Digitale Ausgabe – Übersetzung

Brief an den Autor dieses Blattes; über den Bohon-Upas, von einem jungen Adligen aus dieser Stadt

Mein Herr. Vor einiger Zeit veröffentlichten Sie in Ihrer Gazette Littéraire die Beschreibung eines giftigen Baumes, der in Indien wächst und unter dem Namen Bohon Upas bekannt ist. Diese Beschreibung enthielt so viele wundersame Dinge, daß man versucht war, sie für Fabeln zu halten. Sie selbst, mein Herr, schienen sie nicht als erwiesene Wahrheiten anzusehen. Eine ganz neue Schrift, die einer meiner Freunde soeben aus Schweden erhielt und die in Anbetracht ihres Verfassers als vertrauenswürdig gelten darf, stellt uns anschaulich dar, daß die Wirkungen dieses entsetzlichen Giftes an Grausamkeit alles übertreffen, was die Einbildungskraft hervorbringen kann. Dieses kürzlich erschienene Werk hat den Titel: Arbor Toxicaria Macassariensis: Upsaliae 1788. Der Verfasser dieser Abhandlung ist Professor Thunberg, Ritter des Wasa-Ordens, Mitglied der meisten Akademien Europas, berühmt für seine Fähigkeiten und für sein umfassendes Wissen über die Natur. Er ist ein Schüler Linnés, auf dessen Spuren er mit einem Erfolg wandelt, welcher ihm nicht weniger Ehre einbringt als seinem großen Lehrer. Nach seinen Studien an der Akademie von Uppsala ging er nach Holland, wo er, ausgestattet mit Empfehlungsschreiben schwedischer Gelehrter, dank seinen Gaben und seinen Kenntnissen die Gunst einiger hoher Beamter zu gewinnen wußte, welche zu den vornehmsten der Republik gehören. Sein glühendes Verlangen, sich der Menschheit durch bedeutende Entdeckungen nützlich zu erweisen, lenkte sein Augenmerk auf die noch allzu wenig bekannten Teile unseres Erdballs. Seine illustren Mäzene, die sein edles Streben bemerkten, setzten es ein zum Nutzen der Gelehrtenrepublik. Auf ihre Kosten unternahm Herr Thunberg im Laufe mehrerer Jahre die Reisen ans Kap, nach Java und Japan. Er besuchte alle bedeutenden Orte Ost-Indiens, und wenige Botaniker unserer Zeit können sich so glänzender Erfolge rühmen. Nach seiner Rückkehr nach Europa erwies man ihm in seinem Vaterland alle Ehren, die ein Bürger seiner Art verdient. Der König von Schweden, der die Wissenschaften und die Schönen Künste fördert, zeichnete ihn mit seinem Orden aus. Die berühmtesten Akademien Europas bemühten sich darum, ihn als Mitglied aufzunehmen, und in Uppsala hat er jetzt die Position inne, deren Zierde zuvor der unsterbliche Linné war. Herr Thunberg wagte es als erster, vorteilhafte Änderungen am System seines Lehrers vorzunehmen – das kein anderer vor ihm mit Erfolg angetastet hatte. Er nahm die vier letzten Klassen als nutzlos weg und faßte es in zwanzig Klassen: eine einfachere Methode, die Herr Willdenow, ein junger, aber hochgelehrter, kluger Botaniker, in seiner vorzüglichen Flora Berolinensis übernommen hat. Da der Ritter Thunberg mehrere Jahre auf jenen unermeßlichen Inseln verbracht hat, die im Osten von Asien liegen, kennt er die wunderbaren Gewächse dieser günstigen Klimate besser als jeder andere Gelehrte Europas. Seine Beschreibung der Pflanzen Japans, seine Abhandlungen über Nelke und Muskat und so viele andere gelehrte Werke zeugen davon, daß kaum ein Botaniker vor ihm mit solcher Aufmerksamkeit für alles, was die Natur betrifft, gereist ist. Auf sein Urteil dürfen wir uns also berufen, wenn wir durch unkundige oder leichtgläubige Reisende über irgendeinen Gegenstand in die Irre geführt werden. Die Erzählungen vom Indischen Giftbaum werden uns wieder einmal zeigen, wie sehr man Dinge übertrieben hat, die uns schon durch ihre eigene Natur so viele Wunder bieten, daß man nicht noch andere erfinden muß, um sie interessanter zu machen. Herr Thunberg beginnt mit einer botanischen Beschreibung des Bohon-Upas, oder, in korrekter Schreibweise, des