Digitale Ausgabe – Übersetzung

Brief an Aimé Bonpland

Aimé Jacques Alexandre Goujaud, besser bekannt unter dem Namen Bonpland,1 wurde geboren am 29. August 1773 in La Rochelle, wo sein Vater den Beruf des Arztes ausübte. Dazu bestimmt, ihn zu ersetzen, wurde er nach Paris geschickt, um dort eine vollständigere Ausbildung zu erhalten als dies in einer Provinzstadt möglich war. Er studierte unter den größten Professoren der medizinischen Fakultät dieser großen Kapitale; er war einer der hervorragendsten Schüler von Dessaut und vertrauter Freund von Bichat, so früh hat er die Bewunderung und den Applaus seiner Zeitgenossen auf sich gezogen. Ein verborgener Instinkt und eine angeborene Berufung führten ihn in seinen Stunden der Erholung in den Garten des Königs, wo er mit wacher Intelligenz die angesammelten Reichtümer in dieser riesigen Schatzkammer der natürlichen Erzeugnisse aller Klimazonen betrachtete. Angesichts so vieler verschiedener Objekte hielt sein Geist zunächst unentschlossen inne, nicht wissend, was seiner Aufmerksamkeit am würdigsten sei. Er bewunderte die dort herrschende Ordnung, dank der Genies von Buffon und Daubenton, in den geologischen und zoologischen Sammlungen und diese immense Vielfalt der Organisation, der Form und Farbe, die überall die unvollständigen, jedoch zahlreichen Reihen belebter und unbelebter Wesen der Schöpfung darstellten. Aber was ihn am meisten beeindruckte, war die Zusammenstellung von Pflanzen, welche die geschickte Hand von Jussieu in Familien geordnet hatte, indem er das System von Linnaeus zugleich vereinfachte und verbesserte. Dieses Studium, das Bonplands Neigung so gemäß war, wurde dann zu seiner hauptsächlichen Beschäftigung, und wenn er die Kurse der medizinischen Fakultät weiterhin besuchte, war es lediglich, um den Anordnungen seines Vaters nicht Widerstand zu leisten, gleichsam ein Akt der Fügung in einen unbeugsamen Willen. Ein unerwartetes Ereignis führte ihn aus dieser Position der Unentschlossenheit heraus. Mitten in den Bewegungen des revolutionären Geistes, die Frankreich und die ausländischen Heere ergriffen, welche sich anschickten, in das Land einzufallen, hatte die französische Regierung entschieden, eine Expedition auszusenden, die dazu bestimmt war, die spanischen Kolonien zu erkunden, vom Isthmus von Panama bis zum Río de la Plata. Der Kapitän Baudin, der mit dem Kommando dieser Expedition betraut war, hatte zwei Naturforscher an Bord, die den wichtigsten Auftrag seiner Mission ausführen sollten. Der eine war Herr Michaud, der bereits Persien bereist hatte und der aus den Vereinigten Staaten zurückkehrte, über deren wichtigste Naturerscheinungen er in einem geschätzten Werk schreiben sollte; der andere war Herr Bonpland, der trotz seines zarten Alters als derjenige erachtet wurde, der am würdigsten war, den bekannten Reisenden zu begleiten. Herr Humboldt, der sich damals in Paris befand, bat um die offizielle Erlaubnis, mit ihnen zu reisen. Zu dieser Zeit begann der Krieg in Europa; England beteiligte sich daran mit seiner gesamten Seeflotte, und die Expedition blieb aus. Die Herren Humboldt und Bonpland, die bereits durch das doppelte Band der Freundschaft und der Wissenschaft verbunden waren, waren nun frei, an anderem Ort nach Mitteln zu suchen, um das Verlangen zu befriedigen, eine bisher wenig oder gar nicht gekannte Gegend des Erdkreises zu besuchen. Sie akzeptierten also das ihnen vom schwedischen Konsul gemachte Angebot, sich an Bord einer Fregatte einzuschiffen, welche die reichen Geschenke zum Dey von Algier brachte, die ihm der König seiner Nation sandte. Sie beschlossen, die ausgedehnte Gebirgskette zu besuchen, die sich von den Wüstengebieten bis zur Grenze des ewigen Schnees erstreckt, der die höchsten Gipfel des Atlas bedeckt, und dann ihre Forschungen mit