Digitale Ausgabe – Übersetzung

Brief an Joseph Dalton Hooker

An den Herausgeber des Launceston Examiner

Verehrter Herr – In Ihrer Zeitung vom 19. dieses Monats haben Sie zu unserer Freude eine Besprechung des Tasmanian Journal, Nummer 5, Band 3, abgedruckt. Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß Ihre Übersetzung von Humboldts Brief sehr inkorrekt ist. Es gibt ja den berühmten Ausspruch, „alles leidet unter der Translatio, nur ein Bischof nicht“, und Ihr genialer traducteur hat so viel frei erfunden und damit den fraglichen Brief dermaßen verändert, daß ich fürchte, selbst der Autor würde ihn nicht wiedererkennen. Man fühlt sich an den Ausruf erinnert, den jemand beim Anblick des Portraits eines Freundes tut – „es ist nicht wiederzuerkennen, so ähnlich ist es!“ – Aus diesem Grund sende ich Ihnen eine genauere, und wie ich hoffe verständlichere Version – und verbleibe, mein Herr, EIN MITGLIED DER TASMANIAN SOCIETY. Launceston. „Es erfüllt mich mit größter Freude, mein vortrefflicher Freund, zu erfahren, daß Sie demnächst in die wunderbaren Täler des Himalaya eindringen werden, und sogar darüber hinaus in Richtung Ladakh und zum Hochland von Tibet, dessen mittlere Höhe, abgesehen von den Gipfeln, die sich aus der Hochebene erheben, ein würdiger Forschungsgegenstand ist! Oh, wie ich Ihre edle Begeisterung nachfühlen kann, die Sie dazu bewegt, eine weitere gefährliche Expedition zu unternehmen, nachdem Sie bereits an jener Südpol-Expedition teilgenommen haben, die so großartig durchgeführt worden ist. Ihr freundlicher Brief vom 5. September fand mich recht indisponiert vor. Während der Abwesenheit des Königs lebte ich am Park von Sanssouci, doch die außerordentliche Kälte zwang mich, in die Stadt zurückzukehren. Meine Abreise nach Paris wurde verschoben, und ich habe derweil hier die letzten Seiten des zweiten Bandes des Kosmos redigiert, der demnächst erscheinen wird. Ich erwarte den König und die Königin morgen zurück und werde mich dann etwa am 4. Oktober auf den Weg machen können, um zwei bis drei Monate in Paris zu verbringen. Ich beginne, mich über die Ungerechtigkeit hinweg zu trösten, die man Ihnen angetan hat, als man Ihnen den Lehrstuhl in Edinburgh nicht gab: denn, betrachtet man den Umfang und die Vielfältigkeit des Wissens, über das Sie verfügen, so scheinen Sie berufen, nicht nur auf dem Gebiet der Pflanzengeographie, sondern auch in allen Zweigen der Meteorologie und in der Geologie Großes zu leisten. Sie besitzen den Vorteil, einen weiten Blick zu haben, aber auch einen Sinn für Genauigkeit. Ich beglückwünsche den ‚Vorstand der Admiralität’ und die ‚Aufsichtsbehörde für Wälder und Gehölze’ im Namen jenes Zweigs der physikalischen Wissenschaften, denen mein ganzes Leben gewidmet war, zu ihrer Entscheidung, Sie unter ihre Schirmherrschaft zu stellen, deren Sie so würdig sind – durch Ihre Fertigkeiten, die Lebendigkeit und Begeisterungsfähigkeit Ihres Charakters und die Beständigkeit Ihrer unvoreingenommenen Hingabe! Mit großer Freude erinnere ich mich an die Gespräche, die für mich so aufschlußreich waren, aus der Zeit, als ich mit Ihnen in Paris im selben Haus wohnte: Ich habe mir damals fast wörtliche Notizen Ihrer Ausführungen gemacht, und es erfüllt mich mit Freude, wenn ich zwischen meinen Papieren auf sie stoße; glücklicher Vorteil des Alters, das so wenige Freuden bereithält! Ihr großartiger Vater hat es auf sich genommen, meine Kryptogamen der Kordilleren zu publizieren. Und hier kommt nun sein Sohn, den ich zu meiner Freude meinen jungen Freund nennen darf, der den Ausbruch des Mount Erebus miterlebt hat und jetzt kurz davor steht, das zu sehen, was der Traum meines Lebens