Boa-Upas, was in der Sprache der Malaien Giftbaum bedeutet. Diese Völker unterscheiden zwei Sorten mit den Namen Macan-Cavul und Djato matti, welcher der gefährlichere von beiden ist. Der berühmte Rumphius bezeichnet sie in seinem Herbarium Amboinense nach der lächerlichen Art der früheren Botaniker als weiblich und männlich. Beide haben einen kräftigen, dicken Stamm und abstehende Äste, die Rinde ist gefurcht und bräunlichgrau; gelbliches, schwarz geflecktes Holz. Die Blätter sind oval, zwei Zoll breit und eine Handspanne lang. Da noch kein Botaniker die Blüten und die Früchte dieses gefährlichen Baumes untersuchen konnte, ist die Gattung nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Herr Thunberg hat indessen Grund zu der Annahme, er gehöre zur Gattung Cestrum Lin.,1 wie die Alten eine Art von Jasmin nannten. Dies scheint ihm um so zutreffender, als er am Kap der Guten Hoffnung sah, wie die Hottentotten den Saft eines Cestrum mit den entsetzlichen Giften vermischten, die sie ihren Schlangen entnehmen. Der Boa-Upas wächst vor allem auf den Inseln Java, Sumatra, Borneo, Baleija und Makassar. Er liebt kahle Berge und Wüsten. Ein unfruchtbarer, trockener oder eher aschenähnlicher Boden deutet sein Vorkommen an. Kein Baum, nicht einmal Gras kann in seinem Schatten wachsen. Im Umkreis eines Steinwurfs um diesen Baum, schreibt unser Autor, sei die Erde wie verbrannt. „Allerdings“, fügt er als Parenthese hinzu, „pro certo venditatur, wie man sagt“, – womit er recht deutlich macht, daß dies nur ein volkstümliches Gerücht ist. Hier sei daran erinnert, welches Vertrauen abergläubischen oder böswilligen Reisenden zu schenken ist: Die einen haben geschrieben, im Umkreis von 10 bis 12 Meilen wachse kein Baum und kein Strauch, nicht einmal Gras. Die anderen berichten, „daß man im Umkreis von 15 bis 18 Meilen weder Mensch noch Tier, nicht einmal einen Fisch im Wasser findet“. Welch riesiger Unterschied zwischen dem Raum im Umkreis eines Steinwurfs und dem von 18 Meilen? Herr Thunberg merkt an, daß insbesondere die Priester Interesse daran hätten, solche Irrtümer zu verbreiten, die das einfache Volk in Indien allzu gern aufnehme. Voltaire würde sagen, dies beweise, daß die Priester sich auch unter dem Äquator nicht ändern. Wir enthalten uns eines Urteils und begnügen uns damit, das traurige Los der Sterblichen zu beklagen, die auf ihre sogenannten Brüder hereinfallen. Die mohammedanischen Priester könnten davon absehen, die einfachen Leute glauben zu machen, Gott habe dem Drängen des Propheten nachgegeben und diesen Baum geschaffen, um die Völker für ihre Sünden zu bestrafen. Die Übel der Menschheit sind zahlreich genug; es ist nicht nötig, sie durch so schädliche Ideen noch zu vermehren. Man darf daran zweifeln, daß die Unfruchtbarkeit, die alle Autoren erwähnen, zu Recht den giftigen Ausdünstungen des Boa-Upas zugeschrieben wird. Es kann gut sein, daß dieser Baum sich in einem Boden wohlfühlt, aus dem keine andere Pflanze ihre Nahrung ziehen könnte. Ein einsamer Wacholderstrauch, der in einer Felsspalte wächst, beweist ganz sicher nicht, daß er jede Vegetation um sich herum unterdrückt. Zwar habe man festgestellt, erklärt Herr Thunberg, daß die Reisenden im Umkreis von mehreren Meilen kein einziges Tier, keine einzige Pflanze gesehen hätten, doch sei dies für die heiße Zone unseres Erdballs nichts Außergewöhnliches. Die übermäßige Hitze im Sommer läßt alle Pflanzen eingehen; die Tiere finden in diesen Wüsten keine Nahrung mehr und fliehen ins dichteste Gehölz. Die häufigen Regenfälle im Winter beleben die Natur wieder und holen sie sozusagen aus ihrem lethargischen Schlaf; die Erde verwandelt ihre Unfruchtbarkeit in Teppiche aus Gras, und man sieht an denselben Orten, die zuvor als unbewohnbar galten, Herden weiden. Der Saft