denjenigen der großen Expedition zu verbinden, die, auf den Flügeln des Sieges, die vergessenen Monumente der Macht und des Genius der Pharaonen erkundete. Das Schiff, das sie nach Algier brachte, mußte in Cadiz Station machen zur Reparatur der Schäden, die es während der Reise erlitt. Diese neue Mißlichkeit veranlaßte sie, in Spanien zu bleiben, welches in der Zeit regelmäßige Beziehungen mit seinen Kolonien unterhielt. Die Isolierung, zu der die mißtrauische Politik des Mutterlandes sie verurteilte, hatte der Wissenschaft noch nicht erlaubt, in diese mysteriösen Regionen vorzudringen, und die unzuverlässigen Nachrichten einiger Reisender reizten die Neugier der Wissenschaftler noch mehr. Dieses Mal wurden die Hoffnungen der beiden Naturwissenschaftler nicht enttäuscht. Herr Urquijo, ausgezeichneter Minister des Hofes von Madrid, bot ihnen den allerentschlossensten Schutz an; er gewährte ihnen nicht nur die Überfahrt an Bord der Korvette Pizarro, sondern er stattete sie auch mit Briefen und Empfehlungsschreiben für alle Autoritäten der spanischen Besitzungen in der Neuen Welt aus. Vor ihrer Abfahrt besichtigten sie die wissenschaftlichen Einrichtungen von Madrid, unterhielten Beziehungen mit den wichtigsten Männern, die ihnen aufgrund von gemeinsamen Meinungen oder Studieninteressen größere Sympathien einflößten. Sie unterhielten lange Gespräche mit Ortega, dem unermüdlichen Schriftsteller und Direktor der königlichen Museen; mit Ruiz und Pavón, Autoren der Flora de Peru; mit Né, der Hænche in der unglücklichen Expedition von Malaspina begleitete; und insbesondere mit Cavanilles, dem Nestor der spanischen Botaniker, dessen Werke mit Recht zu dem Wichtigsten gerechnet werden, was in Spanien zur Flora dieses Landes verfaßt wurde.2 Es kam schließlich der ersehnte Moment. Nach einer glücklichen Reise konnten sie den Boden der Neuen Welt betreten, die sie so sehr in ihren Werken erhellen sollten. Wer sie bei ihren Wanderungen begleiten und ihre Entdeckungen bewundern möchte, möge nur ihre Werke konsultieren. Wer würde es wagen, das von diesen kundigen Meistern gezeichnete große Bild zu verbessern? Wer würde sich zu ihnen erheben, um ihre Verdienste zu ermessen? Alle Zweige der Wissenschaft, in ihren allergrößten Proportionen, in ihren allergrößten Geheimnissen, waren nach und nach Gegenstände der Aufmerksamkeit dieser unermüdlichen Reisenden, die, auf ihre eigenen Mittel zurückgreifend, sich der schwierigen Aufgabe annahmen, alle bisher den Erkundungen der Wissenschaftler verborgenen Reichtümer zu untersuchen und zu beschreiben. Historische Fakten, statistische Details, reiche Sammlungen der Geologie, der Mineralogie, der Zoologie und der Botanik, alles fand Eingang in das Vorhaben ihrer enormen Arbeiten, die sich zuvorderst als eine große Enzyklopädie verstehen lassen, mehr als eine einfache Beschreibung der Orte, die jene Reisenden besuchten. Bonpland war derjenige, der sich der Botanik, worin er ein Meister war, widmete. Jeder andere wäre mit Sicherheit vor einer solchen Aufgabe zurückgewichen, im Angesicht einer derart reichen und vielfältigen Natur. Der größte Teil der Pflanzen wurde nicht einmal in den vollständigsten Katalogen aufgeführt. Es handelte sich nicht nur darum, sie zu sammeln, sie wollten auch beschrieben und klassifiziert werden, eine trockene Arbeit, welche die Praxis und die Kenntnis eines vollendeten Beobachters erforderte. Dieser Teil, Die Reise in die Äquinoktial-Gegenden, ist sehr beachtlich. Bei ihrer Rückkehr nach Europa beschäftigten sich Humboldt und Bonpland ausschließlich damit, das auszuwerten, was sie zusammengetragen hatten. Und nur nach einigen Jahren konnten sie damit beginnen, dem Publikum die Frucht ihrer Arbeit bekannt zu machen. Die Veröffentlichung dieses monumentalen Werkes weckte ein allgemeines Empfinden der