Aus einem Briefe vom Herrn von Humboldt dem juͤngern in Berlin. Zu Paris iſt vor kurzem eine neue geognoſtiſche Schrift uͤber Italien erſchienen, unter dem Titel: Voyage mineralogique philoſophique et hiſtorique en Toscane par le D. Jean Targioni Tozetti, en 2 Tomes. Chez Lavillette Libraire du Battoir n° 8. 1792. Der Verfaſſer iſt derſelbe, welcher bereits durch die Abhandlung uͤber die erloſchenen Vulkane von Toskana und den Veſuv (Dei monti ignivomi della Toscana e del Vesuvio) und andere Arbeiten bekannt iſt. In wiefern dieſe Reiſe von der, von Jagemann uͤberſetzten abweicht, habe ich noch nicht vergleichen koͤnnen. Alle Beobachtungen ſind vom Jahre 1742, fluͤchtig angeſtellt, und unbeſtimmt beſchrieben. Die Foſſilien ſind nach dem Nicolaus Steno, Aldrovandi , und hauptſaͤchlich nach den nie gedruckten Werken des Agoſtino Riccio benannt! Kalkſpath heißt der Verf. Tarse, auch wohl bezoar mineral, dichter Kalkſtein albarese! Von der Gebirgsart, in welcher ſich die merkwuͤrdigen Hoͤhlen bey St. Iean à la Veine befinden, erſieht man nichts, als daß ſie aus einer terre plus ou moins petrifiée avec une matiere composée de tartre beſtehe. Lager nennt Hr. Tozetti immer filons, und das boͤhmiſche Karlsbad, wird gar in die bains Carolino en Bohême traveſtirt. Nicht unintereſſant ſind indeß die Bemerkungen uͤber die foſſilen Elephantenknochen in den Tuffhuͤgeln bey Val dinierole , uͤber die Steinkohlenfloͤze von Garfagnana , die Eiſengruben von Stazemma , wo Eiſenglanz und Eiſenglimmer brechen, und vorzuͤglich uͤber das queckſilberreiche Gebirge von Levigliani . Das Gediegen-Queckſilber findet ſich an letzterem Orte auf Gaͤngen, die mit Quarz ausgefuͤllt ſind, und das Gebirge (une pierre morte!) ohne beſtimmtes Fallen und Streichen zu halten, durchſchwaͤrmen. Zinnober und Schwefelkies brechen zuweilen mit ein. Tozetti fuͤgt eine eigene Unterſuchung uͤber den Urſprung dieſes Zinnobers bey. Er glaubt, daß Schwefelkies und Zinnober ſich aus einer Aufloͤſung niederſchlugen, daß ein Theil des Schwefels ſich mit dem Eiſen, ein anderer mit dem Queckſilber verband u. ſ. f. Er eifert ſehr heftig gegen die Meynung, daß bey dieſer Gangausfuͤllung unterirdiſches Feuer gewirkt haben ſollte. Ces feux et ces chaleurs souterraines , qui font faire tant de bevues aux chimiſtes et aux philoſophes sont autant de chimeres qu’enfentent leurs cerveaux, et leur jargon ne sert qu’ à tromper le peuple sous pretexte, de lui expliquer les Phenomenes de la Nature. La nature se rit de nos systemes et opere avec plus de simplicité que nous ne l’imaginons. Ich fordere jeden auf, ſchließt er, mir auch nur die Spuren jener unterirdiſchen Feuer zu zeigen. — Die Bergwerksgeſchichte von Levigliani iſt zu abendtheuerlich, als daß ich Ihnen nicht etwas davon mittheilen ſollte. Herzog Cosmo III. von Florenz hatte den Einfall, einige geiſtliche Schriften mit typographiſcher Pracht, beſonders mit rothen Lettern drucken zu laſſen. Es fehlte an Farbe, und um dieſelbe aus dem Zinnober zu erhalten, beſchloß man, den uralten verlaſſenen Bergbau von Levigliani wieder aufzunehmen. Der Herzog ſchickte den Bildhauer Joſeph Torricelli hin, um die noͤthigen Vorkehrungen