war, welches sich jetzt dem Ende zuneigt. Vergessen Sie nicht, mein lieber Freund, mir nach Paris zu schreiben, bevor Sie zu dieser großartigen Expedition aufbrechen. Ich bin begeistert von Ihrem Aufsatz über die Galapagos, aber bitte seien Sie so nett und schreiben Sie mir zu meiner Information einige geographische Notizen, in denen Sie mir jene europäischen und amerikanischen phanerogamen Gewächse notieren, deren Heimat zweifelsfrei die Südhalbkugel ist, nicht Amerika. Berichten Sie mir bitte auch etwas über Ihre Coelebogyne ilicifolia, die Jussien den Euphorbiaceae zuordnet. Ist die Theorie von fruchtbaren Samen ohne Staubgefäße immer noch aktuell? – Was halten Sie davon? Ich brauche Ihre Aufmerksamkeit wohl nicht auf bestimmte Dinge zu lenken, so vertraut sind Sie mit den Problemen, die sie betreffen. Die Höhe, in der bestimmte Pflanzenfamilien nicht mehr vorkommen. Dehnen sich die charakteristischen Merkmale der sibirischen Flora so weit nach Kaschmir und Ladak aus, wie man angenommen hat? Bis zu welcher Höhe findet man Fische in den Seen? Vergleichen Sie die Arten und bestimmen Sie ihre Gemeinsamkeiten. Achten Sie besonders genau auf die Temperatur des Bodens in verschiedenen Höhen. Als Probe vergleichen Sie zu diesem Zweck die Temperaturen des Bodens zwischen den Wendekreisen in einer Tiefe von etwa 18 Zoll bis zwei Fuß unterhalb der Oberfläche (Boussingault) mit denen in einer Tiefe von 20 oder 30 Fuß (und wiederholen Sie diese Beobachtungen auf dem Weg) nach Norden. Klären Sie das Problem der Höhen des ewigen Schnees auf den südlichen und nördlichen Abhängen des Himalaya, und behalten Sie dabei die Daten im Hinterkopf, die ich im dritten Band meines Werkes über Zentral-Asien zusammengetragen habe. Ich glaube nicht an die Gleichförmigkeit und ungebrochene Kontinuität von Gneis, Glimmerschiefer und silurischen Formationen im Himalaya. Achten Sie besonders auf die Porphyrischen Formationen – den Grünschiefer, die Mandelsteine (?) und die Basalte (?) der Bergkette. Sollten Sie das Glück haben, die große Kette des Kuenlun zu überqueren, um nach Yarkand zu kommen, während Sie zu den Quellen des Cajouh, ein Zufluß des Indus, aufsteigen, achten Sie genau auf den niedrigsten Punkt der Hochebene, die ihr Wasser nach Osten über den Fluß Tarim zum See Lop Nor schickt. Es wäre absolut wünschenswert, die Höhe der Ebene östlich von Yarkand zu bestimmen, entweder mit barometrischen Messungen oder, wenn Ihnen das möglich ist, durch die Bestimmung des Siedepunktes des Wassers. Die stündlichen Abweichungen des Barometers auf den Hochebenen und im Himalaya selbst. Psychometrische Beobachtungen, um die Ergebnisse mit der exzessiven Trockenheit zu vergleichen, die ich in der Sibirischen Steppe erlebt habe. Die Temperatur tief im Inneren der Höhlen. Findet man Insekten in weniger großer Höhe an als Pflanzen? Ich muß aufhören, sonst langweile ich Sie nur mit Dingen, die Sie selbst besser wissen als ich. Lassen Sie mich noch einmal meiner tiefen und herzlichen Verbundenheit für Sie Ausdruck verleihen, mein guter Freund, ebenso wie für Ihren Vater, Sir William. Herzliche Grüße an Ihren begabten Freund, Herrn Darwin, dessen Werke mich alle begeistern. ALEXANDER VON HUMBOLDT. Berlin, den 30. September 1847. Ich habe keine Zeit, meine Kritzelei noch einmal durchzulesen. Aber ich werde nachsehen, wie viele Nummern Ihrer wunderbaren Flora ich besitze.“ [Wir sind nicht unerfreut darüber, eine weitere Übersetzung dieses interessanten Austauschs zu erhalten; aber das „Mitglied“ oder der Herausgeber des Tasmanian Journal hätte uns zwei Versionen ersparen können, indem er es auf Englisch publizierte. – Herausgeber des Launceston Examiner]