Digitale Ausgabe – Übersetzung

Brief an die Zeitschrift Cosmos

Der Cosmos hat also seine Weihe empfangen. Herr Alexander von Humboldt erkennt uns an, und er hat die Güte, selbst uns ein glorreiches Programm zu entwerfen. Hier ist der Brief, den uns der oberste Sachwalter der Wissenschaft aus Schloß Sans-Souci schreibt. Noch einige Tage, und wir werden unsere Leser ganz in die Fortschritte eingeweiht haben, die er mit so fester Hand aufzählt. Wir hätten diese Fortschritte bereits behandelt, wären sie dem Erscheinen unserer Zeitschrift nicht zuvorgekommen. In Potsdam, den 29. Mai 1852. Ich bedauere es lebhaft, mein Herr, daß die wenigen Augenblicke, die mir inmitten der Versammlung so vieler Fürstenfamilien, die sich in diesem Moment am Hof von Sans-Souci aufhalten, frei bleiben, mich um das Vergnügen bringen, Ihnen zum Ausdruck zu bringen, wie empfänglich ich für all das Liebenswerte bin, das Ihr Brief und Ihre Zeitschrift für mich enthalten. Der Cosmos ist ein hinreichend weites neutrales Feld, in dem sich jeder von uns niederlassen kann. Die Weite und große Vielfalt Ihrer Kenntnisse, die glückliche Leichtigkeit, die Sie sich darin erworben haben, aus den Berichten der Akademiesitzungen in London, Wien, Petersburg, Brüssel, Berlin, Italien und Schweden… alles zu schöpfen, was die ausländische Literatur an Aufschlußreichem bieten kann, werden Ihrem Verzeichnis zu großer Nützlichkeit für den Austausch der Ideen verhelfen. Die Langsamkeit, mit der diese Berichte (zu denen man die Zeitschriften für Physik und Chemie von Poggendorff, von Silliman, aus England und aus Schottland hinzuzählen muß) einen zentralen Punkt erreichen, erschien mir immer als eine große zu überwindende Schwierigkeit, nicht nur wegen der Kosten, sondern wegen der Mühen, die der Versand eines jeden Heftes zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erfordert. Die Berichte der Académie des Sciences, ein bewundernswertes Konzept meines berühmten engen Freundes Herrn Arago, haben ganz Europa angeregt: Sie haben als Modell gedient und sind mehr oder weniger vollkommen nachgeahmt worden. Indem man wieder verschmilzt und vereint, was ungefähr gleichzeitig in der Erstreckung von drei Monaten auf beiden Kontinenten geleistet wurde, erhielte man ein allgemeines Bild des Geisteslebens der Völker, insofern es sich in den verschiedenen Zweigen der physischen und Naturwissenschaften offenbart. Die optische Meteorologie; die chemische Geologie; der Elektro-Magnetismus, in seinen geheimnisvollen Beziehungen zugleich zum Licht und zur Gashülle der Planeten (des Sauerstoffs der Atmosphären); die Erscheinungen der Lebenskraft, in ihren Beziehungen zur Erzeugung, Stärke, Richtung und meßbaren Geschwindigkeit der elektrischen Ströme; die sogenannten chemischen Verbindungen, die molekulare Anziehung über unendlich kleine Entfernungen… dies sind die Felder, die der Tätigkeit der Naturforscher jenes Zeitalters, in dem wir leben, offenstehen; dies ist das Ziel der gleichzeitigen Arbeiten, die zu weiteren, noch allgemeineren Problemen hinführen werden. Diejenigen, die sie sehen werden, werden dabei selbst von dem Zweifel gequält werden, nur zur Hälfte gesehen zu haben. Dies ist der Weg, der von Hales und Mayow zu Lavoisier, von Lavoisier zu Davy, Œrsted und Faraday geführt hat. Der Horizont wird fortschreitend zurückweichen. Entschuldigen Sie, mein Herr, die sentenzenhafte Lakonie dieser Zeilen, und nehmen Sie bitte den erneuerten Ausdruck meiner Hochachtung entgegen. Alexander von Humboldt.“