Ueber den Bohon Uppas. Herr von Humboldt der jüngere, ein Mann, den ich sowohl seines Charakters, als seiner Kenntnisse wegen, in der Naturgesichte und den damit verwandten Wissenschaften hoch schätze, hatte die Güte, mir einen französischen Brief zu überschicken, den er im Januar 1789 an den Herausgeber der Gazette litteraire de Berlin geschrieben hatte. Dieser Brief ist ein vollstänsiger Auszug aus des Herrn Professor Thunbergs Dissertation, die 1788 unter dem Titel, arbor toxicaria Massacaviensis, zu Upsal herausgekommen ist. Ich werde ihn ganz übersetzen, da mir der würdige Verfasser dies erlaubt hat, und nur hier und da das weglassen, was des Verfassers der Gazette litteraire wegen nicht wegbleiben konnte, unsre Leser aber nicht interessirt. Herr Hofrath Lichtenberg gab im Göttinger Taschenkalender von 1786, wenn ich nicht irre, aus einer damals erschienenen Reisebeschreibung einige Nachricht vom Bohon Uppas, die gewiß Aufmerksamkeit ge- nug erregt hat, als daß diese umständliche Nachricht nicht vielen unsrer Leser angenehm seyn sollte. Meyer. Herr Thunberg, Ritter des Wasaordens, Professor der Botanik zu Upsal, ist ein würdiger Schüler des unsterblichen von Linne. Als er seine Studien in Upsal geendigt hatte, ging er nach Holland, wo ihm Empfehlungsschreiben einiger schwedischen Gelehrten, eine günstige Aufnahme bey einigen angesehnen Männern der Republik verschaften. Diese verschaften ihm Gelegenheit des Vorgebürge der guten Hofnung, Java und Japan zu bereisen. Er besuchte glücklicher, als die meisten Botaniker Ostindiens merkwürdigste Gegenden. Nach seiner Zurückkunft belohnte ihn der König von Scheweden mit dem Lehrstuhl der Botanik in Upsal, der durch den Tod seines Freundes, des jüngern von Linne erledigt worden war, und ernannte ihn zum Ritter des Wasaordens. Thunberg wagte es, das Linneische System auf zwanzig Klassen zu reduciren; ein Unternehmen, das nur ein Mann von seinem Verdiensten wagen konnte, und daß Herr D. Wildenow in Berlin, ein gründlicher Botaniker, in seiner Flora berolinensis mit gutem Erfolg nachahmte. Da Herr Thunberg sich längere Zeit in den westlichen Inseln Asiens aufzuhalten Gelegenheit hatte, als irgend ein Gelehrter vor ihm; und da seine Beschreibungen der Japanischen Pflanzen und seine Dissertationen über die Nelken- und Muskatbäume den gründlichen Botaniker zeigen: so ist kein Grund vorhanden, warum man in seine Erzählungen von Bohon Uppas Zweifel setzen, und warum man sie nicht allen Berichten andrer weniger gelehrten und bekannten Männern vorziehn solte. Zuerst giebt Herr Thunberg eine botanische Beschreibung des Bohon- oder richtiger des Boa-Uppas, welche Worte im Malayischen soviel, als Giftbaum bedeuten. Die Malayen kennen zwey Arten davon, Macan-Cavul und Djato-Matti; letztere ist die gefährtlichste. Rumph theilt sie, in seinem amboinischen Herbarium, in männliche und weibliche Bäume ein; nach Art der alten Botaniker. Beyde Arten haben einen starken dicken Stamm, von eineinander abstehende Zweige, eine gespaltne graubräunliche Rinde, ein gelblichtes, hin und wieder mit schwarzen Flecken durchsprengtes Holz. Die Blätter sind einförmig, zwey Zoll breit und eine Hand lang; da man weder bis jetzt Blüthen und Früchte dieses Baums gesehn hat, so läßt sich sein Geschlecht