Bewunderung nicht nur bei den gebildeten Ständen, sondern sogar bei denjenigen, die mit den darin behandelten Gegenständen am wenigsten vertraut waren; da sie die wissenschaftlichen Untersuchungen mit einer Beschreibung der Praktiken und der Gebräuche verbanden, welche die Ursprungsvölker dieser Länder seit der Eroberung unverändert bewahrt hatten. II In dieser Epoche stellte die Kaiserin Josephine viel Gold zur Verfügung, um aus Malmaison eine der prächtigsten Residenzen Frankreichs zu machen. Bonpland wurde mit der Leitung der Arbeiten im Garten und im Park beauftragt. In der Tat, wer würde so umfassende Anstrengungen besser begleiten können? Die schönsten Pflanzen, die erlesensten Blumen, die seltensten Bäume schmückten diese zauberhaften Orte, wo der unermüdliche Genius, der die Geschicke der Welt in seinen Händen hielt, sich manchmal einigen Momenten der Erholung hingab. Bonpland genoß oft die Ehre, Napoleon mit der Erzählung seiner Reisen zu unterhalten; und das von ihm am meisten geschätzte Vergnügen war es, die Kaiserin in die Studien einzuweihen, denen er sein Leben gewidmet hatte. Josephine, von der Natur mit verfeinertem Geschmack und erstaunlichem Gedächtnis ausgestattet, lernte leicht zwischen allen in den Gewächshäusern versammelten Pflanzen zu unterscheiden und sie nicht mit ihren gewöhnlichen Namen zu bezeichnen, sondern mit denen, die ihnen von der Wissenschaft zugewiesen wurden. Um ihrem Meister zu beweisen, wie sehr sie sich fortgeschritten glaubte, pflegte sie die Gewohnheit, ihn mit einer nur ihr eigenen Anmut zu fragen: – Herr Bonpland, wie geht es der Bonplandia Germiniflora? – Und sie tat dies nicht, weil es sich um die schönste Blume ihrer Gärten handelte, sondern weil diese Blume den Namen trug, den Cavanilles ihr Bonpland zu Ehren gegeben hatte. Dies war nicht der einzige Beweis der ihm durch die Kaiserin entgegengebrachten Hochachtung. An ihrem Hof nahm Bonpland eine besondere Position ein. Er war einer der Verwalter von Malmaison und Navarra, zwei der reichsten Besitzungen von Frankreich. Bei den Empfängen und großartigen Festen, die oft in den beiden Residenzen stattfanden, waren immer Blumen zu sehen und bezauberten alle durch ihre Schönheit und Vielfalt. Diejenigen, die bei diesen Zusammenkünften zugelassen waren, nachdem sie die Werke der Künstler und Schulen aller Zeiten betrachtet hatten, nachdem sie den Reichtum des Schmucks und den guten Geschmack der Verzierungen bewundert hatten, brachen angesichts so vieler Blumen in Bewunderung aus, deren Düfte wie die angenehmsten Empfindungen in die Seelen strömten. In diesen glücklichen Tagen atmete alles die Bezauberung und die Größe, welche diese auserwählte Frau an die erlauchteste Gesellschaft Europas weitergab, der sie die Pforten ihrer Paläste öffnete. Weh ihr! Der Himmel, in dem ihr Stern glänzte, sollte sich in Kürze mit Wolken bedecken. Der Mann, dem Josephine ihr Leben gewidmet hatte, durchbrach mit Gewalt die Bande zu der Frau, welche die Gefährtin seines Ruhmes war. An einem einzigen Tage entbehrte Josephine aller Gunstbezeigungen, die ihr das Glück mit großzügiger Hand gewährt hatte, und stieg von ihrer hohen Position herab, als ob sie freiwillig abgedankt hätte. Ohne Stirnrunzeln hörte sie den Urteilsspruch, der sie vom Thron stürzte; und mit einer Anstrengung, der einzig ihre Seele fähig war, vermochte sie die Tränen zurückzuhalten, um ihren Schmerz demjenigen zu verbergen, der ihr das Unglück verkünden sollte. „Es ist nicht der Verlust der Krone, der mich betrübt“, sagte sie an diesem Tag zu Bonpland, „sondern der Verlust des Mannes, den ich am meisten in meinem Leben geliebt habe und den ich niemals zu lieben aufhören werde.