Beſchreibung einer neuen Spin- Zwirn - Haspel- Kratz- und Krempel-Maſchine zu hundert und mehrern Faden. Nebſt 27 Abriſſen. Coͤthen in der Hochfuͤrſtl. priv. Glandenberg. Buchhandlung 1789. (40 Seiten in 4.) 10 Thaler. Die Erſcheinung dieſer kleinen Schrift wird jedem Freunde der Technologie gewiß nicht unwillkommen ſeyn. Die Zeiten ſind voruͤber, in denen man alle Erfindungen, durch welche menſchliche Kraͤfte erſpart werden, gleichſam mit einem Fluche belegte, in denen man das Korn gern wieder von Menſchen haͤtte zerreiben, die Buͤcher von Abſchreibern vervielfaͤltigen laſſen u. ſ. f. Man hat, obgleich erſt ſpaͤt, doch endlich auch in unſerem Deutſchen Vaterlande eingeſehen, daß gefaͤhrlich ſcheinende Mittel durch vorſichtigen Gebrauch unſchaͤdlich, ja oft ſelbſt fuͤr das Ganze wohlthaͤtig werden. Wenn die in obiger Schrift vorgelegte Maſchine ihren Zweck ganz erreichte, ſo koͤnte ſie allerdings die wichtigſten politiſchen Folgen nach ſich ziehen. Sie ſoll ſich eben dadurch von allen aͤlteren Erfindungen dieſer Art auszeichnen, daß ſie nicht bloß fuͤr Baumwollen-, ſondern auch fuͤr Wollen- und Hanfſpinnerey beſtimt iſt. Die Algemeinheit ihres Gebrauchs alſo und das mannigfaltige Gluͤck und Ungluͤck, welches ſie uͤber verſchiedene Laͤnder verbreiten koͤnte, macht ſie einer aufmerkſamen Zergliederung wuͤrdig. Wir wollen erſt ihre einzelne Theile betrachten, ſie dann mit andern, uns bekanten, Maſchinen vergleichen und endlich mit einigen Anmerkungen uͤber ihre Maͤngel und Vorzuͤge ſchließen. Die neue Maſchine, welche auf eilf großen Kupfertafeln vorgeſtelt iſt, kan nur in ſo fern als ein Ganzes betrachtet werden, als die einzelnen Theile durch ein Stirnrad (als vis motrix) bewegt werden. Eine naͤhere Verbindung findet wenigſtens zwiſchen der Spinn- und Krempel-Maſchine nicht ſtat. Auch wird die Locke nicht durch das Raͤderwerk ſelbſt der Spinmaſchine, das Garn nicht der Zwirnmaſchine zugefuͤhrt. Alles dies muß unmittelbar durch menſchliche Kraͤfte geſchehen. a) Die Spinmaſchine § 1 — 37 iſt ihrem Baue nach von allen uns bekanten Spinmaſchinen gaͤnzlich verſchieden. Die rohen Materien, welche ſie verarbeitet, brauchen nicht vorgeſponnen zu werden. Die einzelnen (gekrempelten) Locken oder Floͤthen werden bloß mit ihren Enden aneinander gedruͤckt und ſo, beſonders bey Schafwolle, in ein blechernes Gefaͤß gelegt. Will man die rohen Materien vorſpinnen laſſen, ſo iſt es allerdings vortheilhafter. Doch muß das Vorgeſpinſte, um das Verwickeln der dicken Faͤden zu vermeiden, dann auf eine horizontal ſchwebende Bobine gewickelt werden. Die Locke oder das Vorgeſpinſte wird zwiſchen mehrern Walzen von hartem Holze durchgeklemt, welche paarweiſe uͤber einander liegen, ohngefaͤhr wie die ſtaͤhlernen Walzen an einem Streckwerk. Dieſe Lockenwalzen koͤnnen durch Schrauben naͤher aneinander gepreßt oder geluͤftet werden. Die uͤntern allein werden durch mehrere Schnuͤre ohne Ende in Bewegung geſetzt. Die oͤbern erhalten durch die Friction die entgegengeſetzte Bewegung und die ganze Verrichtung iſt voͤllig der aͤhnlich, auf welcher die Hindus die rohe Baumwolle von den Samenkoͤrnern reinigen. Alle Walzen werden durch