nicht mit Gewißheit bestimmen. Indeß glaubt Herr Thunberg ihn zu Linnes Cestrum- Geschlecht rechnen zu können, welches die Alten für eine Art des Jasmins hielten Diese Meinung schien ihm desto gegründeter zu seyn, da er am Vorgebürge der guten Hofnung sah, wie die Hottentotten den Saft eines Cestrums mit den fürcherlichen Giften mischten, die sie aus ihren Schlangen bereiteten. Andre Botanisten hielten den Boa-Uppas für eine Art des Eisenbaums, Sideroxylon Linn., ohne ihn genauer zu bestimmen. Rumph sagt: "die Indianer verbergen diesen Baum sorgfältig, so, daß man selbst 1670, nach der Eroberung von Celebes, keine Beschreibung davon geben konnte " Indeß gelang es ihm 1694 einen Zweig zu bekommen, den er abbilden ließ. Herb. Amb. T. II. Tab. LsXVII. A. d. H. v. H. Der Boa-Uppas wächst vorzüglich auf den Inseln Java, Sumatra, Borneo, Baleja und Macassar, und daselbst besonders auf kahlen Bergen und in Wüsten. Ein unfruchtbarer, trockner, oder fast zu Asche verbrannter Boden kündigt seine Gegenwart an. Kein Baum, selbst kein Gras, kann unter seinem Schatten wachsen. Eines Steinwurfs weit um den Baum herum scheint die Erde wie verbrannt zu seyn. Doch fügt Herr Thunberg hinzu, man verbreitet dies als Gewißheit, woraus erhellet, daß man es als bloße Volkssage annehmen müsse. Man kann hier sehn, wie sehr man manchen Reisenden trauen darf; einige sagten, in einer Weite von zehn bis zwölf Meilen um den Baum herum wachse weder Baum, noch Strauch, noch Gras. Andre, man treffe auf funfzehn bis achtzehn Meilen rund um diesen Baum herum kein Thier, selbst keine Fische im Wasser. Nach Herrn Thunberg sollen muhamedanische Priester solche Meinungen ausbreiten, um die Gemüther zu schrecken; eine Mühe, die sie zur Ehre der Vernunft wohl unterlassen könnten. -- Man kann ja noch nicht einmal behaupten, ob diese, von den Schriftstellern erwähnte, Unfruchtbarkeit durch die Ausdünstungen der Bohon-Uppas veranlaßt wird. Es kann sehr wohl seyn, daß dieser Baum nur da fortkömmt, wo keine andre Pflanze wachsen kann. Ein einsamer Wachholderbaum, der aus einer Felsspalte hervorsieht, beweißt gewiß nicht, daß er alle Vegetation um sich herum unterdrückt hat. Auch erwähnt Herr Thunberg, daß sehr wohl die große Hitze, durch welche alle Pflanzen verdorren, diese Oede erzeugen kann. Die Thiere, die an Nahrung Mangel leiden, fliehen bey ihrem Ueberhandnehmen in die dichten Wälder, und zeigen sich nur dann wieder, wenn anhaltende Regenschauer aufs Neue die Erde mit Pflanzen bedeckt haben. So werden aus unwirthbaren Wüsten reiche Viehweiden. Der Saft dieses Baums ist ein schwärzliches Harz, das sich in der Wärme auflößt. Unter den Indianern hat er sehr großen Werth. Die Völker, die ihn besitzen, sind ihren Feinden weit überlegen. Rumph, ehemaliger Consul zu Amboina, erzählt, daß, ehe man ein Gegengift gegen diesen Saft kannte, seine Landsleute, die Holländer, die damit vergifteten Pfeile mehr als alle andre Gefahren des Kriegs mit den Eingebohrnen fürchteten. Dieser Saft ist sehr schwer einzuärndten; man bekommt ihn nicht ohne Gefahr. Da die Ausdünstungen des Baums sehr schädlich sind, so muß man sich ihm mit großer Vorsicht nähren, und diese Schwierigkeiten und Gefahren erhöhen den Preis des Gifts. Die es einsammlen wollen, müssen Kopf, Hände und