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Alexander von Humboldt: „Beschreibung einer neuen Spin- Zwirn- Haspel- Kratz- und Krempel-Maschine zu hundert und mehrern Faden. Nebst 27 Abrissen. Cöthen in der Hochfürstl. priv. Glandenberg. Buchhandlung 1789. (40 Seiten in 4.) 10 Thaler [Besprechung]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1791-Beschreibung_einer_neuen-1> [abgerufen am 19.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1791-Beschreibung_einer_neuen-1
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Titel Beschreibung einer neuen Spin- Zwirn- Haspel- Kratz- und Krempel-Maschine zu hundert und mehrern Faden. Nebst 27 Abrissen. Cöthen in der Hochfürstl. priv. Glandenberg. Buchhandlung 1789. (40 Seiten in 4.) 10 Thaler [Besprechung]
Jahr 1791
Ort Göttingen
Nachweis
in: Physikalisch-ökonomische Bibliothek 16:2 (1791), S. 228–244.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Kursivierung, Schwabacher; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.10
Dateiname: 1791-Beschreibung_einer_neuen-1
Statistiken
Seitenanzahl: 17
Zeichenanzahl: 19316
Bilddigitalisate

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Beſchreibung einer neuen Spin- Zwirn- Haspel- Kratz- und Krempel-Ma-ſchine zu hundert und mehrern Faden.Nebſt 27 Abriſſen. Coͤthen inder Hochfuͤrſtl. priv. Glandenberg.Buchhandlung 1789. (40 Seitenin 4.) 10 Thaler.

|229| Die Erſcheinung dieſer kleinen Schriftwird jedem Freunde der Technologiegewiß nicht unwillkommen ſeyn. Die Zei-ten ſind voruͤber, in denen man alle Erfin-dungen, durch welche menſchliche Kraͤfte er-ſpart werden, gleichſam mit einem Fluchebelegte, in denen man das Korn gern wie-der von Menſchen haͤtte zerreiben, die Buͤchervon Abſchreibern vervielfaͤltigen laſſen u. ſ. f.Man hat, obgleich erſt ſpaͤt, doch endlichauch in unſerem Deutſchen Vaterlande ein-geſehen, daß gefaͤhrlich ſcheinende Mitteldurch vorſichtigen Gebrauch unſchaͤdlich,ja oft ſelbſt fuͤr das Ganze wohlthaͤtig wer-den. Wenn die in obiger Schrift vorge-legte Maſchine ihren Zweck ganz erreichte,ſo koͤnte ſie allerdings die wichtigſten poli-tiſchen Folgen nach ſich ziehen. Sie ſoll ſicheben dadurch von allen aͤlteren Erfindungendieſer Art auszeichnen, daß ſie nicht bloßfuͤr Baumwollen-, ſondern auch fuͤr Wollen-und Hanfſpinnerey beſtimt iſt. DieAlgemeinheit ihres Gebrauchs alſo und dasmannigfaltige Gluͤck und Ungluͤck, welchesſie uͤber verſchiedene Laͤnder verbreiten koͤnte,macht ſie einer aufmerkſamen Zergliederungwuͤrdig. Wir wollen erſt ihre einzelne Theilebetrachten, ſie dann mit andern, uns bekan-ten, Maſchinen vergleichen und endlich mit |230| einigen Anmerkungen uͤber ihre Maͤngel undVorzuͤge ſchließen. Die neue Maſchine, welche auf eilf gro-ßen Kupfertafeln vorgeſtelt iſt, kan nur inſo fern als ein Ganzes betrachtet werden,als die einzelnen Theile durch ein Stirnrad (als vis motrix) bewegt werden. Einenaͤhere Verbindung findet wenigſtens zwi-ſchen der Spinn- und Krempel-Maſchinenicht ſtat. Auch wird die Locke nicht durchdas Raͤderwerk ſelbſt der Spinmaſchine, dasGarn nicht der Zwirnmaſchine zugefuͤhrt.Alles dies muß unmittelbar durch menſch-liche Kraͤfte geſchehen. a) Die Spin-maſchine § 1—37 iſt ihrem Baue nachvon allen uns bekanten Spinmaſchinengaͤnzlich verſchieden. Die rohen Materien,welche ſie verarbeitet, brauchen nicht vor-geſponnen zu werden. Die einzelnen (ge-krempelten) Locken oder Floͤthen werden bloßmit ihren Enden aneinander gedruͤckt undſo, beſonders bey Schafwolle, in einblechernes Gefaͤß gelegt. Will man dierohen Materien vorſpinnen laſſen, ſo iſt esallerdings vortheilhafter. Doch muß dasVorgeſpinſte, um das Verwickeln derdicken Faͤden zu vermeiden, dann auf einehorizontal ſchwebende Bobine gewickeltwerden. Die Locke oder das Vorgeſpinſte |231| wird zwiſchen mehrern Walzen von hartemHolze durchgeklemt, welche paarweiſe uͤbereinander liegen, ohngefaͤhr wie die ſtaͤh-lernen Walzen an einem Streckwerk. DieſeLockenwalzen koͤnnen durch Schrauben naͤheraneinander gepreßt oder geluͤftet werden.Die uͤntern allein werden durch mehrereSchnuͤre ohne Ende in Bewegung geſetzt.Die oͤbern erhalten durch die Friction die ent-gegengeſetzte Bewegung und die ganze Ver-richtung iſt voͤllig der aͤhnlich, auf welcherdie Hindus die rohe Baumwolle von denSamenkoͤrnern reinigen. Alle Walzenwerden durch eine Scheibe bewegt, umwelche ſich daher halb ſoviel Schnuͤre ſchlin-gen als einzelne Walzen ſind. Diejenigen,durch welche die Locke zuerſt geht, muͤſſeneinen groͤſſeren Durchmeſſer haben und ſichdaher langſamer bewegen, als die entfernte-ren. Die natuͤrliche Wirkung dieſer Ver-richtung iſt, daß die Locke durch die ſchnel-lere Bewegung der kleineren Walzen ange-zogen, aus der blechernen Buͤchſe durch diegroͤſſere Walze durchgefuͤhrt und ſo betraͤcht-lich ausgedehnt wird. Je geſchwinder diekleinen Walzen umlaufen, d. i., je kleinerihr Durchmeſſer iſt, deſto duͤnner (feiner)erhaͤlt man die Locke. Die ausgedehnteWolle muß nun noch zu einem Faden zu-ſammengedreht werden. Dies verrichtet |232| ein dritter weſentlicher Theil der neuen Spin-maſchine, die Spindel. Sie iſt voͤllig dereines gewoͤhnlichen Tretrades aͤhnlich, ſtehtaber ſenkrecht und wird durch ein horizon-tales Spinrad bewegt. Damit das ge-ſponnene Garn ſich nicht immer auf eineStelle der Spule aufwickele, ſind bey un-ſerem Tretrade in der Scheere kleine Haͤck-chen, durch welche die Spinnerin denFaden nach und nach immer hoͤher leitet.Dieſe Unbequemlichkeit des oͤfteren Ein-greifens in die Maſchine zu verhindern, hatder Erfinder eine neue Vorrichtung anbrin-gen wollen, die aber ſehr mangelhaft be-ſchrieben iſt. Ein langer Arm, der ander Spindel beweglich iſt, ſoll an derſelbenvon ſelbſt hinanſteigen und ſo das Garnimmer hoͤher und hoͤher leiten. Nach §. 