eine Scheibe bewegt, um welche ſich daher halb ſoviel Schnuͤre ſchlingen als einzelne Walzen ſind. Diejenigen, durch welche die Locke zuerſt geht, muͤſſen einen groͤſſeren Durchmeſſer haben und ſich daher langſamer bewegen, als die entfernteren. Die natuͤrliche Wirkung dieſer Verrichtung iſt, daß die Locke durch die ſchnellere Bewegung der kleineren Walzen angezogen, aus der blechernen Buͤchſe durch die groͤſſere Walze durchgefuͤhrt und ſo betraͤchtlich ausgedehnt wird. Je geſchwinder die kleinen Walzen umlaufen, d. i., je kleiner ihr Durchmeſſer iſt, deſto duͤnner (feiner) erhaͤlt man die Locke. Die ausgedehnte Wolle muß nun noch zu einem Faden zuſammengedreht werden. Dies verrichtet ein dritter weſentlicher Theil der neuen Spinmaſchine, die Spindel. Sie iſt voͤllig der eines gewoͤhnlichen Tretrades aͤhnlich, ſteht aber ſenkrecht und wird durch ein horizontales Spinrad bewegt. Damit das geſponnene Garn ſich nicht immer auf eine Stelle der Spule aufwickele, ſind bey unſerem Tretrade in der Scheere kleine Haͤckchen, durch welche die Spinnerin den Faden nach und nach immer hoͤher leitet. Dieſe Unbequemlichkeit des oͤfteren Eingreifens in die Maſchine zu verhindern, hat der Erfinder eine neue Vorrichtung anbringen wollen, die aber ſehr mangelhaft beſchrieben iſt. Ein langer Arm, der an der Spindel beweglich iſt, ſoll an derſelben von ſelbſt hinanſteigen und ſo das Garn immer hoͤher und hoͤher leiten. Nach §. 36 ſcheint es, als ſolte das Garn ſelbſt, ſo wie es ſich unter dem gewoͤlbten Ausſchnitte jenes Arms oder Leiters anhaͤuft, denſelben in die Hoͤhe treiben. Die Schnur, welche Rad und Spindel verbindet, kann durch eine Schraube, welche auf die Spindel wirkt, ſtaͤrker oder ſchwaͤcher angezogen werden. Jede dieſer neuen Spinmaſchinen kan nur einen Faden ſpinnen. Ihrer Zuſammenſetzung nach beſtehen ſie aus einer 8 Fuß hohen Seule, die durch 3 horizontale Bretter durchſchnitten iſt, von denen auf dem uͤntern die Spindel und das Spinrad, auf dem mittleren das Lockengefaͤß, und auf dem oberen die Lockenwalzen angebracht ſind. b) Das Haspeln § 37. Die Spinmaſchine verrichtet das Haspeln ſelbſt. Auf das untere Brett wird neben die Spindel ein Haspel geſetzt, welcher mit den oberen Lockenwalzen in Verbindung ſteht. Das Spinrad bewegt nun nicht mehr die Spindel, weil die Schnur ohne Ende geloͤſet iſt. Der geſponnene Faden wird von der Spule auf den Haspel geleitet und wickelt ſich ſo, von dem Haspelarm gezogen, gaͤnzlich ab. c) Das Zwirnen § 38. Auch zu dieſem Geſchaͤfte kan die Spinmaſchine gebraucht werden. Das mittlere Brett, der Lockentiſch, wird durch einen Schieber verlaͤngert. Auf dieſe Verlaͤngerung ſchraubt man eine Garnwinde. Statt der Lockenbuͤchſe erſcheinen nun mehrere horizontale Bobinen, welche die Maſchine durch Schnuͤre ohne Ende bewegt. Das Garn wird unmittelbar durch menſchliche Kraͤfte von dem unteren Haspel auf die Garnwinde uͤbergetragen. Es wickelt ſich dann nach und nach auf die Bobinen, deren, je nachdem der Zwirn zwey oder dreydraͤtig ſeyn ſoll, zwey oder drey erfordert werden. Sind die Bobinen gefuͤllt, ſo klemt man die Faͤden durch die Walzen und die Spindel ſpint oder dreht