Füße in Leinenwand einhüllen. Niemand wagt es, den schädlichen Stamm zu berühren; man hält sich davon etwas entfernt, weil, nach Herrn Thunberg, der Tod hier seinen Sitz aufgeschlagen zu haben scheint. Mit langen Bambusröhren sammlen die Indianer diesen tödtlichen Saft. Sie spitzen diese Röhre an einem Ende, und treiben sie in den Baum hinein. Die durch diese Operation gespaltne Rinde entledigt sich ihres schwarzen Safts, der in großen Tropfen in die Höhlungen dieser Röhre hineinfließt. Funfzehn bis zwanzig Bambusröhren werden auf diese Art in den Baum hineingetrieben, und drey oder vier Tage nachher zieht man sie, mit diesem tötdtlichen Gifte angefüllt, heraus. So lange der Saft frisch ist, ist er weich, und läßt sich wie ein Teig kneten, dann rollt man kleine Stangen daraus, welche man in hohlen Bambusröhren aufhebt, die, weil das Gift sehr flüchtig ist, acht- bis zehnfach mit Leinewand umwickelt werden. Wer sollte es glauben, daß noch Menschen sich fänden, die für Geld allen diesen Gefahren entgegen gehn! Die aberglöubigen Indianer halten, daß man das Gift weit würksamer und gefährlicher machen könne, wenn man den Stamm des Baums abhaut. Wie aller Aberglaube ist auch dieser ohne Grund! Die Giftbäume scheinen ein Staatsregal zu seyn. Rumph sagt, die Bergbewohner brächten allen eingesammleten Saft einem Großen des Landes, Creyn Su- mana genannt, der diesen Nationalschatz auf seinem Schlosse Boerenburg in Zimmern aufbewahrt, die weder zu kalt, noch zu warm seyn dürfen, weil beydes dem Gifte schadet. Alle Woche wird der Saft und die Bambusröhre gerieben und gereinigt, und die Frauen allein dürfen diese Arbeit verrichten, weil man sie dieser Ehre würdiger, als die Männer hält. Noch andre hegen eine kindische Meinung hierüber, die ich lateinisch hersetzen will, weil sie nicht übersetzbar ist. "Menstruum nempe muliebre huic misceri veneno dicitur, atque in eam finem Massacariensium foeminas bractiis indura esse, in quibus istud colligebant. " Diese Ursache kömmt mit Recht Herrn von Humboldt kindisch vor, aber wohl nicht so den Einwohnern von Macassar. Man vergleiche hier Herrn Hofrath Blumenbachs Inst. Physiolog. p. 4-22, Adrian von Berkels Reisen nach Berbice im ersten Theil der Memminigienschen Samml. von Reisegeschichten, S. 47, und Barrern im Th. 2 der Göttingschen Samml. von Reisen, durch Haller besorgt, S. 168. Meyer. Das Gift des Boa-Uppas scheint selbst die stärksten italiänischen Gifte zu übertreffen. Die bloßen Ausdünstungen des Baums machen die Glieder erstarren und erregen Convulsionen. Rumph, der einzige glückliche Botanist, der bis jetzt einen Zweig dieses Baums besessen hat, erzälht, seine zerstöhrende Kraft habe sich durch das Bambusrohr geäußert, worin er eingeschlossen war. Legte man die Hand auf dies Rohr, so spürte man ein Kriebeln darin, so, als wenn man plötzlich von der Wärme in die Kälte kommt. Wer es wagt mit bloßem Haupt unter diesem Baume zu bleiben, verliert seine Haare. Ein Tropfen dieses Gifts, der nur eben die Haut berührte, würde sie dick auflaufen machen. Um den Baum her ist die Luft so vergiftet, daß alle Thiere die Annäherung scheuen. Ein Vogel, der sich bis zu seinen Zweigen verirrt, fällt im Au- genblick totd nieder. Rumph führt eine Thatsache davon an, die Herr Thunberg übergeht, die