Digitale Ausgabe – Übersetzung

Herr von Humboldt und Herr Bonpland. Brief des ersteren an die Herren Professoren und Administratoren des Museums für Naturgeschichte

Meine Herren, erlauchteste Kollegen, die Kiste, welche ich die Ehre habe, Ihnen zukommen zu lassen und Ihrer wohlwollenden Sorgfalt anzuempfehlen, enthält alle Originalmanuskripte zur beschreibenden Botanik und zur Geographie der Pflanzen, die auf der Reise, welche ich mit meinem vortrefflichen Freund Herrn Aimé Bonpland in den Jahren 1799 bis 1804 unternommen habe, fast täglich an Ort und Stelle verfaßt wurden. Obwohl ein Teil dieser Manuskripte, welche die Grundlage für die Nova Genera et Species Plantarum waren und nach der Abreise von Herrn Bonpland mit so bewundernswerter Sorgfalt durch Herrn Kunth bearbeitet worden sind, von meiner Hand ist, muß ich das Ganze jedoch als Eigentum von Herrn Bonpland betrachten. Nahezu ein Viertel der beschriebenen Pflanzen wurden von mir eigenhändig gesammelt, zuweilen unter recht schwierigen Umständen; etwa vierhundert Zeichnungen sind von mir mit Bleistift und Feder direkt an Ort und Stelle angefertigt worden. Ich muß aber sagen, daß das Wesentliche, der wahre Wert der botanischen Arbeiten, die im Verlauf der Expedition durchgeführt wurden, nicht mein Verdienst, sondern der Leistung, dem Fleiß von Herrn Bonpland zu verdanken ist. Die Manuskripte, die mein Freund mir bei seiner Abreise großzügig anvertraut hatte, um unsere Veröffentlichungen zu erleichtern, blieben in Herrn Kunths Händen, bis dieser so früh verstarb. Über unsere in Europa verbliebenen Manuskripte hat Herr Bonpland zu verfügen; aber ich bin sicher, daß ich in seinem Sinne handle, wenn ich mich auf die beständige Freundschaft berufe, mit der Sie, meine Herren, mich geehrt haben, und Sie um die Gunst bitte, das Depositum, das ich Ihnen heute sende, im wissenschaftlichen Handschriftenbestand des Jardin des Plantes aufzubewahren. Im Jahr meiner Rückkehr nach Europa habe ich mir erlaubt, Ihnen die Doubletten aus meinen Herbariensammlungen zu schenken. Dem Wohlwollen Ihrer erlauchten Vorgänger verdanke ich das kaiserliche Dekret, mit dem diese bescheidene Gabe, Zeugnis meiner großen und beständigen Dankbarkeit Ihrem edlen Vaterland gegenüber, damals gewürdigt wurde. Das Dekret ist im Moniteur officiel veröffentlicht worden. Dem Namen von Herrn Bonpland und dem meinigen wäre die rühmlichste Ehre erwiesen, wenn das Depositum der Manuskripte von der Reise in die Äquinoktialgegenden im Museum für Naturgeschichte des Jardin des Plantes, mit dem ich die angenehmsten Erinnerungen verbinde, verbleiben könnte. Seien Sie, meine Herren und hochverehrten Kollegen, der ergebensten Hochachtung eines über achtzigjährigen, doch noch immer arbeitsamen Greises versichert. ALEXANDER VON HUMBOLDT, Mitglied des Institut de France. Sans-Souci, den 12. Juli 1851.