36ſcheint es, als ſolte das Garn ſelbſt, ſowie es ſich unter dem gewoͤlbten Ausſchnittejenes Arms oder Leiters anhaͤuft, denſel-ben in die Hoͤhe treiben. Die Schnur, welcheRad und Spindel verbindet, kann durch eineSchraube, welche auf die Spindel wirkt,ſtaͤrker oder ſchwaͤcher angezogen werden.Jede dieſer neuen Spinmaſchinen kan nureinen Faden ſpinnen. Ihrer Zuſammen-ſetzung nach beſtehen ſie aus einer 8 Fuß hohenSeule, die durch 3 horizontale Bretterdurchſchnitten iſt, von denen auf dem uͤntern |233| die Spindel und das Spinrad, auf demmittleren das Lockengefaͤß, und auf demoberen die Lockenwalzen angebracht ſind. b) Das Haspeln § 37. Die Spinma-ſchine verrichtet das Haspeln ſelbſt. Aufdas untere Brett wird neben die Spindelein Haspel geſetzt, welcher mit den oberenLockenwalzen in Verbindung ſteht. DasSpinrad bewegt nun nicht mehr die Spin-del, weil die Schnur ohne Ende geloͤſet iſt.Der geſponnene Faden wird von der Spuleauf den Haspel geleitet und wickelt ſich ſo,von dem Haspelarm gezogen, gaͤnzlich ab. c) Das Zwirnen § 38. Auch zu dieſemGeſchaͤfte kan die Spinmaſchine gebrauchtwerden. Das mittlere Brett, der Locken-tiſch, wird durch einen Schieber verlaͤngert.Auf dieſe Verlaͤngerung ſchraubt man eineGarnwinde. Statt der Lockenbuͤchſe erſchei-nen nun mehrere horizontale Bobinen,welche die Maſchine durch Schnuͤre ohneEnde bewegt. Das Garn wird unmittel-bar durch menſchliche Kraͤfte von dem un-teren Haspel auf die Garnwinde uͤbergetragen.Es wickelt ſich dann nach und nach auf dieBobinen, deren, je nachdem der Zwirn zweyoder dreydraͤtig ſeyn ſoll, zwey oder drey er-fordert werden. Sind die Bobinen gefuͤllt,ſo klemt man die Faͤden durch die Walzen |234| und die Spindel ſpint oder dreht dieſelbenzuſammen. Zum Zwirnen gehoͤren demnachdrey Operationen: 1) daß ein Menſch dieGarnwinde bewickelt; 2) daß die Maſchinedas Garn nach und nach auf die Bobinenleitet; 3) daß die Faͤden zuſammenlaufen. d) Die Krempelmaſchine § 39—44.Ein voͤllig abgeſondertes Stuͤck, das manmit dem großen Stirnrade (vis motrix)verbinden oder beſonders durch Waſſer trei-ben laſſen kan. Es beſteht aus 6 hoͤlzer-nen, 3 Fuß langen Walzen, die theils ne-ben, theils auf einander liegen und wie Schro-bel, mit Haͤckchen beſetzt ſind. Die rohegeflackte Wolle faͤllt aus einem ſchraͤgenKaſten gegen ein eiſernes Gitter, durch wel-ches die erſte, nahe liegende Walze ſie er-greift, ihrem Nachbar abgiebt u. ſ. f.Die Maſchine hat einen elenden, verwirtenMechanismus von 1 Stirnrade, 7 Kamm-raͤdern, und 13 Trillingen. Nur die letzteWalze, welche (ohngefaͤhr wie eine Knie-ſtreiche) mit den feinſten Haͤckchen beſetztiſt, hat einen ſehr ſcharfſinnig erſonnenenLockenmacher. Ein gewoͤlbtes Brett, wel-ches von innen ebenfalls feine Zacken hat,wird von Zeit zu Zeit durch ein Heberadgehoben und bedeckt im Fallen einen Theilder Walze. Die auf