“ Nach dieser traurigen Szene waren viele Jahre vergangen, und immer noch wiederholte Bonpland diese Worte mit von Tränen benetzten Augen und einer von Mitgefühl zitternden Stimme. Nach einer langen Unterbrechung befahl Napoleon, die Kaiserin darüber zu informieren, daß er sie am folgenden Tag besuchen würde. Die Idee, noch einmal den Menschen in ihrer Nähe zu sehen, der trotz seiner Undankbarkeit für immer den ersten Platz in ihren Gefühlen einnahm, belebte all ihre Sinne. Den kurzen Zeitraum zwischen dieser Nachricht und der Ankunft des Kaisers wurde einzig darauf verwandt, dieser Zusammenkunft den Charakter eines denkwürdigen Ereignisses zu geben. Josephine unternahm große Vorbereitungen, um die Ankunft des Kaisers zu feiern; sie beschäftigte sich hauptsächlich damit, alle ihre Zimmer mit Blumen zu schmücken. „Morgen“, sagte sie zu Bonpland, „soll alles um uns herum Freude und Genuß atmen. Ich erwarte den Kaiser: Ich werde Blumen in alle Ecken meines Hauses streuen; ich wünschte, ich könnte sie überall dort zum Blühen bringen, wohin er tritt.“ An diesem Tag, an diesem schönen Tag, vergaß sie alle ihre Sorgen und lebte nur von ihrem vergangenen Glück. Mit einer leicht verständlichen Delikatesse empfing sie den Kaiser unter dem Peristyl ihres Palastes und unterhielt sich mit ihm in der Gegenwart seiner Höflinge. Ihr war der Widerstand nicht unbekannt, auf den Napoleon mit seinem Plan, sie zu besuchen, bei ihnen traf; und was wirklich den Kaiser von Malmaison ferngehalten hatte, war nicht Gleichgültigkeit, sondern Verdächtigungen seiner jungen Frau. Napoleon wollte Malmaison nicht verlassen, ohne die reichen Sammlungen von Pflanzen in Augenschein zu nehmen, die Bonpland in seinen großartigen Gewächshäusern zusammengetragen hatte. Er lobte ihn für seine Anordnungen, bewunderte seine neuen Bepflanzungen und beglückwünschte ihn zu den Ergebnissen, die er mit seinen Akklimatisierungsversuchen erreicht hatte. Durch diese wohlwollenden Gunstbezeugungen ermutigt, unternahm und publizierte Bonpland die Description des plantes rares cultivées à Malmaison et à Navarre [Beschreibung der seltenen Pflanzen, gezüchtet zu Malmaison und zu Navarre] , eines der glänzendsten Werke, die jemals in Paris gedruckt wurden, mit zahlreichen Tafeln geschmückt, das Werk der besten Künstler Frankreichs. Napoleons Fall zerstörte Josephines Herz. Es war nichts von Egoismus in dieser Empfindung, da ihre persönliche Position nicht von diesem Ereignis beeinflußt wurde. Inmitten der Revolutionen, die sich in Frankreich in den Menschen, den Dingen, den Meinungen und in der Regierung ereigneten, gefielen sich die zentralen Instrumente dieser Katastrophe darin, diejenige mit Aufmerksamkeiten und Anerbietungen zu umgeben, die einmal die unglückliche Gefährtin ihres Opfers gewesen war. Der Kaiser von Rußland, der König von Preußen, die höchsten Funktionäre der Diplomatie und des Militärs erwiesen ihr die Ehre an ihrem stillen Rückzugsort von Malmaison. Eine Ehrengarde wachte ständig über ihre Person und ihre Güter. Niemand wagte sie zu entweihen; das durch die Eroberer Frankreichs bezeugte Interesse war vielmehr ein beredter Beweis ihres Respekts für Josephine. Die ihrem Schmerz hingegebene Kaiserin konnte sich diesen offiziellen Besuchen entziehen. „Mein Ort ist nicht hier“, sagte sie eines Tages zu Bonpland, der zum Vertrauten ihrer Sorgen geworden war. „Der Kaiser ist allein und verlassen. Ich möchte an seiner Seite sein, um ihm zu helfen, sein Unglück zu ertragen. Aber darf ich es tun?… Niemals habe ich so viel gelitten unter dem Verlust des Rechts, diese Pflicht zu erfüllen. Ich konnte mich damit abfinden, entfernt von ihm zu leben, als er glücklich war. Heute, wo er entehrt ist, belastet es mich, belastet es mich sehr, mich so getrennt von ihm zu sehen.