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Alexander von Humboldt: „Ueber den Syenit oder Pyrocilus der Alten; eine mineralogische Berichtigung“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1791-Ueber_den_Syenit-1> [abgerufen am 29.03.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1791-Ueber_den_Syenit-1
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Titel Ueber den Syenit oder Pyrocilus der Alten; eine mineralogische Berichtigung
Jahr 1791
Ort Frankfurt am Main
Nachweis
in: Neue Entdeckungen und Beobachtungen aus der Physik, Naturgeschichte und Oekonomie 1 (1791), S. 134–138.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (mit rund-r, Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.15
Dateiname: 1791-Ueber_den_Syenit-1
Statistiken
Seitenanzahl: 5
Zeichenanzahl: 6442
Bilddigitalisate

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Ueber denSyenitoderPyrocilusder Alten;einemineralogiſche Berichtigung.


VonHerrn H — t.

Wenn es auch nicht ſchon fuͤr die Geſchichtedes menſchlichen Wiſſens uͤberhaupt wichtig waͤrezu unterſuchen, welche Mineralien von Griechenund Roͤmern gekannt, wie ihre Lagerſtaͤtte ge-funden, wie ihre Kraͤfte benuzt wurden; ſomuͤßte uns doch ein beſonderes geognoſtiſchesIntereſſe auf die Schriften des Theophraſtus |135| und Plinius zuruͤkfuͤhren. Die natuͤrlicheGeſtalt gewiſſer Laͤnder iſt ſeit ein Paar Jahr-tauſenden mannichfaltig veraͤndert. Meeresflu-then, Vulcane und Erdbeben haben ihre ver-heerende Macht ausgeuͤbt. Berge ſind zerſplit-tert, Thaͤler ausgefuͤllt, Inſeln aus dem Waſ-ſer emporgetrieben worden. Ariſtides wuͤrdeAegypten, Caͤſar das Belgiſche Gallien, Pli-nius das untere Italien kaum wieder erkennen.Freilich haben dieſe gewaltſamen Revolutionennur einzelne Gegenden betroffen. Denn Nach-richten von allgemeinen Umwandlungen unſersPlaneten, wie die, deren raͤthſelhafte*) Spuren
*) Raͤthſelhaft aus zwiefachem Grunde. Einmal,durch welche Hypotheſe laͤßt ſich die Entſte-hung von Typolithen weicher Koͤrper, z. B.ſaamentragender Farrenkraͤuter erklaͤren? JedemBotaniker iſt bekannt, daß der leichte Saamen-ſtaub von der leiſeſten Beruͤhrung verwiſcht wird.Zweitens, ſollten alle Conchylien der Vorwelt,die wir jezt nur in ihren Grabſtaͤtten finden,gaͤnzlich untergegangen ſeyn? Entfernte Aehn-lichkeiten zwiſchen den petrificirten und in unſe-ren Meeren lebenden Chamen und Mytilen ſindnicht zu laͤugnen. Daher Linne eine Oſtreadiluviana, eine Anomia pecten, A. angulata,A. plicatella und andere Verſteinerungen mitdem Beiſaz: habitat … foſſilis, in ſein Syſte-ma naturae eintrug. Daß aber zu den unzaͤhli-gen foſſilen Muſcheln bisher kaum ein beſtimm-tes Original in der jetzigen Thierſchoͤpfung ge-funden worden iſt, kann ich mit dem Zeugnißeines Mannes belegen, der die Lehre von denPetrefacten mit dem gluͤklichſten Scharfſinnein ein neues Syſtem umgearbeitet und fuͤr geo-
|136| wir noch in den Schieferbergen und Kalkfloͤzenerkennen, hat uns die Geſchichte nirgends er-halten. Aber auch da, wo Erderſchuͤtterungen,Kohlenbraͤnde und Lavaguͤſſe keine Zerſtoͤrungenangerichtet, haben die ununterbrochenen und dar-um ſo unmerklichen Wuͤrkungen der Verwitte-rung doch ganze Gebirgsmaſſen veraͤndert unddurch allmaͤhlige Aufloͤſung der primitiven Theileder Natur reichen Stoff zu neuen Miſchungenbereitet. Mit jedem Jahrhunderte gewinnt dieOberflaͤche unſerer Erde eine andere Anſicht,und je wichtiger uns die Geognoſie iſt, deſtoweniger duͤrfen wir die aͤlteſten mineralogiſchen