derſelben ausgebreiteteScheibe ſtreift ſich gegen die Zacken oder Haͤck- |235| chen ab, rollt ſich zuſammen und ſinkt alseine Locke in ein eigenes Gefaͤß. Die ganze Spin- Zwirn- Haspel-Kratz- und Krempel-Maſchine ſoll voneinem Menſchen durch einen Hebelarm aneiner ſenkrechten Welle bewegt werden. DasStirnrad dieſer Welle greift auf der einenSeite in die Streichwalzen, auf der anderenin die Spinraͤder, welche im Kreiſe, wiedie Haspel an der gewoͤhnlichen Zwirn-muͤhle ſtehen. Wir muͤſſen bekennen, daß es nicht we-nig Anſtrengung erfordert, ſich nach desErfinders unvollſtaͤndigen, oft raͤthſelhaftenBeſchreibung einen deutlichen Begrif vondieſem weitlaͤuftigen Mechanismus zu ma-chen. Es iſt leider! noch immer das Schick-ſal der meiſten Deutſchen technologiſchenSchriften, daß ſie dunkel und widrig ge-ſchrieben ſind. Wie wenige haben wir auf-zuweiſen, welche an Faßlichkeit und Eleganzden Deſcriptions des arts et metiers, der Diderotſchen Encyclopaͤdie oder den neueſtenMeiſterwerken des Herrn Roland de la Platiere gleichkommen! Der Styl, welcherin vorliegender Schrift herſcht, iſt unteraller Critik. Die Vorrede, die man erſtdem Verfaſſer und dann der Verlagshand- |236| lung zuſchreiben muß, iſt in einem gemeinen,marktſchreieriſchen Tone geſchrieben. Siekan leicht von der beſchwerlichen, aber dochintereſſanten Lectuͤre des Ganzen abſchrecken.Die Glandenberg. Buchhandlung hat dieZeichnung der neuen Spinmaſchine, welchealle bereits exiſtirende uͤbertrift, fuͤr ſchwe-res Geld an ſich gekauft; ſie verſpricht nochandere Werke, uͤber die man erſtaunen wird, warnt vor einem Magiſter Dreſchuͤtzu. ſ. f. Die Kupfertafeln ſind ſehr ſaubergeſtochen. Einige ſind ganz entbehrlich z.B. Tab. VI und VIII. Sie vertheuren dasWerk unnoͤthiger Weiſe und alle 26 Figu-ren haͤtten auf wenigen Tafeln hinlaͤnglichRaum gehabt! Die Maſchine exiſtirte bey Erſcheinungder Beſchreibung noch nicht. Die Hoch-fuͤrſtl. Buchhandlung wolte, „um ihr Pri-vilegium nicht mit Fuͤßen zu treten”, ſienicht ſelbſt erbauen. Doch verſprach einFreund in Coͤthen den erſten Verſuch zuwagen. Jeder, welcher ein aͤchtes Exem-plar der Beſchreibung vorzeigt, ſoll die Ma-ſchine in Augenſchein nehmen duͤrfen. Wenn wir die neue Maſchine mit denſchon exiſtirenden aͤlteren vergleichen, ſo ſcheintjene vor dieſen, im Ganzen, wenig Vor- |237| zuͤge zu haben. Dennoch bleibt die Bekant-machung derſelben fuͤr den Mechaniker im-mer wichtig und lehrreich. Sie enthaͤlt im Einzelnen allerdings viel ſchoͤnes und ſin-reiches, welches vielleicht nicht ohne Nutzenauf andere Maſchinen angewandt wer-den kan. Die engliſchen Spinmaſchinen ſpinnen30—40 Faͤden auf einmal. Die neue Coͤthenſche § 1—37. liefert nur einen Faden. Die Spinmaſchine von 300 Faͤ-den, deren S. 38 Erwaͤhnung geſchieht,beſteht eigentlich aus 300 einzelnen Maſchi-nen welche zugleich bewegt werden. Sieſoll demnach mit Einem