“ Es näherte sich die Stunde, in der diese Trennung endgültig sein sollte. Die Kaiserin wurde von einer Laryngitis befallen, die innerhalb kurzer Zeit den Charakter einer Krebserkrankung annahm. Alle Mittel der Kunst waren ausgeschöpft. Sie verstarb am 29. Mai 1814, umgeben von ihren zwei Kindern, dem Prinzen Eugène und der Königin Hortense. Der Kaiser Alexander, der in ihren letzten Momenten zugegen war, vermischte seine Tränen mit den ihrigen. Bonpland war Zeuge dieser schmerzvollen Szene, die in seiner Seele eine tiefe Wunde hinterließ. Er weinte, nicht über sein zerstörtes Glück, sondern über den Tod dieser unvergleichlichen Frau, die seine Arbeiten mit ihrem Schutz und ihrer Unterstützung beseelte. III. Malmaison verlor sofort all seinen Glanz, sein Niedergang ging so schnell vonstatten, wie seine Entstehung langsam gewesen war. Herr Bonpland hatte das Mißvergnügen, die Frucht seiner Arbeit, so kostspieliger und unermesslicher Opfer, sterben zu sehen. Der Aufenthalt in Frankreich behielt für ihn keine Reize mehr; nichts konnte die Leere ausfüllen, die in ihm der Tod der Kaiserin und die Zerstörung ihrer königlichen Residenz hinterließen. Diese schmerzvollen Erinnerungen ließen ihn die Notwendigkeit empfinden, etwas Erleichterung in der Aktivität und in der Arbeit zu suchen. Sein Geist wandte sich jenen fernen Zeiten zu, in denen er die reichen Provinzen von Neu-Spanien in der Gesellschaft seines berühmten Freundes Herrn Humboldt durchquerte. Es schien ihm, daß es noch viel zu tun gab, um sein geplantes Programm zu vollenden, vor allem im botanischen Bereich, von dem er sich große Verbesserungen versprach. Die Äquinoktial-Pflanzen, die in der Region der Palmen und um die schneebedeckten Gipfel der Anden wachsen, galt es denjenigen der gemäßigten Zone hinzuzufügen, die recht unvollkommen von Pater Feuillée beschrieben und sehr rasch von Comerson beobachtet worden waren; Herr Rivadavia, der sich zu dieser Zeit in Paris befand, brachte ihn dazu, dieses Projekt zu verwirklichen. Herr Bonpland schiffte sich auf einem Boot ein, das seine Segel bereits in Richtung Río de la Plata gehißt hatte, und gelangte gegen Ende 1816 nach Buenos Aires. Die Lage im Land war in keiner Weise der glücklichen Vollendung dieses Unternehmens günstig. Die Unabhängigkeit der spanischen Provinzen, mit großer Leidenschaft während des Kongresses von Tucumán verkündet, mußte noch viele Hindernisse überwinden und mächtige Feinde bekämpfen. Artigas hielt noch die Anarchie in dem Land aufrecht, das heute den Namen der östlichen Republik von Uruguay trägt; und diese Bewegung erstreckte sich bis zu den Provinzen von Entre Ríos und Corrientes. Der Diktator Francia regierte auf despotische Weise in Paraguay, das vollständig für den ausländischen Handel geschlossen war. San-Martín organisierte das Heer, das die Freiheit nach Chile bringen sollte; das Schwert von Bolívar hatte noch nicht die Geschicke von Kolumbien an sich gerissen; das hohe und das niedere Peru standen unter der Herrschaft Spaniens, dessen Armeen die wichtigsten Punkte dieser Kolonien besetzt hielten. Alles war Revolution und Gefahr in der weiten Ausdehnung des amerikanischen Kontinents. Herr Bonpland, dessen Projekte behindert waren, akzeptierte das ihm von der Regierung gemachte Angebot eines Lehrstuhls für Medizin an der Universität von Buenos Aires; aber die Liebe für seine bevorzugten Studien ließ ihn den Lehrstuhl verlassen, und er gründete ein landwirtschaftliches Anwesen in einer der alten Missionen von Uruguay, wo er inmitten der Einsamkeit der Wüste Ruhe fand. Die Anfänge waren ihm sehr beschwerlich; aber er hatte es bereits geschafft, die Schwierigkeiten zu überwinden, die Unternehmungen dieser Art immer begleiten, als der mißtrauische Geist des Diktators Francia sich über die Fortschritte seines Betriebs erregte. Obwohl dieser in einer Grenzregion angelegt war und von Paraguay durch einen großen Fluß getrennt war, beschloß der Diktator, ihn