reſultate zu ziehen. Rozier Journal de Phyſique 1789. Janv. und Ingenhouß vermiſchte Schriften 1784. B. 2. S. 341. und Hrn. Mayers Widerlegung in Grens Journal der Phyſik, Heft 7. S. 30. Herr Thompſon unterſuchte die waͤrmeleitende Kraft des luftleeren Raums, des Queckſilbers und der Atmoſphaͤre in verſchiedenen Zuſtaͤnden der Feuchtigkeit. Seine Erfahrungen ſtimmen aber nicht ganz mit denen des Herrn Pictet uͤberein. Philoſoph. Transact. 1786. P. II. — Grens Grundriß der Naturlehre § 425. Verſuch uͤber das Feuer, 1790. S. 113. Alle dieſe vortreflichen Maͤnner, welche ich in dieſer kleinen hiſtoriſchen Ueberſicht aufgezaͤhlt habe, betrachteten nur die Leitungskraft einzelner Subſtanzen, nicht das Verhaͤltniß, welches in allen zwiſchen ſpezifiſcher Waͤrme, ſpezifiſchem Gewichte und Waͤrmeleitungskraft ſtatt findet. Dieſes Verhaͤltniß beſtimmte zuerſt Herr Mayer in ſeiner ſo uͤberaus ſcharfſinnigen, jedem mathematiſchen Phyſiker nicht genug zu empfehlenden Schrift uͤber die Geſetze und Modifikazionen des Waͤrmeſtoffs, (Erlangen 1791.). Er fand, daß zwey ungleichartige Koͤrper von einerley Groͤße und Figur in einerley Medium ihre Waͤrme nicht gleich geſchwind verlieren, (d. h. nach einerley Erkaͤltungsexponent erkalten) weil ungleichartige materielle Theile unterſchiedene Faͤhigkeit haben, den Waͤrmeſtoff mehr oder weniger zuruͤckzuhalten; daß die Leitungskraft zweier Koͤrper von einerley Volumen ſich umgekehrt verhalte, wie die Zeiten, indem ſie einerley Aenderung einer gemeinſchaftlichen Temperatur in einerley Medium erfahren; oder daß ihre Leitungskraͤfte in geradem Verhaͤltniſſe ſtehen mit den Logarithmen ihrer Erkaͤltungsexponenten. Auf dieſe Vorausſetzungen gruͤndet ſich die Formel fuͤr die Leitungskraft ſelbſt, nach der ſie (wenn ich das ſpezifiſche Gewicht = p. die ſpezifiſche Waͤrme = c nenne) fuͤr feſte und tropfbarfluͤſſige Subſtanzen = [Formel] geſetzt werden kann. Vergl. Lichtenberg zu Erxlebens Naturlehre, 1791. S. 412. Gehlers phyſ. Woͤrterbuch, Th. 4. S. 555. Baader vom Waͤrmeſtoff, 1786. S. 85. S. auch Grens Journal der Phyſik, 1791. Heft 7. S. 19. und a. a. O. Heft 10. S. 22. Dieſe Formel ſtimmt genauer mit der Erfahrung uͤberein, als es die oft ſo ſchwankenden Beſtimmungen der ſpezifiſchen Waͤrme erwarten ließen. Die Beyſpiele, welche Hr. Mayer ſelbſt davon anfuͤhrt (S. Ueber Geſetze des Waͤrmeſtoffs S. 253.) und vielfaͤltige eigene Pruͤfungen haben mich vollkommen davon uͤberzeugt. Tafel uͤber die waͤrmeleitende Kraft einiger Subſtanzen. Spezif. Gewicht. Spezif. Waͤrme. Relative Waͤrme. Waͤrmeleitende Kraft. Torric. Vacuum — — — — — — 0,1760 nach Thompſon. Athm. Luftdichte = 1. 0,0012 — — — — 0,2550 n. Thompſon. Athm. Luftdichte = [Formel] — — — — — — 0,2490 n. Thompſon. Holzaſche 1,5560 1,4144 1,4144 0,7072 n. meiner Ber. Schwefelſaͤure 1,7000 1,2886 1,2886 0,7764 n. meiner Ber. Eiſenroſt 4,5000 1,1250 1,1250 0,8889 n. meiner Ber. Kupfer 8,8760 0,9861 0,9861 0,8970 n. Richmann. Eiſen 7,8076 0,9907 0,9907 0,9430 n. Richmann. Meßing 8,3960 0,9403 0,9403 0,9430 n. Richmann. Kuhmilch 1,0300 1,0289 1,0289 0,9727 n. meiner Ber. Eßig 1.0110 1,0413 1,0413 0,9900 n. Mayer. Waſſer 1,0000 1,0000 1,0000 1,0000 Gold 19,0400 0,9520 0,9520 1,0504 n. meiner Ber. Feuchte Luft — — — — — — 1,0543 n. Thompſon. Salpeterſaͤure 1,5800 0,9100 0,9100 1,0989 n. meiner Ber. Silber 10,0010 0,0820 0,8200 