dieſelben zuſammen. Zum Zwirnen gehoͤren demnach drey Operationen: 1) daß ein Menſch die Garnwinde bewickelt; 2) daß die Maſchine das Garn nach und nach auf die Bobinen leitet; 3) daß die Faͤden zuſammenlaufen. d) Die Krempelmaſchine § 39 — 44. Ein voͤllig abgeſondertes Stuͤck, das man mit dem großen Stirnrade (vis motrix) verbinden oder beſonders durch Waſſer treiben laſſen kan. Es beſteht aus 6 hoͤlzernen, 3 Fuß langen Walzen, die theils neben, theils auf einander liegen und wie Schrobel, mit Haͤckchen beſetzt ſind. Die rohe geflackte Wolle faͤllt aus einem ſchraͤgen Kaſten gegen ein eiſernes Gitter, durch welches die erſte, nahe liegende Walze ſie ergreift, ihrem Nachbar abgiebt u. ſ. f. Die Maſchine hat einen elenden, verwirten Mechanismus von 1 Stirnrade, 7 Kammraͤdern, und 13 Trillingen. Nur die letzte Walze, welche (ohngefaͤhr wie eine Knieſtreiche) mit den feinſten Haͤckchen beſetzt iſt, hat einen ſehr ſcharfſinnig erſonnenen Lockenmacher. Ein gewoͤlbtes Brett, welches von innen ebenfalls feine Zacken hat, wird von Zeit zu Zeit durch ein Heberad gehoben und bedeckt im Fallen einen Theil der Walze. Die auf derſelben ausgebreitete Scheibe ſtreift ſich gegen die Zacken oder Haͤckchen ab, rollt ſich zuſammen und ſinkt als eine Locke in ein eigenes Gefaͤß. Die ganze Spin- Zwirn- Haspel- Kratz- und Krempel- Maſchine ſoll von einem Menſchen durch einen Hebelarm an einer ſenkrechten Welle bewegt werden. Das Stirnrad dieſer Welle greift auf der einen Seite in die Streichwalzen, auf der anderen in die Spinraͤder, welche im Kreiſe, wie die Haspel an der gewoͤhnlichen Zwirnmuͤhle ſtehen. Wir muͤſſen bekennen, daß es nicht wenig Anſtrengung erfordert, ſich nach des Erfinders unvollſtaͤndigen, oft raͤthſelhaften Beſchreibung einen deutlichen Begrif von dieſem weitlaͤuftigen Mechanismus zu machen. Es iſt leider! noch immer das Schickſal der meiſten Deutſchen technologiſchen Schriften, daß ſie dunkel und widrig geſchrieben ſind. Wie wenige haben wir aufzuweiſen, welche an Faßlichkeit und Eleganz den Deſcriptions des arts et metiers, der Diderotſchen Encyclopaͤdie oder den neueſten Meiſterwerken des Herrn Roland de la Platiere gleichkommen! Der Styl, welcher in vorliegender Schrift herſcht, iſt unter aller Critik. Die Vorrede, die man erſt dem Verfaſſer und dann der Verlagshandlung zuſchreiben muß, iſt in einem gemeinen, marktſchreieriſchen Tone geſchrieben. Sie kan leicht von der beſchwerlichen, aber doch intereſſanten Lectuͤre des Ganzen abſchrecken. Die Glandenberg. Buchhandlung hat die Zeichnung der neuen Spinmaſchine, welche alle bereits exiſtirende uͤbertrift, fuͤr ſchweres Geld an ſich gekauft; ſie verſpricht noch andere Werke, uͤber die man erſtaunen wird, warnt vor einem Magiſter Dreſchuͤtz u. ſ. f. Die Kupfertafeln ſind ſehr ſauber geſtochen. Einige ſind ganz entbehrlich z. B. Tab. VI und VIII. Sie vertheuren das Werk unnoͤthiger Weiſe und alle 26 Figuren haͤtten auf wenigen Tafeln hinlaͤnglich Raum gehabt! Die Maſchine exiſtirte bey Erſcheinung der Beſchreibung noch nicht. Die Hochfuͤrſtl. Buchhandlung wolte, „um ihr Privilegium nicht mit Fuͤßen zu treten”, ſie nicht ſelbſt erbauen. Doch verſprach