zu zerstören. Eines Tages, als sich Herr Bonpland ausruhte, wurde er durch die Schreie seiner Arbeiter aufgeweckt, die von einer großen Truppe von Paraguayern überrascht wurde. Er stürzte zur Tür, und im Angesicht jener unbekannten Leute griff er zu einer Waffe, um sich dem entgegenzustellen, was er für eine Aggression hielt und was es tatsächlich war. Bei der ersten Begegnung erhielt er einen Hieb auf den Kopf, was ihn in eine Lage versetzte, in der es ihm unmöglich war, sich zu verteidigen. Wie ein Übeltäter gefesselt, brachten sie ihn zu der Landestelle des Diktators, zur Durchquerung des Paraná, und er wurde mit einer starken Truppe nach Itapuá gebracht. Von diesem Punkt brachten sie ihn zu einem entlegeneren, wo es ihm verboten war, sich mehr als eine spanische Meile von seiner Wohnstatt zu entfernen. Sein Betrieb wurde vollständig ruiniert; nichts verblieb von all dem, was er geschaffen hatte. Seiner Freiheit beraubt, in seinen Interessen verletzt, zum Schweigen und zur Einsamkeit verurteilt, fand Herr Bonpland in seinem Stoizismus Trost und sogar Gründe, über die Kapriolen seines Glücks zu spotten, indem er die Tage, die er am Hof der Kaiserin Josephine verbrachte, mit seiner gegenwärtigen Lage verglich, in Abhängigkeit von einem düsteren Tyrannen aus Paraguay. Seinem Schicksal ergeben, begann er die natürlichen Produkte des ihm zugewiesenen Erdenfleckens zu beobachten. Erlauben wir ihm selbst, von den Beschäftigungen zu erzählen, die ihm ohne viel Klagen halfen, die neun Jahre seiner Gefangenschaft zu überstehen. „Ich verbrachte“, schrieb er in einem Brief an einen Freund, dem er bei seiner nächsten Ankunft in Buenos Aires begegnete, „ein derart glückliches Leben, wie es nur möglich ist, wenn man all seiner Beziehungen zu Familie und Freunden beraubt ist. Die Ausübung der Medizin diente mir zur Sicherung der Existenz, und da diese nicht meine ganze Zeit in Anspruch nahm, widmete ich mich aus Neigung und Notwendigkeit der Landwirtschaft, die mir wirkliches Vergnügen bereitete. Ich habe auch eine Fabrik für Branntwein und Liköre eingerichtet, eine Tischlerwerkstatt und ein Sägewerk, die nicht nur das Notwendige für meine Niederlassung bereitstellten, sondern für mich auch ein paar Gewinne bei den mir in Auftrag gegebenen Arbeiten abwarfen. Auf diese Weise erlangte ich eine bessere Lage. Am 12. Mai 1829 unterbreitete mir der Delegierte von Santiago eine Anordnung des obersten Direktors, Paraguay zu verlassen, etc.“ IV. Die Befreiung von Herrn Bonpland führte in Europa zu allgemeinem Enthusiasmus. Die Umstände seiner Gefangenschaft, der Ort seines Exils, die Person seines Widersachers, alles trug dazu bei, seinem Wiederauftauchen den Charakter einer phantastischen Vision zu geben. Angesichts der Tatsache, daß er unter französischer Abhängigkeit gelebt hatte, daß er so viele Jahre in einem undurchdringlichen Land wie Paraguay verbracht hatte, waren dies Gründe genug, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erwecken, wenn er über seine Erzeugnisse, seine Bewohner, seine Bräuche und Regierung sprechen konnte. Louis Philippe, der gerade auf den Thron gelangt war, gab seinen Agenten und dem Chef der französischen Marinestation am Río de la Plata Anweisung, Herrn Bonpland alles zur Verfügung zu stellen, was für seine Rückkehr ins Vaterland nötig war; Herr Humboldt informierte das Institut de France über die bevorstehende Ankunft seines Freundes und Gefährten, als ein Ereignis, das alle Freunde der Wissenschaft mit Freude erfüllen würde. Diese schmeichelhaften Zeugnisse der Wertschätzung, diese spontane Ehrenbezeugung der gebildetsten und erlesensten Schicht Europas und das jedem Menschen so natürliche Verlangen, in den Schoß seiner Familie zurückzukehren, um dort unglückliche Ereignisse der Vergangenheit zu vergessen, konnten Herrn