Arbeiter ſo viel Garnliefern, als 10 engliſche Spinmaſchinenmit 10 Spinnerinnen! Aber der Erfinderſcheint die Groͤße ſeiner Maſchine ſchlechtoder vielmehr gar nicht berechnet zu haben.Angenommen die kleinen einzelnen Spin-raͤder § 1—6 ſtehen auch nur 6 Zollbreit auseinander, ſo gehoͤrt doch zu 300ſolchen Spinraͤdern ein 50 Fuß breitesStirnrad, welches Ein Menſch bewegenſoll! Um aber nur 25 Faͤden zu ſpinnen(S. Anhang), waͤre es doch ſonderbar, einganzes Zimmer mit einer ſo weitlaͤuftigenVorrichtung zu fuͤllen, da man durch eine kleine4 oder 5 Fuß lange Engliſche Spinnmaſchine |238| eben dieſen Zweck bequemer erreichen kan.Ueberdem wird der Preis einer Engl. Spin-maſchine (gewoͤhnlich 7 bis 8 Carolinen!)den von 25 Coͤthenſchen, die einen ſehr ſau-ber gearbeiteten Walzenkaſten erfordern, wohlkaum das Gleichgewicht halten. Dennochheißt es in vorliegender Schrift: „die Ko- „ſten bey einer Maſchine zu 25 Faden ſamt„Beſchreibung und Abriſſen ſind in Zeit von„14 Tagen durch das wohlfeilere Geſpinſte„gleich wieder erſetzt!“ Das Ausdehnen der Locke, welches dieSpinnerin ſonſt durch das Zuruͤckſchiebender Springfederlocke bewirkt, verrichten hierdie Walzen. Dieſer Theil iſt in der Thatſchoͤn erſonnen. Die Locke wird im Ziehengepreßt, und es ſcheint als koͤnte durch dieſeVorrichtung das oͤftere Reißen der Faͤden,welches den Werth unſerer aͤlteren Spinma-ſchinen ſehr herabſetzt, verhindert oder ge-ſchwaͤcht werden. Der Leiter an der Spuleduͤrfte leicht ſeine Wirkung verfehlen. Esiſt ein ſchwieriges mechaniſches Problem,wenn man ſich der Schnur oder des Gezaͤh-nes nicht bedienen kann, Theile anzubrin-gen, welche, von ſelbſt, regelmaͤßig ſteigenoder ſinken. Wir fuͤrchten ſehr, jeder Leitermoͤchte zu ſchwer ſeyn, um von dem Garnegehoben zu werden. Die neue Spinn-Ma- |239| ſchine ſoll auch Schafwolle und praͤparirtenHanf ſpinnen. Worauf gruͤndet der Erfin-der dieſes Verſprechen? Auf Erfahrungen?Sie ſind nicht angeſtelt. Auf Theorie?Die Vernunft kan hier wenig a priori ent-ſcheiden. Die ſchoͤne Einrichtung der Wal-zen laͤßt hier allerdings mehr hoffen, alsbey den engliſchen Spinmaſchinen, wo dieLocke ganz ungepreßt und frey ausgedehntwird. Der Hanf ſoll praͤparirt werden.Der Verfaſſer ſetzt nicht hinzu wie? ob ma-cerirt oder gelauget? Er ſcheint den Hanfallein vorbereiten zu wollen. War ihm dennunbekant, daß auch ſelbſt die Baumwolledurch ein eigenes Bad gehen muß. L’artdu Fabricant de velours de coton 1780p. 8. Unſere teutſchen Spinmaſchinenleiſten vorzuͤglich eben darum ſo wenig, weilunſere Fabrikanten nicht das engliſche Sei-fenbad kennen. Das Zwirnen § 38 auf der neuen Ma-ſchine iſt ſehr unbequem. Es erfordertviele Vorbereitungen. Das Reiben desGarns zwiſchen den hoͤlzernen Walzen iſtfuͤr daſſelbe gewiß ſchaͤdlich. Selbſt bey dergewoͤhnlichen Zwirnmuͤhle. (Jacobsſons Schauplatz. Th. IV. Tab. II. Fig. 8.) wird,um alle Friction