Digitale Ausgabe – Übersetzung

Humboldts Kosmos (Zweiter Band)

Humboldt hat kürzlich in einem deutschen Periodikum vom Erscheinen des zweiten Bandes seines Werkes berichtet und die Übersicht des Inhalts veröffentlicht. Diese stellen wir nun den Lesern von Przegląd vor, bevor wir die Auszüge aus dem zweiten Kosmos-Band publizieren. Wir sind erfreut, berichten zu können, daß der vollständige erste Band in Kürze in polnischer Übersetzung erscheinen wird. In dem zweiten, soeben erschienenen Band stellt Humboldt dar, wie das Abbild der Außenwelt, das von den menschlichen Sinnen wahrgenommen wird, die Gefühle und die dichterisch gestimmte Vorstellungskraft beeinflußt. Der Autor schreibt: „Wir treten aus dem Kreise der Objecte in den Kreis der Empfindungen. Es eröffnet sich uns eine innere Welt. Wir durchforschen sie, nicht um in diesem Buche von der Natur zu ergründen, — wie es von der Philosophie der Kunst gefordert wird —, was in der Möglichkeit ästhetischer Wirkungen dem Wesen der Gemüthskräfte und den mannigfaltigen Richtungen geistiger Thätigkeit zukommt; sondern vielmehr um die Quelle lebendiger Anschauung, als Mittel zur Erhöhung eines reinen Naturgefühls, zu schildern, um den Ursachen nachzuspüren, welche, besonders in der neueren Zeit, durch Belebung der Einbildungskraft so mächtig auf die Liebe zum Naturstudium und auf den Hang zu fernen Reisen gewirkt haben.
  • Die Anregungsmittel zum Naturstudium sind von dreierlei Art:
  • Ästhetische Behandlung von Naturscenen, in belebten Schilderungen der Thier- und Pflanzenwelt, ein sehr moderner Zweig der Litteratur;
  • Landschaftsmalerei, besonders in so fern sie angefangen hat die Physiognomik der Gewächse aufzufassen;
  • Mehr verbreitete Cultur von Tropengewächsen, den physiognomischen Charakter der Pflanzendecke auf der Erdoberfläche bezeichnend;
  • Contrastirende Zusammenstellung exotischer Formen.
Jedes der hier bezeichneten Anregungsmittel könnte schon seiner historischen Beziehungen wegen der Gegenstand vielumfassender Erörterung werden; aber nach dem Geiste und dem Zweck meiner Schrift scheint es geeigneter nur wenige leitende Ideen zu entwickeln, daran zu erinnern, wie die Naturwelt in verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen so ganz anders auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zustande allgemeiner Cultur das ernste Wissen und die zarteren Anregungen der Phantasie sich gegenseitig zu durchdringen streben. Um die Natur in ihrer ganzen erhabenen Größe zu schildern, darf man nicht bei den äußeren Erscheinungen allein verweilen; die Natur muß auch dargestellt werden, wie sie sich im Inneren des Menschen abspiegelt, wie sie durch diesen Reflex bald das Nebelland physischer Mythen mit anmuthigen Gestalten füllt, bald den edlen Keim darstellender Kunstthätigkeit entfaltet.“ Nachdem die Anregungsmittel zum Naturstudium genannt worden sind, folgt „B. Die Geschichte der physischen Weltanschauung: In dem Abschnitt über die Begrenzung und wissenschaftliche Behandlung einer physischen Weltbeschreibung, glaube ich deutlich entwickelt zu haben, wie die einzelnen Naturwissenschaften sich zur Weltbeschreibung, d. h. zur Lehre vom Kosmos (vom Weltganzen), verhalten, wie diese Lehre aus jenen Disciplinen nur die Materialien zu ihrer wissenschaftlichen Begründung schöpfe. Die Geschichte der Erkenntniß des Weltganzen, zu welcher ich hier die leitenden Ideen darlege und welche ich der Kürze wegen bald Geschichte des Kosmos, bald Geschichte der physischen Weltanschauung nenne, darf also nicht verwechselt werden mit der Geschichte der Naturwissenschaften, wie sie mehrere unserer vorzüglichsten Lehrbücher der Physik oder die der Morphologie der Pflanzen und Thiere liefern.