Bonpland nicht dazu bringen, die Gewohnheit seines ruhigen Lebens gegen die Pflichten und Aktivitäten des Lebens einzutauschen, das auf ihn wartete. Er hätte mit Sicherheit in Paris Erinnerungen, Ehrungen, Bequemlichkeiten angetroffen; an Bewunderern und Schmeicheleien würde es ihm nicht mangeln; aber um den Preis welcher Anstrengungen würde er diese Bequemlichkeiten zu erkaufen haben? Eines Tages, an dem er uns ausführlich über seinen Plan erzählte, sich nie mehr von diesen Orten zu entfernen, sagte er uns: „Gewohnt, im Schatten der jahrhundertealten Bäume zu leben, den Gesang der kleinen Vögel zu vernehmen, die ihre Nester in den Zweigen aufhängen, zu meinen Füßen die reinen Wasser eines Stroms fließen zu sehen; warum sollte man all diese Güter für einen der aristokratischen Bezirke von Paris eintauschen? In einem Kabinett eingesperrt wäre ich gezwungen, für einen Buchhändler zu arbeiten, der sich mit der Publikation meiner Werke beschäftigen würde, ohne einen anderen Trost zu haben als dann und wann eine Rose im Fenster meines Zimmers. Ich würde verlieren, was ich am meisten liebe – die Gesellschaft dieser geliebten Pflanzen, in deren Mitte ich gelebt habe.“ Diese Gründe, sehr bedeutsam für den Geist eines Naturwissenschaftlers, haben aufgrund eines freiwilligen Beschlusses ein Exil verlängert, das durch einen Akt der Gewalt begann. Herr Bonpland lebt heute in São Borja, dem bevölkerungsreichsten Ort der alten Missionen in Uruguay, an dem Ort, wo er sich vor der Verfolgung durch Frankreich niedergelassen hatte, und nichts scheint ihn aus dem von ihm angenommenen Leben herauszureißen, einem Leben, mit dem er sich zufrieden zeigt. Seine robuste Konstitution läßt ihn mutig das Gewicht der Jahre aushalten, und seine lebendige Einbildungskraft nährt in ihm die Hoffnung, große Projekte zum Abschluß bringen zu können, die er in seinem stets aktiven und beschäftigten Geist entwirft. „In ein oder zwei Jahren“, schrieb er vor kurzem an einen Freund, „werde ich mich mit einem Landhaus beschäftigen und eine große Anpflanzung zur Verschönerung vornehmen. Wenn mein Haus fertig ist, muß ich Euch einladen, damit wir hier zusammen die wenigen Tage verbringen, die uns bleiben.“ Diese Illusionen sind beneidenswert. Noch mehr gilt dies für die Freundschaft, die ihm Herr von Humboldt bewahrt, eines der größten Beispiele dieses Jahrhunderts, welches der Geschichte so viele berühmte Namen hinterlassen hat. Vor einem Jahr schrieb dieser berühmte Wissenschaftler inmitten des glanzvollen Hofs zu Berlin an seinen alten Gefährten gemeinsamer Studien diesen Brief voll von zarter und gefühlvoller Achtung: „Mein teurer und lieber Freund! Obwohl ich wenig Hoffnung habe, daß diese Zeilen und das sie begleitende Buch (die schöne französische Übersetzung der neuen Ausgabe meiner Ansichten der Natur) in Deine Hände gelangen, versuche ich gleichwohl, recht nahe meinem vierundachtzigsten Geburtstag, Dir ein kleines Lebenszeichen zu geben, eines der freundlichen, gefühlvollen Zueignung, der lebhaften Dankbarkeit. Mit großer Freude habe ich erfahren, daß Du Dich in einer glücklichen und anspruchsvollen Beschäftigung befindest. Ein mir unbekannter Amerikaner, Herr John Torrey, Professor der Botanik in New York, besaß die Feinfühligkeit, mir ein Kleinod zu senden, Dein Porträt als Photographie. Darin habe ich Deine edlen Züge erkannt, zweifellos vom Alter gezeichnet, aber dieselben, wie ich sie in Esmeralda gesehen habe, in Tschuilotepec und in Malmaison! Du hast (wie überall) liebe Erinnerungen in Berlin hinterlassen; ich habe Dein Porträt vielen Personen gezeigt, die sich für Deinen Namen und Deine interessanten Arbeiten interessierten. Meine Gesundheit erhält sich durch meine Hingebung an die Arbeit. Der letzte (vierte) Band des Kosmos wird in diesem Winter erscheinen. Deine