dieses abscheulichen Baumes ist ein schwärzliches Harz, das sich in der Hitze des Feuers auflöst. Es hat bei den Indern einen hohen Preis. Die Völker, die es besitzen, haben einen klaren Vorteil gegenüber ihren Feinden. Rumphius, früher Konsul in Ambon, berichtet, seine Landsleute, die Holländer, hätten, ehe wirksame Gegengifte entdeckt waren, die mit diesem Saft vergifteten Pfeile mehr gefürchtet als alle anderen Gefahren und Härten des Krieges. Dieser Saft ist sehr schwer zu sammeln; man gewinnt ihn nicht ohne Gefahr. Da die Ausdünstungen des Baumes äußerst schädlich sind, kann man sich ihm nur mit größter Vorsicht nähern; diese Schwierigkeiten und Risiken treiben den Preis des Giftes hoch. Diejenigen, die es einsammeln, müssen Kopf, Hände und Füße in Tücher hüllen. Niemand wagt den todbringenden Stamm zu berühren. Man hält sich in einer gewissen Entfernung, weil es scheint, schreibt der Autor, daß sich der Tod in der Nähe dieses Baumes niedergelassen hat. Die Inder fangen diesen tödlichen Saft mit langen Bambusrohren auf. Sie spitzen diese Rohre an einem Ende zu und stoßen sie in den Baum. Die durch diesen Vorgang aufgespaltene Rinde entledigt sich sofort ihres schwärzlichen Saftes, der in dicken Tropfen in die Rohre fließt. Fünfzehn oder zwanzig Bambusrohre werden auf solche Weise in den Baum gebohrt; drei oder vier Tage später zieht man sie gefüllt mit dem tödlichen Gift heraus. Solange der Saft frisch ist, ist er weich und formbar wie eine Paste; dann macht man daraus kleine Rollen, die man wieder in die Bambusrohre steckt, und da dieses Gift sehr flüchtig ist, werden die Rohre acht- bis zehnmal mit doppelter Leinwand umwickelt. Aus den von mir beschriebenen Vorsichtsmaßnahmen, die zu treffen sind, um sich diesem Baum nähern zu können, wo jene Kühnen, die ihn herausfordern, der Tod zu erwarten scheint, können Sie leicht schließen, daß nichts gefährlicher ist als diese Ernte; und genauso wenig wie ich werden Sie verstehen, daß es Menschen geben kann, die so verwegen sind, dieses gefährliche Abenteuer zu wagen. Was vermag nicht einerseits der Durst nach Rache, andererseits die Gier nach Gold? Das Volk, abergläubisch wie es in ganz Indien ist, glaubt, das Gift werde noch wirksamer, noch schrecklicher, wenn man den Stamm des Baumes durchschneidet. Das Volk denkt nicht nach; es glaubt blind; sonst würde es sich fragen, welches Verhältnis bestehen kann zwischen dem Saft eines Baumes und dem Stamm, von dem er getrennt ist. Und wenn das Berühren dieses Baumes so unheilvoll ist, wie sollte es dann gelingen, seinen Stamm abzusägen? Und wäre es möglich, so würde ein solches Vorgehen, oft wiederholt, den Boa-Upas bald ausrotten. Die Giftbäume scheinen ein öffentliches Gut des Staates zu sein. Rumphius schreibt, die Bewohner der Berge übergäben allen Saft, den sie sammeln, einem Würdenträger des Landes namens Creyn Sumana. Dieser verwahrt den nationalen Schatz in seiner Festung Boerenbourg, in Räumen, die weder zu warm noch zu kalt sein dürfen, denn beide Extreme sind gleichermaßen schädlich für das Gift. Jede Woche werden der Saft und die Bambusrohre abgerieben und gereinigt. Zu dieser Arbeit werden nur Frauen aufgefordert und zugelassen, weil man die Männer nicht für ehrlich genug hält, daß man sie ihnen anvertrauen könnte. Andere führen alberne Gründe2 an, die unsere Aufmerksamkeit nicht verdienen. Das Gift des Boa-Upas übertrifft bei weitem das Schrecklichste, was man der perfiden Kunst vorwirft, deren sich einst die Rache mancher ultramontanen Fürsten bediente. Allein die Ausdünstungen des Baumes lassen die Glieder erstarren und verursachen die heftigsten krampfhaften Zuckungen. Rumphius, der einzige Botaniker, der bisher das Glück hatte, einen Zweig dieses unheilvollen Baumes zu erhalten, berichtet, dessen zerstörerische