ein Freund in Coͤthen den erſten Verſuch zu wagen. Jeder, welcher ein aͤchtes Exemplar der Beſchreibung vorzeigt, ſoll die Maſchine in Augenſchein nehmen duͤrfen. Wenn wir die neue Maſchine mit den ſchon exiſtirenden aͤlteren vergleichen, ſo ſcheint jene vor dieſen , im Ganzen, wenig Vorzuͤge zu haben. Dennoch bleibt die Bekantmachung derſelben fuͤr den Mechaniker immer wichtig und lehrreich. Sie enthaͤlt im Einzelnen allerdings viel ſchoͤnes und ſinreiches, welches vielleicht nicht ohne Nutzen auf andere Maſchinen angewandt werden kan. Die engliſchen Spinmaſchinen ſpinnen 30 — 40 Faͤden auf einmal. Die neue Coͤthenſche § 1 — 37. liefert nur einen Faden. Die Spinmaſchine von 300 Faͤden, deren S. 38 Erwaͤhnung geſchieht, beſteht eigentlich aus 300 einzelnen Maſchinen welche zugleich bewegt werden. Sie ſoll demnach mit Einem Arbeiter ſo viel Garn liefern, als 10 engliſche Spinmaſchinen mit 10 Spinnerinnen! Aber der Erfinder ſcheint die Groͤße ſeiner Maſchine ſchlecht oder vielmehr gar nicht berechnet zu haben. Angenommen die kleinen einzelnen Spinraͤder § 1 — 6 ſtehen auch nur 6 Zoll breit auseinander, ſo gehoͤrt doch zu 300 ſolchen Spinraͤdern ein 50 Fuß breites Stirnrad, welches Ein Menſch bewegen ſoll! Um aber nur 25 Faͤden zu ſpinnen (S. Anhang), waͤre es doch ſonderbar, ein ganzes Zimmer mit einer ſo weitlaͤuftigen Vorrichtung zu fuͤllen, da man durch eine kleine 4 oder 5 Fuß lange Engliſche Spinnmaſchine eben dieſen Zweck bequemer erreichen kan. Ueberdem wird der Preis einer Engl. Spinmaſchine (gewoͤhnlich 7 bis 8 Carolinen !) den von 25 Coͤthenſchen, die einen ſehr ſauber gearbeiteten Walzenkaſten erfordern, wohl kaum das Gleichgewicht halten. Dennoch heißt es in vorliegender Schrift: „die Koſten bey einer Maſchine zu 25 Faden ſamt „Beſchreibung und Abriſſen ſind in Zeit von 14 Tagen durch das wohlfeilere Geſpinſte gleich wieder erſetzt!“ Das Ausdehnen der Locke, welches die Spinnerin ſonſt durch das Zuruͤckſchieben der Springfederlocke bewirkt, verrichten hier die Walzen. Dieſer Theil iſt in der That ſchoͤn erſonnen. Die Locke wird im Ziehen gepreßt, und es ſcheint als koͤnte durch dieſe Vorrichtung das oͤftere Reißen der Faͤden, welches den Werth unſerer aͤlteren Spinmaſchinen ſehr herabſetzt, verhindert oder geſchwaͤcht werden. Der Leiter an der Spule duͤrfte leicht ſeine Wirkung verfehlen. Es iſt ein ſchwieriges mechaniſches Problem, wenn man ſich der Schnur oder des Gezaͤhnes nicht bedienen kann, Theile anzubringen, welche, von ſelbſt, regelmaͤßig ſteigen oder ſinken. Wir fuͤrchten ſehr, jeder Leiter moͤchte zu ſchwer ſeyn, um von dem Garne gehoben zu werden. Die neue Spinn-Maſchine ſoll auch Schafwolle und praͤparirten Hanf ſpinnen. Worauf gruͤndet der Erfinder dieſes Verſprechen? Auf Erfahrungen? Sie ſind nicht angeſtelt. Auf Theorie? Die Vernunft kan hier wenig a priori entſcheiden. Die ſchoͤne Einrichtung der Walzen laͤßt hier allerdings mehr hoffen, als bey den engliſchen Spinmaſchinen, wo die Locke ganz ungepreßt und frey ausgedehnt wird. Der Hanf ſoll praͤparirt werden. Der Verfaſſer ſetzt nicht hinzu wie? ob macerirt oder gelauget? Er ſcheint den Hanf allein vorbereiten zu wollen. War