wichtigen botanischen Manuskripte, die Du während unserer Reise geschrieben hast, befinden sich sehr sorgfältig und vollständig versammelt im Museum der Naturgeschichte im Jardin des Plantes, als Dein Eigentum, über das Du verfügen kannst. Auf Knien bitte ich Dich, lieber Bonpland, daß Du sie in Paris beläßt, im Jardin des Plantes, wo Dein Name verehrt wird. Es ist ein Monument Deiner unermeßlichen Aktivität. Ohne Zweifel hat Dich der unvorhergesehene Tod von Adrien Jussieu betrübt! Vor fünf Jahren hat Dich der König von Preußen zum Ritter seines Roten Adler-Ordens ernannt. Dies wurde in den Zeitungen veröffentlicht, aber die offizielle Nachricht und Auszeichnung werden Dir nicht zugegangen sein. Ich kenne Deinen philosophischen Katechismus, aber wir glauben, daß Dir dies für Deine Beziehungen mit Brasilien (wenn Du sie hast) nützlich sein könnte. Seit dem Januar 1848 bin ich noch nicht nach Paris zurückgekehrt. Die engen Beziehungen, die ich mit der Fürstin von Orléans unterhielt, hindern mich daran, in den Tuilerien zu erscheinen, ebenso wie auch mein Einsatz für die freien Institutionen, der Dir bekannt ist. Ich war niemals einer denjenigen, die glaubten, daß Du, mein lieber und ausgezeichneter Freund, der Versuchung nachgeben würdest, das gegenwärtige Europa wiederzusehen und dafür ein großartiges Klima zu verlassen, die Vegetation der Tropen sowie die glückliche Einsamkeit inmitten häuslicher Empfindungen. Vielleicht können diese Zeilen, die ich einem jungen polnischen Arzt anvertraue (mit einem leicht barbarischen Namen, Chrzemski), der sich auf dem Weg nach Buenos Aires befindet, in Deine Hände gelangen. Gerne würde ich Briefe von Dir vor meinem nahenden Tod erhalten. Ganz der Deine mit Herz und Seele, mit der Dankbarkeit eines empfindsamen Freundes und treuen Arbeitsgefährten. Alexander Humboldt Berlin, 1. September 1853 – Der arme und fast blinde Arago befindet sich in einem sehr traurigen Gesundheitszustand. Ich weiß, daß Du mit bewundernswertem Eifer Deine unermeßlichen Sammlungen vermehrst.“ Weder das Alter noch die Isolation konnten in Herrn Bonpland die Liebe zum Studium und zur Betrachtung der Natur erkalten lassen. Als er sich in Paraguay befand, der Freiheit beraubt, war seine einzige Ablenkung das Herborisieren, das Sammeln von Kristallisationen, Versteinerungen und Mineralien der Felder, die ihn umgaben. Diese Sammlungen, die nahezu fünfzig Kisten füllten, wurden an Bord eines Kriegsschiffes verladen und an die Museen von Paris geschickt, wie ein Lebenszeugnis des berühmten Naturforschers. Vor kurzem erhielt Herr Mailleffer, Geschäftsträger Frankreichs in Montevideo, von seiner Regierung einen Auftrag, Herrn Bonpland eine Liste einiger Pflanzen in Paraguay zu vermitteln, die die Landwirtschaftskommission als geeignet erachtete, um sie in Algerien einzuführen und zu akklimatisieren. Herr Bonpland, der sich zufällig in jener Stadt befand, gab in der lobenswertesten Weise Rechenschaft von dieser Mission. Er begnügte sich nicht damit, die Anzahl der Pflanzen zu vergrößern; er fügte ihren wissenschaftlichen Namen auch diejenigen hinzu, die sie in der Guarani -Sprache besitzen, und er gab die notwendigen Anweisungen für ihre Konservierung und Kultivierung. Während seines kurzen Aufenthaltes in Montevideo hatte der Verfasser dieser Zeilen das Glück, noch einmal seinen alten Freund, Herrn Bonpland, zu sehen und zu umarmen, nach einer mehr als zwanzigjährigen Trennung; sagen wir nicht, daß diese Jahre folgenlos an ihm vorübergegangen sind; aber es war uns ein großer Trost zu sehen, daß sie wenige Zeichen ihres Verlaufs hinterlassen haben. Es sind immer noch dieselben Züge; der feine Blick ist ein sprechender Beweis, daß Herr Bonpland die ganze Beweglichkeit seines Geistes bewahrt, mit der Güte und Offenheit seines Herzens. DE ANGELIS.