geniſche Unterſuchungen fruchtbar gemacht hat.(ſ. Blumenbachs Beitraͤge zur Naturgeſchich-te Th. I. S. 7.) Muß man auch darum die Hof-nung aufgeben, dieſe Originale kuͤnftig noch zuentdecken? Unſere Kenntniß des Meeresbodens,deucht mich, iſt zu gering, die Mittel, ihn zuunterſuchen, ſind zu mangelhaft, um dieſe Fra-ge mit Herrn Blumenbach bejahen zu koͤn-nen. Wie viele Produkte werden nicht jaͤhrlichauf dem feſten Lande, in dem bewohnteſtenTheile von Europa ſelbſt entdekt, die man Jahr-hunderte lang uͤberſehen hatte! Wenige Bei-ſpiele von der Art ſind ſo auffallend, als dieploͤzliche Erſcheinung der Linnea borealis in Deutſchland, die mein gelehrter und vortrefli-cher Freund Willdenow zuerſt fand. Dieſermerkwuͤrdige Strauch bedekt den Boden am Eh-renpfortenberge (nahe am Schloſſe Tegel) ineiner Strecke, die 20 — 30 Schritte lang iſt. Gleditſch botaniſirte faſt jaͤhrlich an derſelbenStelle, und vermuthete nie, daß eine Pflanzedes noͤrdlichen Schwedens 1 1/2 Meilen weitvon Berlin wachſe.
|137| Schriften von den duͤrftigen Zauberliedern *) der Griechen an, bis zum Plinius herab ver-nachlaͤſſigen.
Dazu ſtanden die Alten mit mehrerenGegenden in Verkehr, die uns fremd gewor-den ſind. Die Mineralogie von Afrika iſt unsbis auf einzelne Kuͤſten, voͤllig dunkel. Selbſtdie merkwuͤrdige Reiſe des Herrn Bruce, dieſo vieles Licht uͤber den politiſchen Zuſtand vonAegypten und Abyſſinien verbreitet, giebt unsuͤber die Gebirgsarten jener Laͤnder wenig Auf-klaͤrung. Strabo und Plinius hingegenſcheinen aͤthiopiſche Steinarten beſſer als man-che galliſche und pannoniſche gekannt zu haben.Ptolemaͤus iſt fuͤr die Kuͤſten des arabiſchen Meerbuſens z. B. ein wichtiger Geograph. Ge-naue Berechnungen ſeiner Meridiane und ſorg-faͤltige Unterſuchungen gelehrter Reiſenden koͤnn-ten die Mineralogie der Alten ſehr erleichtern. Dieſe Ideen von der Wichtigkeit der claſ-ſiſchen Mineralogen munterten mich auf, kriti-ſche Unterſuchungen uͤber einige der dunkelſtenSteinarten zu wagen. Ich fand den Baſanites mit dem lapis æthiopicus, den Magnetes mitdem lap. lydius. unſern Baſalt mit dem Sye-nites, mit dem lap. heracleus, und mit demGranit verwechſelt. Ich trug meine Ideen dar-uͤber in der Einleitung zu meiner kleinen Schrift:Mineralog. Beobachtungen uͤber einige Baſalteam Rhein ꝛc. vor. —
*) Geſammlet unter dem Titel: Orpheus de lapi-dibus.
|138| Dieſe Einleitung enthaͤlt einen eigenen Ab-ſchnitt uͤber den pyropoecilus oder Syenit derAlten, den einige Commentatoren auch Stigni-tes nennen. Kleine Stuͤcke Granit, die ausAegypten ſeyn ſollten, und die ich jezt fuͤr un-aͤcht halte, ließen mich, da ſie mir nirgendsHornblende zeigten, vermuthen: „der Syenites Wern. ſey eben ſo von dem Syenites Plin. ver-ſchieden, als es unſer ſtannum von dem ſtan-num der Alten iſt.“ Die Nachricht uͤber denSyenit in Koͤhlers bergmaͤnniſchem KalenderS. 208. war mir damals entgangen, und ichhalte es jezt fuͤr meine Pflicht auch unaufgefor-dert jene irrige Behauptung zuruͤkzunehmen, daich, indem ich vor Irrthum warne, ſelbſt ande-re zu einem Irrthum verleiten koͤnnte. Dervortrefliche engliſche Mineraloge, Herr Haw-kins, auf den auch unſer Vaterland ſtolz ſeyndarf, da er ſich unter Werner bildete, hateine intereſſante Sammlung antiker Granite,Porphyre ꝛc., aus Italien nach London ge-bracht. In allen Stuͤcken antiken Syenits, dieer die Guͤte hatte, mir zu zeigen, war aͤchteHornblende nicht zu verkennen. Der Syenitdes Herrn Inſpektor Werner iſt alſo mit demalten Syenit einerlei Mineral! Da mir die Wahrheit, nicht abermeine Meynungen wichtig ſind, ſo werd’ich nicht anſtehen, jeden andern Irrthum, denich bei einer ſo ſchwierigen Unterſuchung etwabegangen habe, ſo bald er mir aufſtoͤßt, freimuͤ-thig anzuzeigen.

H — t.