zur Wiedergewaͤltigung zu treffen. Torricelli lieferte in wenigen Tagen 120 Pfund ſchoͤnen Zinnober, und machte Hofnungen zu groͤßerer Ausbeuthe. Der Herzog, ohne ſich an die Vorſtellungen ſeiner Miniſter zu kehren, ſchenkte die Gruben ſeiner herzoglichen Buchdruckerey. Die Vorſteher derſelben G. Gaëtan Tarlini erhielt ſogar 1718 ein ausſchließendes Privilegium auf alle Queckſilberbergwerke, die noch kuͤnftig entdeckt werden wuͤrden. Der Erfolg lehrte aber bald, daß weder die Bildhauer noch die Hofbuchdrucker des Herzogs ſich darauf verſtanden, einen Grubenbau vorzurichten. Die Werke von Levigliani wurden in kurzem wieder verlaſſen. — Die vortrefliche Schrift des Herrn Bertholet, Elemens de l’art de la teinture Tome I. 1791, enthaͤlt eine Vermuthung uͤber den Demant, welche, und waͤre es auch nur ihrer Kuͤhnheit wegen, Erwaͤhnung verdient. A considerer, ſagt er, les experiences qui ont été faites sur le Diamant, on serait tenté de le regarder comme un carbon pur et crystallisé, das iſt als den feſten, kriſtalliſirten Grundſtoff der fixen Luft oder Kohlenſaͤure. Unerwieſen iſt dieſe Hypotheſe allerdings, aber ungereimt iſt ſie nicht. Denn Luft iſt blos der Zuſtand der Elaſtizitaͤt und Aufloͤſung in Waͤrmeſtoff, in dem ſich irgend eine feſte Subſtanz befindet. Wird einer Luftart eine große Quantitaͤt Waͤrmeſtoff entzogen, ſo folgen die Atome ihrer gegenſeitigen Anziehungskraft, und bilden nun, genaͤhert, die ſogenannten feſten oder dichten Koͤrper. Die Erſcheinungen bey der oxygenirten Salzſauren Luft, welche im Schnee in wirkliche ſaͤulenfoͤrmige Kriſtalle anſchießt, belehren uns ſehr deutlich daruͤber. Die Einwitterungen, welche in der Geognoſie der Alten, beſonders in ihren Gangtheorien, eine ſo wichtige Rolle ſpielten, gruͤndeten ſich gewiß auf eine aͤhnliche aber dunkle Vorſtellungsart. — Herr Bergaſſeſſor Wachtel nimmt in ſeiner mineralogiſchen Abhandlung vom Torfe gegen Linnees und anderer Meynung, die Hypotheſe an, daß der Torf groͤßtentheils zuſammengehaͤuften Meerespflanzen ſeinen Urſprung verdanke. Bey meinem letzten Aufenthalte auf dem großen Haakenberg-Linumſchen Torfmore hatte ich Gelegenheit, eine Beobachtung anzuſtellen, welche jene Hypotheſe in ein helleres Licht ſetzt. Ich fand in dem dortigen Torfe 8 — 10 Zoll lange und 1 — 1 [Formel] Zoll breite Blaͤtter eines Seegraſes, Fucus sacharinus, friſch und unverſehrt, wie ich ihn im offenen Meere zwiſchen Neuwerk und Helgoland ſahe. Sollten die ſich ſo weit erſtreckenden, 1 bis [Formel] Lachter hohen Torfſchichten in den aufgeſchwemmten baltiſchen Laͤndern alle pelagiſchen Urſprungs ſeyn? Sind jene Depots von Meerespflanzen, welche den Kohlenſtoff erſetzen, den die jetzige Vegetation uns verſagt, aus der alten allgemeinen Waſſerbedeckung oder aus einer ſpaͤtern Periode? Dies iſt der Punkt, wo die Geſchichte der Pflanzen, im ſtrengen Sinne des Worts, ſich an die Geſchichte des feſten Erdkoͤrpers anſchließt. Daß ich nicht annehme, aller Torf ſey aus zuſammengehaͤuften Fucis entſtanden, daß es fruͤhere und ſpaͤtere Formazionen, wie bey den Steinkohlen giebt, daß einiger Torf auf ſeiner jetzigen Lagerſtaͤdte wirklich erzeugt iſt, erinnere ich nicht.