“ Die wichtigsten Aspekte der Geschichte der physischen Weltanschauung sind: „a) das selbstständige Streben der Vernunft nach Erkenntniß von Naturgesetzen, also eine denkende Betrachtung der Naturerscheinungen. b) die Weltbegebenheiten, welche plötzlich den Horizont der Beobachtung erweitert haben. c) die Erfindung neuer Mittel sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe, welche den Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den fernsten Welträumen in näheren Verkehr bringen, welche die Beobachtung schärfen und vervielfältigen. Dieser dreifache Gesichtspunkt muß uns leiten, wenn wir die Hauptepochen (Hauptmomente) bestimmen, welche die Geschichte der Lehre vom Kosmos zu durchlaufen hat.“ Die historische Darstellung der Entwicklung der Geschichte der physischen Weltanschauung in zwei Sphären, das heißt in der Erforschung der Erde und des Himmels, ist eng mit der Festlegung der Perioden und Begebenheiten verbunden, die in der physischen und geistigen Welt erkennbar sind und diesen Perioden bestimmte Eigenschaften und Färbung verleihen. Dazu gehören: „Vordringen gegen Osten nach dem Pontus und Kolchis, erste Kenntniß der westlichen Gestade des caspischen Meeres die Expeditionen nach tropischen Gold- und Weihrauchländern die Durchschiffung der westlichen Meerenge Eröffnung der großen maritimen Völkerstraße Entdeckung – in langen Zeitabständen – der Insel Cerne, der Hesperiden und der vulkanischen Azoren Entdeckung des Neuen Continents des Columbus Auf die Bewegungen, welche aus dem Becken des Mittelmeeres und dem nördlichsten Ende des nahen arabischen Meerbusens ausgingen, auf die Pontus- und Ophirfahrten, folgen in meiner historischen Schilderung: Feldzüge der Macedonier unter Alexander dem Großen. Verschmelzung des Westens mit dem Osten. Einfluß des Seehandels. Festigung des griechischen Staates. Zunahme der Weltanschauung unter den Lagiden. Alexandrien. Verallgemeinerung der Naturansichten in den Erd- und Himmelsräumen. Vermehrter Seehandel nach Süden. Römische Weltherrschaft. Einfluß eines großen Staatsverbandes auf die kosmischen Ansichten, Fortschritte der Erdkunde durch Landhandel. Die Entstehung des Christenthums erzeugt und begünstigt das Gefühl von der Einheit des Menschengeschlechts. Einfall der Araber. Hang zum Verkehr mit der Natur und ihren Kräften. Erweiterung der physischen Erdkunde, der Astronomie und der mathematischen wie auch der praktisch-chemischen Wissenschaften. Zeit der großen oceanischen Entdeckungen. Eröffnung der westlichen Hemisphäre. Amerika und das stille Meer. Die Scandinavier, Columbus, Cabot und Gama; Cabrillo, Mendaña und Quiros. Die reichste Fülle des Materials zur Begründung der physischen Erdbeschreibung wird den westlichen Völkern Europa’s dargeboten. Zeit der größten Entdeckungen in den Himmelsräumen, die je von menschlichem Geist hervorgebracht wurden. Die Hauptepoche der Sternkunde von Copernicus und Galilei bis Kepler, Newton und Leibnitz schließt eine Reihe von Ereignissen ab, die zur Erweiterung der Kenntniß der physikalischen Gesetzmäßigkeiten beitragen und zum Naturstudium anregen. Die Intelligenz bringt fortan Großes ohne Anregung durch Begebenheiten, als Wirkung eigener innerer Kraft, gleichzeitig nach allen Richtungen hervor. Die Geschichte der physischen Wissenschaften schmilzt allmälig mit der Geschichte des Kosmos zusammen.“ Nachdem der Inhalt kurz dargestellt worden ist, erklärt Humboldt, daß er, obwohl die Bände 1 und 2 ein Ganzes bilden, beabsichtige, vor seinem Lebensende noch einen Band zu veröffentlichen, der die „Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen in den speciellen Theilen der physischen Weltbeschreibung“ enthalten und „das allgemeine Naturgemälde“ erläutern werde.