zu vermeiden, der Fadenuͤber glaͤſerne Roͤhren geleitet; und doch bewegt |240| ſich hier alles frey ohne Klemmung. Ge-ſetzt aber auch die Coͤthenſche Maſchine lie-ferte einen ſtarken, wohlgedrehten Zwirn,welche Vorzuͤge hat ſie vor den aͤlteren?Der Vorzug, daß ſie zugleich ſpint undzwirnt waͤre allerdings wichtig, aber einekleine Berechnung lehrt, daß er nur ein ein-gebildeter ſey. Zu einer Maſchine von 120Faͤden wird ein Stirnrad von wenigſtens20 Fuß Durchmeſſer erfodert. Die Krafteines Menſchen iſt kaum hinreichend, die Laſtdieſes Stirnrades und die Friction derKrempelmaſchinen zu uͤberwinden. Dennochgiebt dieſe weitlaͤuftige Vorrichtung nichtmehr Garn als 3 engliſche Spinmaſchinenzu 40 Bobinen. Bey einer ſehr geringen Fabrikation wird man jene 120 Spinraͤdergewiß immer zum Spinnen beſchaͤftigen koͤn-nen. Zum Zwirnen alſo muß eine beſon-dere Maſchine errichtet werden. Wer wirdſich aber hier wohl der Coͤthenſchen bedienenwollen? Eine gewoͤhnliche Zwirnmuͤhle hatgegen 400 Bobinen, die in 3 Etagen uͤbereinander ſtehen. Die Coͤthenſche Zwirn-maſchine muͤßte, um eben die Wirkung zuthun, 200 Fuß im Umfange haben! Ueber-dem hat man die Unbequemlichkeit ſolcherkreisfoͤrmigen Zwirnmuͤhlen laͤngſt eingeſehen,da ſie uͤbermaͤßigen Raum wegnehmen, einGebaͤude belaͤſtigen, fuͤr den Arbeiter unbe- |241| quem, ja ſelbſt ſeiner Geſundheit nachthei-lig ſind u. ſ. f. Die ſchmalen, ovalenSchifmuͤhlen ſind ſchon haͤufig eingefuͤhrtund ſelbſt die vortrefliche engliſche Zwirn-muͤhle, welche durch eine ſenkrechte Kurbelbewegt wird, und ein Parallelogramm aus-macht, iſt in groſſen teutſchen Manufak-turen z. B. in der Manſcheſterfabrik zu Berlin, bereits im Gebrauch. Die neue Krempelmaſchine § 39 iſt nichts weniger als neu. Ganz aͤhnlichewerden in Deutſchland z. B. in Offenbach von dem geſchickten Maſchiniſten Storch er-bauet. Roland de la Platiere beſchreibt ſiein dem eben angefuͤhrten Art du fabric develours etc. auf 3 planches als eine meca-nique à carder, le coton. Sie wurdeſchon 1775 in Frankreich eingefuͤhrt. In Teutſchland iſt ſie auch im Gange, z. B. inder Wollenzeugmanufaktur der Herren Ge-bruͤder Heſſe und in der Kattun- und Zitz-manufaktur des Herrn Sieburgs zu Berlin.Doch moͤchten wir faſt glauben, der Erfin-der der ſogenanten neuen Krempelmaſchinehabe die aͤlteren nicht gekant. Er wuͤrdeſonſt die Vortheile derſelben bey den ſeini-gen genutzt haben. Wir wuͤrden dieſe Re-cenſion uͤbermaͤßig verlaͤngern, wenn wiralle einzelne Maͤngel der neuen Streichwal- |242| zen durchgehen wolten. Alſo nur wenigeBeyſpiele zur Probe! Die erſte Walze darfdie rohe Wolle nicht ſelbſt an ſich raufen.Sie wird ihr weit bequemer und gleichmaͤßi-ger durch einen Rumpf zugefuͤhrt. Biswei-len, was noch beſſer, liegt die Wolle garauf einer beweglichen Leinwand, die durchden Rumpf (faſt wie eine Schnur ohne En-de) der Maſchine naͤher gezogen wird. Beyden