ihm denn unbekant, daß auch ſelbſt die Baumwolle durch ein eigenes Bad gehen muß. L’art du Fabricant de velours de coton 1780 p. 8. Unſere teutſchen Spinmaſchinen leiſten vorzuͤglich eben darum ſo wenig, weil unſere Fabrikanten nicht das engliſche Seifenbad kennen. Das Zwirnen § 38 auf der neuen Maſchine iſt ſehr unbequem. Es erfordert viele Vorbereitungen. Das Reiben des Garns zwiſchen den hoͤlzernen Walzen iſt fuͤr daſſelbe gewiß ſchaͤdlich. Selbſt bey der gewoͤhnlichen Zwirnmuͤhle. ( Jacobsſons Schauplatz. Th. IV. Tab. II. Fig. 8.) wird, um alle Friction zu vermeiden, der Faden uͤber glaͤſerne Roͤhren geleitet; und doch bewegt ſich hier alles frey ohne Klemmung. Geſetzt aber auch die Coͤthenſche Maſchine lieferte einen ſtarken, wohlgedrehten Zwirn, welche Vorzuͤge hat ſie vor den aͤlteren? Der Vorzug, daß ſie zugleich ſpint und zwirnt waͤre allerdings wichtig, aber eine kleine Berechnung lehrt, daß er nur ein eingebildeter ſey. Zu einer Maſchine von 120 Faͤden wird ein Stirnrad von wenigſtens 20 Fuß Durchmeſſer erfodert. Die Kraft eines Menſchen iſt kaum hinreichend, die Laſt dieſes Stirnrades und die Friction der Krempelmaſchinen zu uͤberwinden. Dennoch giebt dieſe weitlaͤuftige Vorrichtung nicht mehr Garn als 3 engliſche Spinmaſchinen zu 40 Bobinen. Bey einer ſehr geringen Fabrikation wird man jene 120 Spinraͤder gewiß immer zum Spinnen beſchaͤftigen koͤnnen. Zum Zwirnen alſo muß eine beſondere Maſchine errichtet werden. Wer wird ſich aber hier wohl der Coͤthenſchen bedienen wollen? Eine gewoͤhnliche Zwirnmuͤhle hat gegen 400 Bobinen, die in 3 Etagen uͤber einander ſtehen. Die Coͤthenſche Zwirnmaſchine muͤßte, um eben die Wirkung zu thun, 200 Fuß im Umfange haben! Ueberdem hat man die Unbequemlichkeit ſolcher kreisfoͤrmigen Zwirnmuͤhlen laͤngſt eingeſehen, da ſie uͤbermaͤßigen Raum wegnehmen, ein Gebaͤude belaͤſtigen, fuͤr den Arbeiter unbequem, ja ſelbſt ſeiner Geſundheit nachtheilig ſind u. ſ. f. Die ſchmalen, ovalen Schifmuͤhlen ſind ſchon haͤufig eingefuͤhrt und ſelbſt die vortrefliche engliſche Zwirnmuͤhle, welche durch eine ſenkrechte Kurbel bewegt wird, und ein Parallelogramm ausmacht, iſt in groſſen teutſchen Manufakturen z. B. in der Manſcheſterfabrik zu Berlin, bereits im Gebrauch. Die neue Krempelmaſchine § 39 iſt nichts weniger als neu. Ganz aͤhnliche werden in Deutſchland z. B. in Offenbach von dem geſchickten Maſchiniſten Storch erbauet. Roland de la Platiere beſchreibt ſie in dem eben angefuͤhrten Art du fabric de velours etc. auf 3 planches als eine mecanique à carder, le coton. Sie wurde ſchon 1775 in Frankreich eingefuͤhrt. In Teutſchland iſt ſie auch im Gange, z. B. in der Wollenzeugmanufaktur der Herren Gebruͤder Heſſe und in der Kattun- und Zitzmanufaktur des Herrn Sieburgs zu Berlin. Doch moͤchten wir faſt glauben, der Erfinder der ſogenanten neuen Krempelmaſchine habe die aͤlteren nicht gekant. Er wuͤrde ſonſt die Vortheile derſelben bey den ſeinigen genutzt haben. Wir wuͤrden dieſe Recenſion uͤbermaͤßig verlaͤngern, wenn wir alle einzelne Maͤngel der neuen Streichwalzen durchgehen wolten. Alſo nur wenige Beyſpiele zur Probe! Die erſte Walze darf die rohe Wolle