aber zu wichtig ist, als daß ich sie übergehen sollte. Nur eine Schlange wagt es, im Schatten dieses Baums zu leben, die nicht weniger gefährlich ist, als die Gegend selbst. Die Indier sagen, sie habe ein Horn, aber vielmehr einen breiten Kamm. Ihre Augen funkeln in der Nacht, ihre Stimme gleicht den Krähen des Hahns. Oft hört man sie nahe bey den Wohnungen der Einwohner. Da die Ausdünstungen der Schlange sehr giftig sind und nicht erlauben, daß man sich ihr zu sehr nähert, so tödtet man sie aus der Ferne. Das Gift des Boa-Uppas verdient alle Aufmerksamkeit des Arztes und Naturforschers, da Ursache und Würkung gleich merkwürdig sind. Den Berichten der Eingebohrnen nach, ist der reine ungemischte Saft Pest unschädlich, da er selbst zum Gegengift der Ausdünstungen einiger giftigen Fische angewandt wird. Rumph erzählt sogar, daß man ihn innerlich anwendet, was beynahe unglaublich ist. Endlich macht der Saft des Boa-Uppas mit dem Zerumbelsaft gemischt, das würksamste Gift, was jemals Natur und Kunst erzeugten, und doch ist eben dieser Zerumbel ein Heilmittel, dessen man sich in Indien als Gegengift bedient. Zerumbel ist die Wurzel von Amommum Zingiber, Amomum Bardamomum und andern Gewürzen in eine Klasse Der einmal genossene Boa-Uppassaft scheint den menschlichen Körper nicht sobald wieder zu verlassen. Besonders muß der davon inficirte Kranke sich hüten, nicht von der Zerumbelwurzel zu essen, dies würde ihm nach drey Jahren nach genommenen Boa-Uppas das Leben kosten. Auch bemerkten sie, daß die, welche durch Gegengifte vom Boa-Uppas befreyt wurden, alle Jahre das Gift wieder in ihren Adern entstehn fühlen. Die Einwohner der Insel Celebes tauchen die Spitzen ihrer Kriegspfeile in dieser Mischung von Boa-Uppas und Zerumbel; die davon entstandnen Wunden sind tödtlich, wenn man nicht gleich hilft. Wenn der verhärte Boa- Uppassaft den Zerumbelsaft aufbrausen macht, so hat er noch nichts von seiner Brauchbarkeit verloren. Ist das Gift gut, so behalten die Pfeile zwey Jahre hindurch ihre Würksamkeit. Die Indianer probiren sie oft mit Zerumbelsaft. Die durch diese Pfeile Verwundete sterben, wenn man ihnen nicht zu Hülfe kömmt, in einer Viertel- oder halben Stunde nach der Verwundung unter Convulsionen, wobey ihnen der Schaum vor den Mund tritt, die Augen zum Kopfe herausgetrieben werden und das Gesicht anschwillt. Die Holländer fürchten sicht nicht so sehr mehr vor den Pfeilen der Massacarier, wie ehedem. Nach Rumph schützen sie sich, als diese Amboina unterjochen wollten, sehr gut dagegen durch Kleidungen von spanischen Rindleder. Ehedem kannten die Europäer nur ein sehr häsliches Gegenmittel gegen diese Gifte, nemlich, menschliche Excremente innerlich genommen. Oft wurde in Schlachten hiervon von verwundeten Kriegern Gebrauch gemacht. Rumph sah einen Soldaten, der sich fünfmal dadurch vom Tode rettete. Jetzt kennt man weniger abschreckende Gegengifte, als die Wurzel von Crinum asiaticum, die Rinde von Ficus ramosa u. s. w. Amputationen der blessirten Glieder helfen nichts, man muß innerliche Mittel anwenden; die erfuhr ein König auf Celebes, der Missethäter an verschiedenen Gliedmaßen mit vergifteten Pfeilen verwundete und dann gleich amputiren ließ, aber die Verbrecher dadurch nicht vom Tode rettete. A. d. H. v. H.