neueſten engliſchen Krempelmaſchinen ſoll die rohe, geflackte Materie gar durcheinen Trichter von oben auf die Walzen ge-ſchuͤttet werden. Der Mechanismus, durchwelchen die coͤthenſchen Walzen bewegt wer-den, verurſacht gewiß uͤbermaͤßige Frictionund Klemmung. Die franzoͤſiſchen, engli-ſchen und teutſchen Krempelmaſchinen wer-den faſt alle auf eine ſehr einfache Art durchSchnuͤre ohne Ende bewegt. Zwar hatman, weil die Schnuͤre dem ſteten Wechſelder Luft zu ſehr ausgeſetzt ſind, aucheine neue Vorrichtung mit Schrauben ohneEnde und Stirnraͤdern verſucht. Aber beydieſer ſtehen die Walzen unmittelbar inVerbindung, nicht durch 7 Kamraͤder und13 Trillingen, die in 6 gezaͤhnte Cylindergreifen! Dennoch ſagt Herr Roland de la Platiere von ſolchen Maſchinen ohne Schnuͤre: elles ont la marche plus égale, mais ellesſont plus lourdes. |243| Der Coͤthenſche Lockenmacher iſt ſchoͤnund ſinreich erſonnen, aber er iſt zerbrech-licher und weitlaͤuftiger als der aͤltere. Beyden engliſchen Krempelmaſchinen ſtehen derletzteren Walze zwey Fluͤgel an einer horizon-talen Welle gegenuͤber. Der vordere Theildieſer Fluͤgel iſt mit feinen (durch eine leichtſich zuruͤckſchiebende Feder bedeckten) Zaͤh-nen verſehen. Dieſe Zaͤhne ſtreichen diewollene Scheibe von der Walze ab, undwerfen dieſelbe auf einen Rumpf, der ſiegegen eine geſchweifte meſſingene Flaͤche alsLocke zuſammenrollt. Die neuen Coͤthenſchen Streichwalzenſollen nur 3 Fuß lang ſeyn. Daher glaubtder Erfinder, ſie wuͤrden zu wenig gekrem-pelte Wolle liefern, und raͤth 4 oder mehrſolche Kratzmaſchinen anzulegen. Warumduͤrfen die Walzen nicht lieber um einigeFuß verlaͤngert werden? So erſparte manwenigſtens die ungeheure Friction ſo vielerGetriebe. Eine gewoͤhnliche Krempelma-ſchine von 8—10 Cylindern, welche4—5 Fuß lang ſind, liefert ja taͤglich50—60 Pfund geſtrichene Wolle! DieſeAngabe war wohl dem Verfaſſer un-bekant. |244| Wenn wir einen Blick auf das Ganzewerfen, ſo koͤnnen wir uns des Wunſchesnicht enthalten, der Erfinder der neuenSpin- Zwirn- Haspel- Kratz- und Krem-pel-Maſchine, haͤtte vor Bekantmachungſeines, in vieler Ruͤckſicht lobenswerthenWerks, daſſelbe im Einzelnen genauerunterſucht, andere Maſchinen daneben ge-halten, Kraft und Laſt berechnet, die Zahlder Zaͤhne, Kaͤmme und Triebſtoͤcke ange-geben u. ſ. f. Wie iſt es denkbar, daßein Menſch zwey Stirnraͤder von wenigſtens150 Fuß Umfang, 1200 auf einanderſchleifende Lockenwalzen, und 4 Krempel-maſchinen (von denen eine, wie die Erfah-rung ſelbſt in Teutſchland lehrt, faſt 2 Ar-beiter erfodert) in Bewegung ſetze? Wirhoffen, daß geſchickte Mechaniker das man-cherley Gute, welches vorliegende Schriftenthaͤlt, uͤber die Maͤngel die wir ihr vor-werfen, nicht uͤberſehen, ſondern vielmehr,daß ſie es zu anderen Maſchinen benutzenund ſo fuͤr das Wohl der menſchlichen Ge-ſelſchaft anwenden werden.

Alexander von Humboldt.