1,2193 n. mn. Ber. Salzſaͤure 1,1500 0,7820 0,7820 1,2787 n. mn. Ber. Kalkſtein 2,8570 0,7313 0,7313 1,3674 n. mn. Ber. Spezif.Gewicht. Spezif.Waͤrme. RelativeWaͤrme. Waͤrmeleit.Kraft. Baumöl 0,9130 0,7100 0,6482 1,5427 nach mn. Ber. Zinn 7,291 0,0680 0,4957 1,5410 n. Richmann. Zink 6,8620 0,0943 0,6470 1,5455 n. mn. Ber. Bleikalk 8,9400 0,0680 0,6079 1,6474 n. mn. Ber. Spiesglas 6,8600 0,0860 0,5899 1,6952 n. mn. Ber. Weingeiſt 0,8150 0,6021 0,4907 2,0379 n. mn. Ber. Leinoͤl 0,9280 0,5230 0,4899 2,0412 n. mn. Ber. Steinkohle 1,5000 0,2777 0,4166 2,4003 n. mn. Ber. Queckſilber 13,5800 0,0330 0,4656 1,9700 n. Mayer. Bley 11,4459 0,0352 0,4029 2,3138 n. Richmann. Wismuth 9,8610 0,0430 0,4240 2,3584 n. mn. Ber. Terpentinoͤl 0,7920 0,4720 0,3738 2,6752 n. mn. Ber. Schwefel 1,8000 0,1830 0,3294 3,0358 n. mn. Ber. Eis fuͤr Grade unter 0. 0,9160 0,9160 0,8244 1,2130 n. mn. Ber. oder: Harzige Subſtanzen — Talg — Thier-Haare — Federn — Wolle — Baumwolle. — Athmoſph. Luft — Holzaſche — Holz — Schwefelſaͤure — Eiſenroſt — Kupfer — Eiſen — Meßing — Kuhmilch — Eßig — Waſſer — Gold — feuchte Luft — Salpeterſaͤure — Silber — Salzſaͤure — Kalkſtein — Baumoͤl — Zinn — Zink — Bleikalk — Spiesglas — Weingeiſt — Leinoͤl — Steinkoͤhle — Queckſilber — Bley — Wismuth — Terpentinoͤl — Schwefel. Da mich eine Unterſuchung uͤber das vortheilhafteſte Material der Siedpfannen auf dieſen fuͤr den Techniker wichtigen Gegenſtand leitete, ſo entwarf ich damals eine Tafel uͤber die waͤrmeleitende Kraft verſchiedener Subſtanzen, deren Mittheilung manchem Phyſiker vielleicht nicht ganz unintereſſant iſt. Was dem Geometer und Aſtronomen Logarithmen und Sinustafeln ſind, das muͤſſen dem Naturkuͤndiger die Tafeln fuͤr die ſpezifiſchen Gewichte, fuͤr die Capacitaͤten, fuͤr die relativen Waͤrmen, und fuͤr alles, was ſich in Zahlen darſtellen laͤßt, leiſten . Ich habe ſorgfaͤltig bemerkt, welche Verhaͤltniſſe ſich auf unmittelbare Verſuche, welche ſich auf meine Berechnung gruͤnden. Doch muß ich bitten, nicht die letztern allein, ſondern beide nur fuͤr Annaͤherungszahlen zu halten, weil die Leitungskraͤfte bey ſehr verſchiedenen Temperaturen ſich etwas abaͤndern, weil die Fehler in den Angaben der ſpezifiſchen Gewichte und der Capacitaͤten auf die Berechnung, und (wie Hrn. Ingenhouß Erfahrungen lehren) einen Zuſammenfluß von ſehr mannigfaltigen ſchwer zu vermeidenden Hinderniſſen auf die Verſuche ſelbſt Einfluß haben. Zink mag vielleicht ein beſſerer Waͤrmeleiter als Baumoͤl und Zinn, Alkohol vielleicht ein beſſerer als Leinoͤl ſeyn, obgleich in meiner Tafel ſie jenen nachſtehen. Wo die Differenzen ſo klein ſind, muß man ſehr mistrauiſch gegen meine Angabe ſeyn. In meiner Abhandlung uͤber die chemiſchen und phyſikaliſchen Grundſaͤtze der Salzwerkskunde (S. Bergmaͤnn. Journal von Koͤhler und Hofmann, 1792. St. 1 u. 2.) wo ich die allgemeinen Grundſaͤtze der Koktur zu entwickeln bemuͤht war. S. Fourcroy im Extrait des regiſtres de la Societé Royale de Medecine ( Lavoiſier Traité Element. de Chimie, T. II. p. 649.) Es ließe ſich hier faſt eben das bemerken, was Hr. Lavoiſier ſehr richtig von den Verwandtſchaftstafeln ſagt: daß man, wenn ſie genau mit den Erfahrungen uͤbereinſtimmen ſollten, fuͤr jeden Grad des Thermometers eine eigene entwerfen ſollte. S. Antiphlogiſt. Anmerkungen zu Kirwans Abhandl. vom Phlogiſton. 1791. S. 33. Tafeln