Wirkung habe sich noch durch den Bambus hindurch bemerkbar gemacht, in dem er eingeschlossen war. Legte man die Hand auf das Rohr, empfand man eine Art Krampf, ähnlich demjenigen, den ein plötzlicher Wechsel von Kälte und Hitze hervorruft. Wer es wagt, sich mit bloßem Haupt unter diesem bösartigen Baum aufzuhalten, verliert sein Haar. Ein Tropfen des giftigen Saftes ruft, auch wenn er die Haut lediglich berührt, dicke Schwellungen hervor. Die Luft um den Baum ist so vergiftet, daß jedes Tier es vermeidet, sich ihm zu nähern. Ein Vogel, der sich auf seine Zweige verirrt, fällt augenblicklich tot herab. Herr Thunberg hielt es nicht für passend, eine Tatsache zu zitieren, die gleichwohl, so will mir scheinen, nicht verschwiegen werden sollte. Hier ist sie nach dem Bericht von Rumphius. Das einzige Tier, welches sich im Schatten des Boa-Upas gern aufhält, ist eine Schlange, die nicht weniger gefährlich ist als der Ort, den sie bewohnt. Die Inder sagen, sie trage ein Horn oder, wohl wahrscheinlicher, einen breiten Kamm. Nachts leuchten ihre Augen mit einem hellen Schein; ihre Stimme ahmt den Hahnenschrei nach. Man hört sie zuweilen in der Nähe der Wohnstätten. Die hochgiftigen Ausdünstungen der Schlange verhindern, daß man sich ihr nähern kann; man tötet sie nur aus der Ferne. Zwei ähnliche, für jedes atmende Geschöpf so gefährliche, unheilbringende Wesen an einem Ort, das ist zu viel; doch zu bewundern ist die Weisheit der Natur, die, indem sie jedem Wesen eine besondere Konstitution verleiht, denselben Ort für das eine verderblich und für das andere zuträglich macht. Das Gift des Boa-Upas verdient die ganze Aufmerksamkeit eines Arztes und der Naturforscher; Ursache und Wirkungen sind bei ihm gleichermaßen verwunderlich. Will man den Eingeborenen an den Orten, wo sich dieser außerordentliche Baum findet, Glauben schenken, so ist sein reiner, unvermischter Saft fast unschädlich; er dient sogar als Gegenmittel gegen die giftigen Ausdünstungen einiger Fische. Rumphius bestätigt dies, indem er berichtet, daß man ihn innerlich als Heilmittel anwendet, was ganz und gar erstaunlich scheint. Wie können die Ausdünstungen dieses schrecklichen Baumes so tödlich und sein Saft von so heilsamer Wirkung sein? Schließlich bildet der Saft des Boa-Upas, vermischt mit dem Saft des Zerumbet,3 das wirksamste Gift, das Kunst und Natur jemals hervorbringen konnten, und zugleich ist dieser Zerumbet ein heilsames Mittel, das man in Indien als Gegengift einsetzt. Welche Schwierigkeiten muß man überwinden, wenn man die wahren Gründe für diese außergewöhnlichen Phänomene erfahren möchte! Der Schluß ein anderes Mal.

Schluß des Briefes an den Autor dieses Blattes; über den Bohon-Upas, von einem jungen Adligen aus dieser Stadt

Ist der Saft des Boa-Upas einmal in den Körper des Menschen gelangt, scheint er ihn so bald nicht wieder zu verlassen. Der infizierte Kranke muß sich vor allem vor dem Verzehr der Wurzel des Zerumbet hüten, denn noch drei Jahre, nachdem er Boa-Upas zu sich genommen hat, würde der Zerumbet ihn das Leben kosten. Was ist das für ein Gift, das so lange Zeit im Körper bleibt, ohne sich zu verändern und seine todbringende Eigenschaft zu verlieren, das darin schlummert und sich trotz seiner Flüchtigkeit im Körper konzentriert, um seine Bösartigkeit durch die Mischung mit einem anderen Saft zu entwickeln, der selbst wiederum ein Gegengift gegen andere Gifte verschiedener Art ist? Insbesondere wird berichtet, daß jene, die durch Gegengifte vom Boa-Upas geheilt wurden, jedes Jahr fühlen, wie das Gift in ihren Adern wieder erwacht. Wenn die Bewohner von Celebes von einem Feind angegriffen werden, lassen sie aus ihrem Arsenal oder Depot alle Bambusrohre holen, die das tödliche Gift enthalten, und teilen sie in verschiedene Klassen