nicht ſelbſt an ſich raufen. Sie wird ihr weit bequemer und gleichmaͤßiger durch einen Rumpf zugefuͤhrt. Bisweilen, was noch beſſer, liegt die Wolle gar auf einer beweglichen Leinwand, die durch den Rumpf (faſt wie eine Schnur ohne Ende) der Maſchine naͤher gezogen wird. Bey den neueſten engliſchen Krempelmaſchinen ſoll die rohe, geflackte Materie gar durch einen Trichter von oben auf die Walzen geſchuͤttet werden. Der Mechanismus, durch welchen die coͤthenſchen Walzen bewegt werden, verurſacht gewiß uͤbermaͤßige Friction und Klemmung. Die franzoͤſiſchen, engliſchen und teutſchen Krempelmaſchinen werden faſt alle auf eine ſehr einfache Art durch Schnuͤre ohne Ende bewegt. Zwar hat man, weil die Schnuͤre dem ſteten Wechſel der Luft zu ſehr ausgeſetzt ſind, auch eine neue Vorrichtung mit Schrauben ohne Ende und Stirnraͤdern verſucht. Aber bey dieſer ſtehen die Walzen unmittelbar in Verbindung, nicht durch 7 Kamraͤder und 13 Trillingen, die in 6 gezaͤhnte Cylinder greifen! Dennoch ſagt Herr Roland de la Platiere von ſolchen Maſchinen ohne Schnuͤre: elles ont la marche plus égale, mais elles ſont plus lourdes. Der Coͤthenſche Lockenmacher iſt ſchoͤn und ſinreich erſonnen, aber er iſt zerbrechlicher und weitlaͤuftiger als der aͤltere. Bey den engliſchen Krempelmaſchinen ſtehen der letzteren Walze zwey Fluͤgel an einer horizontalen Welle gegenuͤber. Der vordere Theil dieſer Fluͤgel iſt mit feinen (durch eine leicht ſich zuruͤckſchiebende Feder bedeckten) Zaͤhnen verſehen. Dieſe Zaͤhne ſtreichen die wollene Scheibe von der Walze ab, und werfen dieſelbe auf einen Rumpf, der ſie gegen eine geſchweifte meſſingene Flaͤche als Locke zuſammenrollt. Die neuen Coͤthenſchen Streichwalzen ſollen nur 3 Fuß lang ſeyn. Daher glaubt der Erfinder, ſie wuͤrden zu wenig gekrempelte Wolle liefern, und raͤth 4 oder mehr ſolche Kratzmaſchinen anzulegen. Warum duͤrfen die Walzen nicht lieber um einige Fuß verlaͤngert werden? So erſparte man wenigſtens die ungeheure Friction ſo vieler Getriebe. Eine gewoͤhnliche Krempelmaſchine von 8 — 10 Cylindern, welche 4 — 5 Fuß lang ſind, liefert ja taͤglich 50 — 60 Pfund geſtrichene Wolle! Dieſe Angabe war wohl dem Verfaſſer unbekant. Wenn wir einen Blick auf das Ganze werfen, ſo koͤnnen wir uns des Wunſches nicht enthalten, der Erfinder der neuen Spin- Zwirn- Haspel- Kratz- und Krempel- Maſchine, haͤtte vor Bekantmachung ſeines, in vieler Ruͤckſicht lobenswerthen Werks, daſſelbe im Einzelnen genauer unterſucht, andere Maſchinen daneben gehalten, Kraft und Laſt berechnet, die Zahl der Zaͤhne, Kaͤmme und Triebſtoͤcke angegeben u. ſ. f. Wie iſt es denkbar, daß ein Menſch zwey Stirnraͤder von wenigſtens 150 Fuß Umfang, 1200 auf einander ſchleifende Lockenwalzen, und 4 Krempelmaſchinen (von denen eine, wie die Erfahrung ſelbſt in Teutſchland lehrt, faſt 2 Arbeiter erfodert) in Bewegung ſetze? Wir hoffen, daß geſchickte Mechaniker das mancherley Gute, welches vorliegende Schrift enthaͤlt, uͤber die Maͤngel die wir ihr vorwerfen, nicht uͤberſehen, ſondern vielmehr, daß ſie es zu anderen Maſchinen benutzen und ſo fuͤr das Wohl der menſchlichen Geſelſchaft anwenden werden. Alexander von Humboldt.