ein. Da das Auge nicht sicher über die Güte des Giftes urteilen kann, muß man es mit chemischen Mitteln prüfen. Ein kleines Korn des gehärteten Saftes dient zu dieser Probe. Man wirft es in den Saft des Zerumbet, und wenn das Gift von starker Kraft ist, bringt es den Zerumbet zum Kochen und läßt ihn heftig aufsprudeln. Nach diesem Versuch bereitet man den Boa-Upas mit dem Zerumbet zu; man taucht die Pfeile hinein, und schon ihre Stiche sind tödlich, wenn man nicht sofort zu Hilfe eilt; dabei darf man jedoch keinen Augenblick verlieren. Die in diese Mischung getauchten Pfeile bewahren zwei Jahre lang ihre tödliche Kraft, wenn das Gift gut ist; andere verlieren sie innerhalb von zwei bis drei Monaten. Die Inder, die über ihre Waffen Bescheid wissen wollen, prüfen sie oft mit dem Saft des Zerumbet. Diejenigen, die das Unglück haben, von diesen vergifteten Pfeilen verletzt zu werden, sterben eines so raschen wie grausamen Todes. Zuerst verfällt ihr ganzer Körper in Krämpfe, ihr Gesicht schwillt an, ihr Mund füllt sich mit Schaum, ihre Augen treten aus dem Kopf, und stöhnend scheiden sie dahin, die einen innerhalb einer Viertelstunde, die anderen in einer halben Stunde; manchmal sogar noch rascher, je nach Wirkkraft des Giftes. Die Pfeile der Makassarier sind für die Europäer nicht mehr so bedrohlich, wie sie es früher waren. Rumphius berichtet, diese Völker hätten grenzenloses Vertrauen in ihre Waffen, und die Europäer hätten versucht, ihnen nachzueifern. Einmal haben die Makassarier die Insel Ambon vollkommen verwüstet, aber die Holländer wußten sich mit einer besonderen Kleidung aus spanischem Leder vor der schrecklichen Wirkung ihrer vergifteten Pfeile zu schützen. Früher kannten die Europäer kein anderes Gegenmittel gegen diese tödlichen Verwundungen als menschliche Exkremente, innerlich angewendet. Dieses widerwärtige Heilmittel, das natürlich Übelkeit erregte, diente dem unglücklichen Verletzten als Brechmittel und nahm so dem Gift seine tödliche Energie. Es mußte jedoch augenblicklich verabreicht werden. Oft sah man in den Schlachten gegen diese Völker europäische Soldaten manche ihrer Kameraden um die Gnade bitten, ihnen dieses notwendige Gegenmittel zu verabreichen; und wer auf der Stelle solch einem Elenden helfen konnte, wurde von diesem als Schutzengel angesehen. Rumphius zitiert das Beispiel eines holländischen Soldaten, der dank diesem ekelhaften Mittel fünfmal dem Tode entging. Später lernte man bei den Indern selbst wirksamere und weniger abstoßende Gegenmittel kennen, wie die Wurzel von Crinum Asiaticum, die Rinde von Ficus ramosa usw. usw. Die Amputation, dieses universelle Heilmittel in der Chirurgie, ist für diejenigen, die von vergifteten Pfeilen verletzt wurden, vollkommen nutzlos: Es sind innerlich angewandte Mittel vonnöten. Die Könige von Celebes haben viele Versuche gemacht, indem sie zum Tode verurteilte Sklaven mit diesen tödlichen Pfeilen verletzten. Das verletzte Glied wurde sofort vom Körper getrennt, aber der Sklave starb dennoch. All das zeigt Ihnen, mein Herr, daß der Boa-Upas eines der seltsamsten Phänomene der Natur ist; es wäre zu wünschen, daß ein Naturforscher die Mittel hätte, diesen gefährlichen Baum gründlich zu untersuchen. Doch wie soll man einen Gegenstand erforschen, welcher für den, der dieses Unternehmen wagen wollte, von verschiedenen Seiten so viele Gefahren birgt? Jedenfalls sind wir dem Ritter Thunberg für die Mitteilung seiner Beobachtungen zu großem Dank verpflichtet. Hoffen wir, daß kundige Reisende diese Beobachtungen entweder durch ihre eigenen ergänzen oder alles sammeln mögen, was über diesen, der Aufmerksamkeit der Naturforscher so würdigen Gegenstand bekannt wird. In vorzüglichster Hochschätzung usw. usw. Berlin, den 1. Januar 1789.
Übersetzung: Corinna Fiedler